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AFRIKA/758: Die Krise in Simbabwe bleibt trotz Einheitsregierung akut (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August/September 2009

Farce oder Hoffnung?
Die Krise in Simbabwe bleibt trotz Einheitsregierung akut

Von Johann Müller


Die Welt schaut zwar gegenwärtig mehr auf andere Krisenherde wie Afghanistan, Irak oder Somalia, doch auch die Krise in Simbabwe ist alles andere als entschärft. Anfang des Jahres keimte Hoffnung auf, als Thabo Mbeki ein Machtteilungsabkommen zwischen Robert Mugabes Zanu-PF und den MDC-Fraktionen von Morgan Tsvangirai (MDC-T) und Arthur Mutambara (MDC-M) vermittelt hatte, das am 11. Februar zur Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit führte. Fraglich ist jedoch, ob dies für Simbabwe wirklich eine bessere Zukunft bedeutet. Die MDC scheint sich in der Regierungsmitverantwortung zu zerreiben. Die wenig Mut machenden Nachrichten aus Harare machen einen kritischen Blick auf das Agieren der "Government of National Unity" (GNU) jedenfalls zwingend erforderlich.


Als Morgan Tsvangirai in seiner Funktion als Premierminister Simbabwes vom 7. bis 25. Juni dieses Jahres die Regierungen von sieben europäischen Ländern und der USA aufsuchte, um für finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau seines Landes zu werben, stieß er auf große Skepsis. Finanzminister Tendai Biti (ebenfalls MDC-T) hatte errechnet, dass Simbabwe 8,4 Mrd. US-Dollar benötigt, um in der ersten Zeit makro- und mikroökonomische Stabilität herzustellen und zumindest die Grundbedürfnisse im Bildungs- und Gesundheitsbereich befriedigen zu können. Diese Ziele wurden im Short Term Emergency Recovery Programme (STERP) niedergelegt. Dass das Auftreiben einer solchen Summe nicht leicht wird, wurde Tsvangirai bei seinen Auslandsbesuchen schnell bewusst.


Tsvangirai auf erfolgloser Spendentour

Natürlich hatte Mugabe mit Tsvangirai den ranghöchsten MDC-Vertreter seiner Regierung auf die Spendentour geschickt. Ihm selbst und seinen engsten Vertrauten ist es nach wie vor untersagt, in die EU einzureisen, außerdem ist Tsvangirai das Gesicht des simbabwischen Widerstandes und damit am besten geeignet, im Westen für Vertrauen zu sorgen. Vor allem sollte er allen potenziellen Geberländern erklären, dass sich Mugabe gewandelt habe und die neue Regierung eine unterstützenswerte Arbeit leiste. Doch die Ernüchterung folgte sogleich bei seinem ersten europäischen Anlaufpunkt in den Niederlanden. Die niederländische Regierung erklärte sich nicht bereit, finanzielle Hilfe für Simbabwe zu leisten. Auch die anderen europäischen Staaten und die USA blieben hinter den finanziellen Erwartungen Simbabwes zurück. Tsvangirai kehrte schließlich mit Hilfszusagen in Höhe von insgesamt 200 Mio US-Dollar zurück nach Harare - gemessen an den im STERP formulierten Zielen viel zu wenig. Der Großteil der zugesagten Gelder wird noch nicht einmal in den simbabwischen Haushalt fließen, sondern Nichtregierungsorganisationen zugute kommen. Auch die deutsche Bundesregierung verfährt nach diesem Prinzip.

Der Grund für die Zurückhaltung der westlichen Regierungen ist klar: Man glaubt nicht, dass die MDC einen wesentlichen Einfluss in der Einheitsregierung ausüben kann. Zwar haben die beiden Fraktionen der MDC einen Minister mehr als Mugabes Zanu-PF und stellen in Morgan Tsvangirai den Premierminister und in Arthur Mutambara und Thokozani Khuphe die beiden stellvertretenden Premierminister. Alle wesentlichen Exekutivfunktionen sind jedoch weiterhin in Händen von Mugabes Leuten. Dies lassen sie die MDC-Regierungsmitglieder beinahe täglich spüren. Das Finanzministerium bringt der MDC wenig, solange Tendai Biti nichts anderes tun kann, als den Mangel zu verwalten. Das von MDC und Zanu-PF geteilte Innenministerium vergrößert die Einflussmöglichkeiten der MDC ebenfalls kaum, da Zanu-PF Leute nach wie vor an den Schaltstellen von Militär und Polizei sitzen.


Simbabwe-Symposium: Debatte um Zukunft des Landes

Die weiter bestehende Dominanz der Zanu-PF wurde immer wieder betont, als am 8. Juni im Freiburger Arnold-Bergstraesser-Institut fünf hochrangige simbabwische Wissenschaftler zu einem Simbabwe-Symposium zusammenkamen, um mit Vertretern des Instituts, einer interessierten Öffentlichkeit und Repräsentanten von Geberorganisationen die Zukunft der Einheitsregierung zu diskutieren. Im Laufe der Diskussion fragten sich die anwesenden Vertreter der GTZ, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, von Misereor und der Friedrich-Ebert-Stiftung, wie sich westliche Staaten und Institutionen in diesen Zeiten des politischen Wandels in Simbabwe verhalten sollen. Schließlich kamen einige von ihnen eine Woche später mit Tsvangirai in Berlin zusammen, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. "Some things need a black face", erklärte Goodhope Ruswa, der an der University of Zimbabwe zur Landreform forscht. Er wünscht sich, dass mehr afrikanische Staatsoberhäupter die Stimme gegen Mugabe erheben. Westliche Geldgeber müssten hingegen wesentlich sensibler agieren.

Bisher ist diese Sensibilität vor allem mit Vorsicht zu übersetzen gewesen. Von simbabwischer Seite wünscht man sich hingegen finanzielle Zusagen ohne daran geknüpfte Bedingungen. Diese Art von Sensibilität kann man in Europa nicht mittragen. Anders sieht das bei der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) und bei China aus. Für die SADC ist der Konflikt in Simbabwe seit Jahren Dauerthema, umso erleichterter war man daher in den Ländern des Südlichen Afrika über die vermeintliche Lösung durch Thabo Mbeki. Der namibische Parlamentspräsident Theo-Ben Gurirab hatte unmittelbar nach dem Machtteilungsabkommen im September letzten Jahres eine Parlamentssitzung gar mit den Worten "Thabo Mbeki ist ein Held" begonnen. Dementsprechend sahen sich zumindest Südafrika und Botswana in der Verantwortung, der simbabwischen Regierung Hilfen für den Wiederaufbau des Landes zuzusagen. Am 30.6. überraschte Morgan Tsvangirai schließlich gar mit der Ankündigung, China sei bereit, Simbabwe insgesamt 950 Mio. US-Dollar an Krediten zur Verfügung zu stellen.

Verwundern darf diese chinesische Hilfsbereitschaft natürlich nicht, sie passt nur allzu gut ins bewährte Schema chinesischer Afrikapolitik. Wie sinnvoll solche Gelder, sollten sie tatsächlich gezahlt werden, dann tatsächlich eingesetzt werden, ist aber ebenso fraglich wie die generellen Erfolgsaussichten der Einheitsregierung. Welche Mittel hat die MDC sich durchzusetzen? Und kann man der MDC überhaupt Vertrauen schenken?


Mugabe - Teil des Problems wie der Lösung

Eldred Masunungure, Politikprofessor von der Universität von Simbabwe, wies im Arnold-Bergstraesser-Institut darauf hin, dass auch die MDC über strukturelle Defizite verfüge und beispielsweise auch die MDC-Ministerposten in der Einheitsregierung weitgehend nach klientelistischen Prinzipien vergeben worden seien. Wichtig sei aber vor allem die Frage nach dem cui bono: Wem nützt es, wenn es der gemischten Regierung gelingt, Verbesserungen für die simbabwische Bevölkerung zu schaffen und den wirtschaftlichen Abschwung zu stoppen? Die Antwort ist klar: derjenigen Partei, die bislang nicht in Regierungsverantwortung stand und somit nicht für den Niedergang Simbabwes verantwortlich gemacht werden kann: der MDC. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Interesse Mugabes und der Zanu-PF an Erfolgen der Regierung begrenzt sein muss, jedenfalls, wenn man den Machterhalt als ihr oberstes politisches Ziel ansieht, woran nach den Erfahrungen der letzten Jahre eigentlich kein Zweifel mehr bestehen kann. Mugabe und seine Partei müssen schließlich damit rechnen, dass sich nach Ende der zweijährigen Übergangsphase und der Verabschiedung einer neuen Verfassung die beiden Koalitionspartner in Wahlen gegenüberstehen. Erfolge der gemeinsamen Zeit würden dann zweifelsohne der MDC zugute gehalten werden. Andererseits kann ohnehin niemand ernsthaft glauben, dass die Zanu-PF bei freien Wahlen eine Chance hätte.

In der Partei, in der eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Realität nicht stattzufinden scheint, gibt man sich jedoch weiterhin der Illusion hin, auch in Zukunft an der Spitze des Staates stehen zu können. Klares Anzeichen dafür ist der interne Machtkampf um die Nachfolge des inzwischen 85-jährigen Mugabe. Bereits seit längerem sind zwei Fraktionen innerhalb der Zanu-PF auszumachen: auf der einen Seite um Joyce Mujuru, die Vize-Präsidentin, und ihren Mann Solomon, der bis 1995 die Armee befehligt hat, auf der anderen Seite um Verteidigungsminister Emmerson Mnangagwa. Sowohl die Mujurus als auch Mnangagwa sind alte Weggefährten Mugabes aus dem Freiheitskampf. Nun sitzen sie in dem Parteikomitee, das sich mit der Nachfolge Mugabes - wann auch immer diese ansteht - befassen soll. Erster Härtetest für beide Fraktionen könnten bereits die Kongresse der Frauen- und Jugendorganisation der Partei im August sein. Eine mögliche Konfrontation könnte möglicherweise auf dem nationalen Parteikongress im Dezember folgen. Bisher allerdings verfügen beide Fraktionen über keine klare Mehrheit in der Zanu-PF. Die Mujurus verfügen über Rückhalt in Harare, den zentralen Provinzen und in Ost-Mashonaland, während Masvingo, die Midlands und Manicaland als Hochburgen Mnangagwas gelten. Noch aber scheint Mugabe genug Rückhalt in seiner Partei zu besitzen. Und ohnehin scheinen die Folgen eines Abschieds Mugabes von der Politik schwer kalkulierbar. Eldred Masunungure bemerkte daher im Arnold-Bergstraesser-Institut, Mugabe sei sowohl Teil des Problems, als auch Teil der Lösung.

Nichtsdestotrotz zeichnet sich der politische Alltag in Simbabwe auch durch Profilierungsversuche der möglichen Nachfolger Mugabes aus. Joyce Mujuru war es beispielsweise, die kurz nach Tsvangirais Rückkehr aus Europa dessen geringe Ausbeute öffentlich bedauerte und sich beschwerte, dass die versprochenen Hilfen in erster Linie an Nichtregierungsorganisationen gehen sollen. Es zeigt sich dabei auch, dass, während einige MDC-Politiker zum Teil diplomatische Verrenkungen unternehmen müssen, um die Einheitsregierung und Präsident Mugabe zu verteidigen, die Zanu-PF kein Blatt vor den Mund nimmt, um die MDC und deren Vertreter zu kritisieren. Je länger dieses fragwürdige Experiment dauert, desto offener wird auch der Unmut in der MDC. Als Robert Mugabe die stets dienstags stattfindende Kabinettssitzung auf Montag verschob, damit er trotz seiner Verpflichtungen beim AU-Gipfel in Libyen das Treffen selbst leiten konnte und nicht, wie eigentlich vorgesehen, Tsvangirai den Vortritt lassen musste, boykottierten die MDC-Kabinettsmitglieder am 29.6. die Sitzung.


Was bringt der MDC die Regierungsbeteiligung?

Umso berechtigter erscheint die Frage: Warum hat sich die MDC auf das Abkommen zur Einheitsregierung überhaupt eingelassen? Was haben sich Tsvangirai und Biti davon versprochen? Fest steht zunächst einmal, dass die Einflussmöglichkeiten der MDC in der Regierung äußerst begrenzt sind. Das neu geschaffene Amt des Premierministers verleiht Morgan Tsvangirai nur wenig Macht und Autorität, um die Politik entscheidend mitzubestimmen. In den einzelnen Ministerien behindern sich Minister und Vize-Minister oft gegenseitig, wenn sie unterschiedlichen Lagern angehören. Der als Vizechef für das Landwirtschaftsministerium vorgesehene MDC-Politiker Roy Bennett ist bis heute nicht vereidigt worden.

Letztlich sind alle Minister aber Mugabe verpflichtet und von ihm abhängig. In einem heuchlerischen Akt wurde Morgan Tsvangirai die Leitung des neu geschaffenen Ministerrats übertragen, dieser verfügt jedoch praktisch über keinerlei Exekutivgewalt. Wichtige Entscheidungen werden immer wieder hinter Tsvangirais Rücken gefällt. So verfügte Mugabe beispielsweise die Wiederernennung von Gideon Gono zum Gouverneur der Reservebank und von Johannes Tomana zum Generalstaatsanwalt im Alleingang. Zudem werden Parlamentarier der MDC immer wieder an der Wahrnehmung ihres Mandats gehindert, indem sie in Akten politischer Willkür suspendiert oder sogar kurzfristig eingesperrt werden.

Angesichts dieser Fakten ist es schwierig, Motive für die Bereitschaft der MDC für eine Koalitionsregierung mit Mugabe zu finden, von der nur er selbst und seine Partei zu profitieren scheinen. Man könnte vermuten, dass der südafrikanische Druck auf Tsvangirai in den Wochen vor dem Machtteilungsabkommen verstärkt worden ist und damit gedroht wurde, die MDC noch mehr zu isolieren, sollte sie einem Deal nicht zustimmen. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage nach den Alternativen, die für die MDC im September vergangenen Jahres bestanden. Innerhalb der SADC hatte sie außer Botswana keine großen Fürsprecher. Der Westen hatte sich zwar klar zugunsten von Tsvangirai positioniert, aber letztlich auch nur ein marginales Interesse an den Geschehnissen in Simbabwe. Eine innenpolitische Lösung durch Neuwahlen (mit ungewissem Ausgang) wäre nur unter Inkaufnahme einer weiteren Eskalation der Gewalt denkbar gewesen.

Vielleicht hat die MDC also doch patriotisch gehandelt. Die faktische Abschaffung des Zimbabwe Dollar brachte immerhin erstes Vertrauen in die simbabwische Wirtschaft zurück und erwies sich als wirksames Mittel, um die Inflation zu bekämpfen. Auch die Wahl eines 25-köpfigen Komitees im April, das den Prozess der Ausarbeitung einer neuen Verfassung leiten soll, kann als ein erster positiver Schritt in die richtige Richtung gewertet werden.


Weiterhin miserable soziale Lage

Dass die Skepsis aber überwiegt, durfte Morgan Tsvangirai vor allem bei seinem Besuch in London feststellen. Als er vor Tausenden von Exil-Simbabwern sprach und diese dazu aufforderte, zurück nach Simbabwe zu kommen, um am Wiederaufbau des Landes mitzuwirken, erntete er Buhrufe und Pfiffe. Vertrauen in Mugabe und seine Zanu-PF gibt es unter den im Ausland lebenden Simbabwern nicht. Viele haben unter schwierigsten Umständen das Land verlassen und hart dafür gearbeitet, sich ein neues Leben aufzubauen. Dies aufzugeben, erscheint vielen Exil-Simbabwern unter den momentanen Verhältnissen unsicher und riskant.

Denn in Simbabwe verbessert sich das Leben der Menschen nur schwerlich. Zwar kündigte Tendai Biti am 16. Juli bei der Vorstellung des halbjährlichen Haushaltsberichts an, dass pessimistischen Schätzungen zufolge die simbabwische Wirtschaft um 3,7 Prozent wachsen werde. Dieses Wachstum beginnt allerdings auf einem äußerst geringen Niveau. Außerdem kündigte Biti an, dass alle Staatsbediensteten anstatt der bisherigen monatlichen Aufwandsentschädigung von 100 US-Dollar künftig ein Gehalt beziehen werden. Doch dies bringt nur wenigen etwas. Laut Internationaler Arbeitsorganisation liegt die Arbeitslosenquote bei 95 Prozent. Die Cholera-Epidemie ist weiterhin außer Kontrolle, und Anhänger der MDC werden immer noch oft genug am Abhalten politischer Veranstaltungen gehindert. Da wiegt es natürlich besonders schwer, dass nun die MDC, das Sprachrohr des simbabwischen Widerstands, Teil der Regierung ist. Dieser Zustand hat sich auch schon in Kenia als äußerst gefährlich erwiesen. Treten die beiden großen Parteien, die in einem polarisierten Wahlkampf fast alle Stimmen auf sich vereinigen konnten, in eine Einheitsregierung ein, so verschwindet damit fast jegliche politische Opposition.

Protest lässt sich für die Bevölkerung dann nur noch schwer artikulieren. Zwar waren die Hoffnungen groß, die in Tsvangirai und seine Mannen gesetzt wurden, doch je länger der Zustand der Stagnation andauert, desto mehr schwindet auch das Vertrauen in die einstigen Hoffnungsträger. Aus diesen Erwägungen heraus wandelte der Drittplatzierte der Präsidentschaftswahl von 2008, Simba Makoni, seine 2008 gegründete Bewegung Movambo/Kusile/Dawn im Juni in eine politische Partei um. Ob diese eine wirkliche Alternative darstellen kann, ist allerdings zweifelhaft.

Unterdessen bewegt sich auch bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung wenig. Mugabe versucht, mit dem Koriba Draft einen Entwurf durchzusetzen, der die starke Stellung des Präsidenten zementieren würde. Die Tsvangirai-Fraktion der MDC lehnt dies ab.X Bei einer Sitzung zur Ausarbeitung der Verfassung kam es am 13. juli zu gewaltsamen Ausschreitungen, nachdem Mugabes Anhänger, unter ihnen viele Kriegsveteranen, der Minister für jugend, Saviour Kasukuwere und Mugabes Neffe, Patrick Zhuwawo, Revolutionslieder singend den Sitzungssaal gestürmt hatten. Ein MDC-Ratsmitglied wurde dabei verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Mugabe, Tsvangirai und Mutambara riefen zwar alle Beteiligten zur Ruhe auf, doch sind die fortdauernden Gewaltexzesse von Zanu-PF-Anhängern letztlich nicht weniger als Teil einer Zermürbungstaktik, mit der der Einfluss der MDC und deren Lust am Regieren weiter geschwächt werden soll. Einen Tag nach den Ausschreitungen gaben simbabwische Menschenrechtsanwälte, die ebenfalls der insgesamt 4000 Mann starken Versammlung zur Ausarbeitung der Verfassung angehören, bekannt, möglicherweise aus der Versammlung auszutreten, weil sie den Einfluss der Zivilgesellschaft für zu gering erachten.

Es fällt also schwer, ein positives Szenario für Simbabwes Einheitsregierung zu zeichnen. Die SADC agiert weiter zögerlich und reagiert abwartend auf die berechtigten Vorwürfe der MDC, dass zentrale Punkte des Machtteilungsabkommens noch immer nicht umgesetzt seien. Hinzu kommt, dass jeder der simbabwischen Akteure sich in seinem eigenen Dilemma befindet. Die MDC ist gezwungen, mit Mugabe und der Zanu-PF zusammenzuarbeiten, um überhaupt irgendwelche Erfolge erzielen zu können. Eine zu große Nähe zu den alten Eliten könnte aber schnell als Komplizenschaft mit dem alten Regime verstanden werden. Die Zanu-PF weiß, dass sie Erfolge der Politik der Einheitsregierung vermutlich in der öffentlichen Wahrnehmung nicht auf ihrer Habenseite verbuchen kann und ist daher nur sehr bedingt reformbereit. Und die internationalen Geber im Westen, die für den Wiederaufbau des Landes essentiell sind, wissen zwar, dass nur ihre Hilfe Simbabwe vor einer weiteren Eskalation der Lage bewahren kann, befürchten aber, dass mögliche Unterstützung nur wieder in den Taschen Mugabes und seiner Klientel landet. Und nun scheint auch der Prozess der Erarbeitung einer neuen Verfassung ins Stocken zu geraten.

Da klingt es schon geradezu absurd, wenn sich Mugabe und Co. darüber Gedanken machen, wie man Touristen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika auch nach Simbabwe locken kann. Da dafür eine neue Straße zum Flughafen gebaut werden soll, müssen mehr als dreißig Familien umgesiedelt werden. Da werden schnell Erinnerungen an 2005 wach, als Mugabe mit der Operation Murambatsvina (auf deutsch in etwa: Müllentsorgung) ganze Viertel in Harare und Bulawayo mit Schubraupen und Radladern niederwalzen ließ.

Das Motto der Weltmeisterschaft in Südafrika wird "Ke nako. Celebrate Africa's Humanity" lauten, was in etwa "Es ist Zeit, Afrikas Menschlichkeit zu feiern" bedeutet. Dazu ist es allerdings Zeit. In Simbabwe freilich muss erst zur Menschlichkeit zurückgefunden werden, bevor es etwas zu feiern gibt. Ob die Regierung der Nationalen Einheit dazu etwas beitragen kann, erscheint zur Zeit jedoch zweifelhaft.


Der Autor ist Mitarbeiter am Arnold-Bergstaesser-Institut und promoviert zur Zeit über die Rolle Botswanas im namibischen Befreiungskampf.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. Nr. 4, Juli/August/September 2009, S. 8 - 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2009