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AFRIKA/735: Sambia - Milchbauern ausgebremst (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2009

Milchbauern ausgebremst

Von Kerstin Lanje


Der Aufbau einer eigenen Milchindustrie hat in Sambia gute Fortschritte gemacht. Vor allem Kleinbäuerinnen und Kooperativen haben davon profitiert. Die subventionierten europäischen Milchexporte drohen diesen Erfolg zunichte zu machen.


Stolz schwingt in der Stimme von Monica Matambo mit, als sie erzählt: "Von dem Wenigen, was wir für unsere Milch kriegen, kann ich meinen Sohn zur Universität schicken. Bald wird er diese abschließen. Auch wenn wir nicht immer alles haben, was nötig wäre, und wir hin und wieder gezwungen sind, Mahlzeiten ausfallen zu lassen, weil uns das Geld fehlt, war die Milch eine riesige Hilfe für unsere Familie."

Frau Matambo ist Witwe und lebt in Sambia, einem der ärmsten Länder der Erde. Sie ist eine von vielen Kleinbäuerinnen, die endlich mehr produzieren, als sie für die eigene Familie brauchen, und nun ein festes Einkommen haben. Schritt für Schritt hat sie sich eine sichere Existenz aufbauen und aus der größten Armut befreien können. Doch jetzt hat sie Angst um das Erreichte und um die Zukunft der jüngeren Kinder.

Milchexporte der Europäischen Union werden wieder massiv subventioniert. Das haben die europäischen Agrarminister im Januar beschlossen. Dies verzerrt den Preis und führt zu der absurden Situation, dass ein Liter Milch von einer deutschen Hochleistungskuh, in einem volltechnisierten Stall erzeugt, zu Milchpulver verarbeitet und um den halben Erdball gekarrt, in einem sambischen Supermarkt bald billiger sein wird als die Milch einer sambischen Wald-und-Wiesen-Kuh. Auch der Bund der deutschen Milchviehhalter lehnt die Handelssubventionen ab. Er fordert: Milch soll dort produziert werden, wo sie auch konsumiert wird!

Russland hat bereits die Einfuhrzölle auf Milch und Kondenssahne auf 20 Prozent erhöht, um seinen Markt gegen subventionierte Milch aus der EU zu schützen. Und um Ärger mit den USA zu vermeiden, zahlt die EU keine Exportsubventionen für Milchexporte über den Atlantik. Aber Sambia hat keine Wahl. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der EU erlaubt nicht, die Zölle für Milch zum Schutz der eigenen Industrie anzuheben.

Das Schicksal von Frau Matambo ist beispielhaft für viele Tausende, die unter dem Widerspruch zwischen Europas Entwicklungs- und Agrarpolitik leiden. Armut und Hunger in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern zu bekämpfen ist ein zentrales Ziel der deutschen Politik. In Sambia wurde dazu die Milchwirtschaft gefördert - mit guten Erfolgen. Exportsubventionen, die vor allem der europäischen Milchindustrie nutzen, drohen diese Fortschritte wieder zunichte zu machen.

Die Subsistenzbauern, die ihre wenigen Liter Milch täglich in der direkten Umgebung an Nachbarn verkaufen, werden die Auswirkungen der Milchschwemme erst einmal kaum spüren. Doch diejenigen, die sich in einer Kooperative zusammengeschlossen haben und ihren täglichen Ertrag zu den Sammelstellen bringen und dann unter einer gemeinsamen Marke im Supermarkt vertreiben, müssen befürchten, wieder in ihre Armut zurückzufallen.

Wie z.B. die Kooperative Magoye. Dreihundert Kleinbauern tragen hier jeden Tag ihre Milch zusammen. Manche haben nur drei oder vier Kühe, andere über zwanzig. Ihre Kühe sind anders als in der EU nicht auf den Milchertrag hin gezüchtet und werden hauptsächlich mit Grünfutter ernährt. Sie geben jeden Tag zwei bis sechs Liter Milch. Europäische kommen auf über 25 Liter. Die Milch von Magoye wird als Frischmilch in städtischen Supermärkten verkauft.

Die Milchbauern konnten sich eine bescheidene, aber stabile Existenz aufbauen: Drei Mahlzeiten am Tag, einen täglichen Becher Milch für die Kinder und ein wenig Geld für schlechte Zeiten. Ihre gesundheitliche Situation hat sich stark verbessert.

Wenn die Kleinbauern ihren erfolgreichen Weg weiter gehen, werden sie bald in der Lage sein, ihr ganzes Land mit Milch zu versorgen. Zuletzt konnten sie den Bedarf zu 60 Prozent decken. Der Ausbau der Selbstversorgung - und damit auch die Einkommenssicherung der kleinbäuerlichen Betriebe - wird allerdings nur Erfolg haben, wenn keine europäische - durch Subventionen billig gemachte - Milch auf den heimischen Markt schwappt. Dann werden sie ausgebremst auf dem besten Weg in Richtung Eigenständigkeit und Armutsbekämpfung und müssen fürchten, wieder in Abhängigkeit zu geraten.


Die Autorin ist gelernte Sozialökonomin und Referentin für Welthandel und Ernährung bei Germanwatch.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2009, S. 38
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2009