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AFRIKA/1330: Subsahara-Afrika - Keine Fortschritte bei der Armutsbekämpfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juli 2015

Subsahara-Afrika: Keine Fortschritte bei der Armutsbekämpfung

von Jomo Kwame Sundaram und Rudi von Arnim *


Bild: © Tommy Trenchard/IPS

Private Diamantenschürfer in der Nähe der Stadt Koidu im Osten von Sierra Leone
Bild: © Tommy Trenchard/IPS

ROM (IPS) - Nach einem Vierteljahrhundert weitgehender Stagnation erlebte Subsahara-Afrika (SSA) Anfang des neuen Jahrtausends aufgrund der hohen globalen Nachfrage nach Mineralien und anderen Rohstoffen einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Region gelang es sogar, sich am zweitschnellsten nach Ostasien von der Finanzkrise 2008/2009 zu erholen. Dennoch sind Fortschritte im Kampf gegen die Armut ausgeblieben.

Zwischen 2003 und 2013 verbuchte die Region ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent pro Kopf und Jahr. Die zurückliegende Dekade hatte Hoffnungen Auftrieb gegeben, dass sich das afrikanische Wirtschaftswachstum allmählich beschleunigen und der Region die Chance geben würde, den Rückstand aufzuholen.

In den 1960er Jahren hatte das Bruttoinlandsprodukt in SSA jährlich um stolze zwei Prozent zugelegt. In den 1970er Jahren begann jedoch eine Talfahrt, die zwei Jahrzehnte andauerte und das Wirtschaftswachstum auf durchschnittlich 0,75 Prozentpunkte pro Jahr verlangsamte.

Im letzten Jahrzehnt ging es in SSA wieder bergauf. Doch die Abhängigkeit von den Rohstoffexporten sorgte dafür, dass sich die Entwicklungsdividenden in Grenzen hielten. Den Wirtschaftsaktivitäten und vor allem dem Bergbau fehlten der Bezug zum Rest der nationalen Wirtschaft. Somit hielten sich die Auswirkungen auf Wachstum und Arbeitsplatzbeschaffung in Grenzen.

Subsahara-Afrika verdankt sein Wirtschaftswachstum des letzten Jahrzehnts vor allem dem Boom des Bergbausektors. Doch konnte die Region aufgrund der globalen wirtschaftlichen Talfahrt und der saudischen Entscheidung, die Erdölpreise zu verringern, nicht mehr so gute Rohstoffpreise erzielen wie vorher.

Ein Problem ist auch, dass der Ressourcenabbau bei weitem nicht über ein so großes Entwicklungspotenzial verfügt wie die Weiterverarbeitung. Kein Land kann sich erfolgreich entwickeln, ohne seinen Produkten einen Mehrwert zu verleihen beziehungsweise Spitzendienstleistungen anzubieten. Subsahara-Afrika hat in diesen Bereichen in den letzten Jahrzehnten kaum Fortschritte erzielt.

Während der Industrieanteil aller Entwicklungsländer am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf über 23 Prozent angestiegen ist, sank er in SSA von zwölf Prozent in den 1980er Jahren auf inzwischen acht Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Rohstoffe an den SSA-Exporten auf beinahe 90 Prozent gewachsen.

Eine verfrühte und inadäquate Handelsliberalisierung hat zudem die ohnehin eingeschränkten Exportkapazitäten weiter verringert. Der Anteil der Region an den globalen Warenexportenfiel von fünf Prozent in den 1950er Jahren auf 1,8 Prozent im Zeitraum 2000 bis 2010. In der Zwischenzeit ist der Anteil an den weltweiten Ausfuhren von Fertigwaren auf magere 0,20 Prozent abgerutscht.

Die Handelsliberalisierung hat zudem die finanziellen Kapazitäten vieler Regierungen in armen Ländern reduziert, was sich negativ auf die Entwicklung und den sozialen Fortschritt in der Region auswirkte. Da viele Transaktionen in Entwicklungsländern informeller Natur sind und somit unversteuert bleiben, waren gerade arme Länder auf Zolleinnahmen angewiesen.

Folglich hat die Handelsliberalisierung die Fähigkeit von SSA, Einkommen zu generieren, verringert, ohne dass alternative Einnahmen in Sicht gewesen wären. Dies erklärt, warum der Anteil der Regierungsausgaben am BIP von durchschnittlich 16 Prozent im Zeitraum 1980 bis 1999 auf 13 Prozent in den letzten Jahren zurückgegangen ist.

Somit konnten weder der Handel noch die Finanzliberalisierung das Wirtschaftswachstum in SSA beschleunigen. Wachstum erfordert Investitionen, doch Investitionen als Teil des SSA-BIP sind in den letzten Dekaden weiter auf 17 Prozent wie vor Ausbruch der Krise gesunken.

Die Liberalisierung der Finanzmärkte in den 1980er Jahren sollte eigentlich ausländische Ressourcen anziehen. Doch die Portfolio-Investitionen in SSA sind unbedeutend, und was noch entscheidender ist, ungeeignet, um ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen. Stattdessen kam es zu einem Netto-Kapitalabfluss aus der ärmsten Weltregion in Richtung internationale Finanzzentren inklusive Steueroasen.

Gut zugeschnittene 'Greenfield'-Auslandsdirektinvestitionen (Neugründung von Unternehmen) verfügen über ein größeres Potenzial zugunsten positiver Auswirkungen. Doch der afrikanische Anteil an den ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungsländer sackte von 21 Prozent in den 1970er auf elf Prozent in den letzten Jahren beziehungsweise von fünf auf drei Prozent der globalen Auslandsdirektinvestitionen ab. Und was das Ganze noch verschlimmerte: Die ausländischen Direktinvestitionen in SSA konzentrieren sich auf die Rohstoffproduktion, deren Entwicklungs-Spillover-Effekt minimal ist.

Der Weltbank zufolge stieg der Anteil der extrem armen Bevölkerung in SSA von 50 Prozent im Jahr 1980 auf 58 Prozent 1998, um 2005 wieder auf 50 Prozent zu sinken. Tatsächlich ist SSA die einzige Weltregion, der es nicht gelungen ist, den Anteil der Armen zu verringern. Aktuell geht die Zahl der Armen wieder stark in die Höhe.

Vor einem Jahrzehnt, im Jahr 2005, hatten die G8-Industriestaaten auf ihrem Gipfel in Gleneagles versprochen, die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) bis 2010 um 50 Milliarden Dollar aufzustocken. Ebenso hieß es damals, dass die ODA für Afrika von 25 Milliarden auf 64 Milliarden angehoben werden würde. Doch sind sie 18 Milliarden Dollar beziehungsweise 72 Prozent ihrer Zusagen schuldig geblieben!

Der jüngste G7-Gipfel hat sich nicht zu den Versprechen von Gleneagles geäußert. Stattdessen stand der Klimagipfel im Mittelpunkt der Diskussion und es steht zu befürchten, dass die Bedingungen der Klimafinanzierung das Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung unterlaufen könnte.

Auf der bevorstehenden Konferenz der Vertragsstaaten in Paris besteht die Herausforderung darin, sicherzustellen, dass die Klimafinanzierung die seit Jahren überfälligen ODA-Zusagen ergänzen und Klimagerechtigkeit und Entwicklung fördern. (Ende/IPS/kb/06.07.2015)


(*) Jomo Kwame Sundaram ist Koordinator der Abteilung Wirtschaftliche und soziale Entwicklung bei der UN-Agrarorganisation FAO. Rudi von Arnim ist außerordentlicher Professor für Wirtschaftslehre an der Universität von Utah im US-amerikanischen Salt Lake City.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/opinion-sub-saharan-africa-addis-and-paris/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2015

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