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AFRIKA/1371: Südafrika - Wenig rosige Aussichten (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2016

Wenig rosige Aussichten

von Ismail Lagardien


Als Präsident Jacob Zuma Anfang Februar seine Rede zur Nation (SONA) hielt, hatte er - möglicherweise erstmals in seiner Amtszeit - die ungeteilte Aufmerksamkeit des ganzen Landes.


Südafrikas Präsident Zuma hatte anlässlich seiner diesjährigen Rede zur Nation wieder mit radikalen Unterbrechungen zu tun. Vor allem von den rücksichtslosen Economic Freedom Fighters (EFF) war schon im Vorfeld mit einer Wiederauflage ihrer letztjährigen Störaktionen während der Rede zur Nation zu rechnen. Und Zuma traf auf eine Öffentlichkeit, die am Ende ihrer Geduld mit seiner Präsidentschaft angelangt ist.


Debakel um Finanzminister

Ausschlaggebender Anlass für den öffentlichen Aufschrei war die Entlassung des national wie international hoch geschätzten Finanzministers Nhlanhla Nene am 9. Dezember 2015. Nene stand für eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik. Unter bizarren Umständen ersetzte Zuma ihn mit dem Hinterbänkler Des Van Rooyen, ein unbeschriebenes Blatt mit katastrophaler Bilanz als früherer Bürgermeister in der kleinen Gemeinde Merafong und als Vorsitzender der südafrikanischen Vereinigung von Lokalverwaltungen in der Nordwest-Provinz. Innerhalb von nur drei Tagen revidierte Zuma Van Rooyens Ernennung und berief stattdessen Pravin Gordhan, den respektierten und kompetenten Vorgänger Nenes, in das Ministeramt. Aus Sicht vieler im Land war das "der letzte Strohhalm", um die Finanzwelt zu beruhigen - auch für etliche Mitglieder des regierenden African National Congress (ANC) und von dessen Allianzpartnern, der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) und des Gewerkschaftsdachverbands Cosatu.


Gründe für Entlassung

Die Spekulationen, warum Nene entlassen wurde, kreisten um einige Entscheidungen des früheren Finanzministers, die Zuma offenbar als Hohn ihm gegenüber interpretierte. Erstens wollte Nene die üppigen Ausgaben der South African Airways (SAA) für den Kauf neuer Airbus-Flugzeuge zügeln, zumal der Staat für diese nationale Fluggesellschaft bürgen musste. Spekuliert wurde auch darüber, inwieweit Zumas persönliche Beziehung zur SAA-Geschäftsführerin Dudu Myeni einer objektiven Entscheidung zu den SAA-Plänen im Weg stand. Nach Nenes Entlassung sagte der Parteivorsitzende der United Democratic Movement, Bantu Holomisa, der früher ANC-Mitglied war: "Wir wissen: Nene wurde von dieser Frau innerhalb des ANC gemaßregelt, weil er sich weigerte, weiter für sie zu bürgen."

Zudem wurde Mitte Januar bekannt, dass Nene der Einrichtung einer neuen Fluglinie zwischen Johannesburg und Khartoum seine Zustimmung verweigerte. Diese sollte den Respekt und die Solidarität mit dem sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir bekunden, den Zuma offenbar als "seinen Bruder" bezeichnete. Nene habe gegenüber der SAA-Geschäftsführerin Myenl deutlich zu verstehen gegeben, eine solche Linie sei unrentabel und er würde sie nicht erlauben.

Zweitens weigerte sich Nene, eine Billion Rand für den Bau von mindestens acht Atomkraftwerken gutzuheißen. Berichten zufolge hatte er gesagt, er werde den Vertrag nicht autorisieren, weil man sich diese Investition in Atomenergie nicht leisten könne und die öffentlichen Ausgaben mit den Steuereinnahmen in Einklang stehen müssten. Peter Attard Montalto, Ökonom für aufstrebende Märkte von Nomura International, äußerte sich ähnlich, demnach sei Nene wegen Meinungsverschiedenheiten über die Finanzierbarkeit der Atomenergie und über die Aktionärsaufsicht bei den SAA abgesetzt worden.

Der dritte Grund war: Nene hatte Einspruch gegen den Kauf eines Luxusjets für Präsident Zuma im Wert von vier Milliarden Rand erhoben. Zudem war er nicht mehr bereit, Zumas Mitarbeitern Sonderstatus bei der Nutzung teurer Hotels und Flüge in der ersten Klasse zu gewähren.

Der vierte Grund betraf die Tatsache, dass die Rating-Agenturen kurz davor waren, das Land auf "Ramsch"-Status herabzustufen. Denn bereits zwei Tage, nachdem Zuma Nene abgesetzt hatte, fiel der Rand um 9,1 Prozent auf den niedrigsten Rekordwert von 16,05 gegenüber dem Dollar. Der Aktienindex verlor 170 Mrd. Rand. Für die internationalen Rating-Agenturen Anlass genug, um die Möglichkeit einer Abstufung von Südafrikas Kreditwürdigkeit (BBB), die im November von Standard & Poor als stabil eingestuft worden war, auf "negativ" und als "Junk" anzudrohen.

Zuma hatte die Marktsignale offensichtlich missverstanden oder verkannt. Er entließ Nene und ersetzte ihn mit Des Van Rooyen, der in der Finanzwelt völlig unbekannt war. Seine Ernennung schockierte selbst ranghohe ANC-Vertreter. Als Van Rooyen vor etlichen Jahren die Zugehörigkeit seiner Gemeinde Merafong auf Provinzebene ändern und sie aus der finanzkräftigen Provinz Gauteng herauslösen wollte, um sie der Nordwest-Provinz zuzuordnen, reagierte die lokale Bevölkerung mit gewalttätigen Protesten. Ein verärgerter Mob brannte sein Haus ab. Die Vermutung lag nahe, der Präsident habe Van Rooyen ernannt, da dieser schwach ist und Zuma nicht herausfordern oder dessen Entscheidungen in Frage stellen würde.


Zumas Probleme sind alt

Der Präsident ist vielen Oppositionspolitikern und all jenen ein Dorn im Auge, die kritisieren, Zuma habe tribale Politik, Patronage und Nepotismus in die südafrikanische Politik gebracht. Doch das Debakel um den Finanzminister gilt als sein bislang größter Fehler. Für politische Beobachter wie Njabulo Ndebele von der Stellenbosch-Universität oder den Journalisten Justice Malala ist das der Höhepunkt einer Regierung, die den Niedergang des Landes einleitet.

Zumas Probleme gehen weit zurück, seit seinem Amtsantritt 2009 war seine Präsidentschaft destruktiv. Das betraf den langsamen Kollaps der Wirtschaft und den Qualitätsverlust der staatlichen Institutionen wie der Post, der Elektrizitätsgesellschaft Eskom, der nationalen Fluggesellschaft SAA und der South African Broadcasting Corporation im Medienbereich. Die Erosion des" Vertrauens in die Regierungsallianz, der massive Anstieg von mangelhafter Verwaltung und Korruption in der Regierung sowie in staatlichen Agenturen, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und wachsender Rassismus taten ihr Übriges.

Grundsätzlich wird Präsident Zuma klar sein, dass Jeff Radebe, Minister im Präsidentenbüro, angesichts der düsteren Wirtschaftslage dringend forderte, der Staat solle "entschieden intervenieren", um das Wachstum zu steigern. Auch deshalb lag die Aufmerksamkeit des Landes darauf, was genau der Präsident in seiner Rede zur Nation sagte.

Auch die verarbeitende Industrie ist pessimistisch, was die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr betrifft. So erklärte der Ökonom von Barclays Africa, Miyelani Maluleke, der verarbeitende Sektor "sieht nicht gut aus und ist noch immer sehr schwach".


Forderungen von Studierenden und Opposition

Präsident Zuma wird bewusst sein, dass die Studierenden, die im letzten Quartal 2015 für kostenlose Bildung protestierten, wieder auf die Straße gehen werden. Die "Fees Must Fall"-Bewegung ist von ihrem Ziel der kostenlosen universitären Ausbildung überzeugt und sie setzt sich auch für die Arbeiter auf dem Campus ein, die über private Unternehmen angestellt sind und nur geringe Löhne erhalten. Deshalb lauten die Forderungen der Studierenden und der Arbeiter: Vertragliche Beschäftigung durch die Universitäten, anständige Löhne und freie Bildung für die Kinder der Arbeiter.

Zwar erreichten die Studierenden, dass Zuma ihnen versprach, die Studiengebühren sollten 2016 nicht erhöht werden. Doch sie setzten ihre Proteste Mitte Januar 2016 fort. Der Studentenführer Fasiah Hassan von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg erklärte, es gehe um eine größere Inklusion armer Studierender, um deren alte Schulden, die verhindern, dass sich Studierende für das neue akademische Jahr anmelden. Ihnen solle jedoch eine qualifizierte universitäre Ausbildung ermöglicht werden. Es ist geradezu grotesk, dass die Regierung behauptete, es sei kein Geld für kostenlose Bildung da, während sie gleichzeitig ein neues Flugzeug für den Präsidenten in Aussicht stellte, das vier Milliarden Rand kosten soll.

Die Oppositionsparteien hatten Widerstand gegen die Rede zu Nation angekündigt. Die Democratic Alliance will eine Debatte darüber, ob der Präsident für das Amt geeignet ist, und die radikale EFF wollte die Rede wieder stören - wie im letzten Jahr, als die Polizei ins Parlament einschritt und EFF-Parlamentarier zwang, den Saal zu verlassen. Man erwartet von ihm eine klare und ehrliche Bestandsaufnahme zur Lage der Nation, eine Vision als Führungsperson des ganzen Landes und nicht nur einer Bewegung im Befreiungskampf.


Korruptionsvorwürfe

Zusätzlich zum schlechten Zustand der Wirtschaft belasten Zuma insgesamt 771 Korruptionsvorwürfe, von denen zumindest einige verfolgt werden. Vor allem für einen wird er zur Rechenschaft gezogen, die geschätzten 240 Millionen Rand, die für den Bau seiner Privatresidenz Nkandla ausgegeben wurden. Die zügellose Korruption, die während Zumas Präsidentschaft gestiegen ist, kann ihm zum Verhängnis werden.

Vor einem Jahr sagte der frühere Cosatu-Generalsekretär Zelinzima Vavi: "Es gibt keinen Zweifel darüber, dass der Privatsektor und der öffentliche Sektor korrupt sind. Schauen wir auf die Zahlen: Das Institut of Internal Auditors veröffentliche jetzt im Januar 2015 einen Bericht, der dokumentiert, dass wir 700 Mrd. Rand in den letzten 20 Jahren verloren haben." Über die exakten Korruptionszahlen mag man diskutieren. Es ist aber klar, dieses Jahr 2016 wird voraussichtlich Zumas Zukunft bestimmen, und die sieht nicht rosig aus - nicht für ihn und nicht für das Land.


Der Autor ist promovierter politischer Wirtschaftswissenschaftler.
http://www.ilagardien.com/

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2016, S. 8-9
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2016

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