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AFRIKA/1359: Malawi - Straßenhandel und Wohnungsbau in Lilongwe (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2015

Straßenhandel und Wohnungsbau in Lilongwe

von Pit Martin


Malawis Stadtverwaltungen gehen unterschiedlich mit Strassenhändlern um. Auch über ihre Handelsmöglichkeiten und Wohnsituation gibt es konträre Meinungen.


Die Vendors, wie die Straßenhändler in Lilongwe heißen, wurden "nur" aus den Geschäftsstraßen und nicht aus anderen Bereichen der Stadt vertrieben. In den Geschäftsstraßen hatten sie sich heftig ausgebreitet. In Area 2, Lilongwes Hauptgeschäftsgegend, waren praktisch keine Parkplätze und Zufahrten zu den Geschäften mehr vorhanden. Das Problem ist, dass diejenigen, die Grundsteuern und sonstige Abgaben zahlen und somit das - wenn auch schlechte - Funktionieren der Stadt finanzieren, keine Konkurrenz direkt vor ihrer Haustür haben wollen. Zumal die Konkurrenz genau diese Abgaben nicht leistet. Zudem blockieren die Vendors mit ihren Ständen alle Wege und hindern so die Kunden der Geschäftsleute daran, in deren Läden zu kommen. Wenn man das zulässt, muss man am Ende die ganze Stadt informell organisieren oder dafür sorgen, dass die Stadtverwaltung von internationalen Gebern bezahlt wird.

Inzwischen hat die Stadt den Vendors direkt neben dem Markt mitten in der Stadt Land angeboten. Der Verkauf lief etwas unregelmäßig ab, denn es fehlten klare Vergabekriterien. Aber dort können sie ihre Verkaufsstände aufbauen, so entsteht ein halbformeller Markt. Das Land war zuvor von der Stadt gekauft worden, aber die Zulieferung, das Parken, die sanitäre Situation bzw. Hygiene und der Brandschutz sind nicht geregelt. Immerhin konnten lokale Interessenten dort kleine Marktstände für den Lebensmittelverkauf erwerben. Proteste gab es von denjenigen, die nichts abbekamen.

Straßenhändler sind nicht nur arme und hilflose Unschuldsengel. Vor etwa drei Jahren begannen sie plötzlich, jungen Frauen die Leggins auszuziehen, weil das "unmalawisch" und "unmoralisch" sei. Und wenn man schon dabei war, konnte man gleich deren Handys einpacken und ggf. auch alle Kleider ausziehen. Und wenn sie schon nackt waren, dann könnte man ja ein bisschen "Spaß" mit ihnen haben... Damals haben sich die malawischen Frauen sofort solidarisiert und nicht mehr bei den Vendors eingekauft. Es gab große landesweite Proteste.


Bauprojekte

Was das Bauen und Wohnen angeht, war Ausgrenzen der Armen nie das Ziel. Als einmal einige illegal gebaute Häuser der Oberklasse in die Planung integriert werden mussten, wurde diese so geändert, dass eine normale Straße zwischen den großen Grundstücken und den Billighäusern angelegt wurde. Das wurde auch von denjenigen akzeptiert, die zuvor gegen die Billighäuser in ihrer direkten Nachbarschaft protestiert hatten.

Dennoch, die Stadtverwaltung ist schlicht unfähig. Das hat viele Ursachen, zum Beispiel fehlende Kapazitäten. So hat Lilongwe derzeit ca. 1,2 Millionen Einwohner, wächst rasant und hat aber nur eine kleine Planungs-/Bauabteilung. Hinzu kommt die allgegenwärtige Korruption. Gehalt gibt es für die alleinige Anwesenheit. Das Arbeiten muss extra bezahlt werden. Das städtische Personal nutzt die Ressourcen für eigene Bedürfnisse. Beamte orientieren sich eher Richtung Zentralregierung als in Richtung Bevölkerung. Im Ergebnis fehlt es an städtebaulicher Planung, am Abarbeiten von Baugenehmigungen. In Lilongwe müssten im Schnitt täglich 55 Neubauten genehmigt werden, um den Bedarf zu decken; es sind aber nur zwei pro Tag. Es mangelt auch an Kontrollen auf den Baustellen und dementsprechend an der Bauqualität. Das betrifft private Gebäude und die öffentliche Infrastruktur. Auch hier kommt wieder die Korruption ins Spiel.

Als Resultat erhalten nur der Mittelstand und die Oberklasse - also die, die Druck machen können -, offiziell überplantes Land mit entsprechender Infrastruktur. Der Rest geht in die informellen Siedlungen, wo man dem Chief für das Grundstück ein bisschen Geld in die Hand drückt und dann losbauen kann ohne Genehmigung oder sonstige Regelungen. Dann hat man aber keinen Brandschutz, keine Abwasser- und Regenwasserentsorgung, keine Straße, keinen geregelten Zugang zum Grundstück. Zudem ist das technische Wissen der Maurer begrenzt.

Wasser gibt es dort in der Regel am Wasserkiosk, zusätzlich graben die meisten Menschen einen Brunnen im Hof für Waschwasser, obwohl das illegal und unhygienisch ist. Denn in maximal 20 Meter Entfernung steht eine Pit-Latrine. Man kann in den informellen Siedlungen aber auch einen eigenen Hausanschluss für Wasser und sogar für Elektrizität bekommen. Das ist insofern interessant, weil Waterboard und Escom Parastatals staatliche GmbHs sind, was abermals gegen die Ausgrenzung der Armen spricht.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
44. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2015, S. 28
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2016

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