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AFRIKA/840: Zur Debatte um Sanktionen gegen Simbabwe (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, April / Mai / Juni 2010

Streumunition
Zur Debatte um Sanktionen gegen Simbabwe

Von Briggs Bomba und William Minter


Dass nur westliche Staaten Sanktionen gegen Simbabwe verhängt haben, lässt an ihrer internationalen Gültigkeit zweifeln, auch wenn die Verletzung demokratischer Rechte in Simbabwe gut belegt ist und zur Rechtfertigung herhält. Simbabwes Zivilgesellschaft ist geteilter Ansicht, ob Sanktionen eine geeignete Maßnahme sind. Präsident Mugabe und seine Verteidiger verurteilen Sanktionen als solche als illegal und illegitim. Andere, darunter auch viele, die in diesem Falle Sanktionen befürworten, weisen zu Recht darauf hin, dass der Westen solche Sanktionen gegen andere Regime mit ähnlichen Verstößen nicht verhängt.

Der Sammelbegriff "Sanktionen" umfasst eine ganze Palette internationaler Strafmaßnahmen, um Druck auf eine Verhaltensänderung auszuüben. Jedes Land hat das ureigene Recht, seine Außenpolitik gegenüber anderen Ländern nach seinen eigenen Regeln zu bestimmen. Sanktionen nehmen dabei eine Stellung zwischen Diplomatie und Krieg ein. Ob eine solche Maßnahme legitim ist und greift, kann nur beantwortet werden, wenn man ins Detail geht. Auch ein Blick in die Geschichte ist hilfreich, um zu verstehen, welche Maßnahmen ergriffen, wie sie umgesetzt werden und welchen Einfluss sie auf den demokratischen Prozess nehmen.

Wichtig ist auch, Sanktionen nur als ein Instrument unter vielen zu sehen. Im heutigen Simbabwe sind sich Befürworter wie Gegner einig über die Bedeutung von Sanktionen für das Land. Die internationale Gemeinschaft, global wie regional, hat durchaus noch andere Instrumente zu Verfügung. Die Kernfrage dreht sich nicht nur darum, wann Sanktionen aufgehoben oder gelockert werden sollten, sondern auch darum, in welchem Maße die westlichen Länder bereit sind, zur wirtschaftlichen Erholung beizutragen. Noch entscheidender dürfte sein, ob Simbabwes Nachbarn ihre diplomatischen Anstrengungen steigern und mit dem entsprechenden Druck versehen, auch wenn sie dabei das Wort Sanktionen vermeiden.


Sanktionen gegen Simbabwe in der Praxis

Die derzeitigen Sanktionen gegen Mugabe und seine Leute unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von denen gegen die ehemaligen weißen Siedlerregime in Rhodesien und Südafrika. Sie wenden sich vornehmlich gegen den Machtmissbrauch einer bestimmten politischen Fraktion und nicht gegen ein über Generationen geschaffenes System. Und sie sind ausdrücklich als begrenzt und gezielt definiert und nicht als umfassend.

In einem aber gleichen sie sich: Es gibt eine Kluft zwischen Rhetorik und Praxis. So verhängten Großbritannien und die Vereinten Nationen nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung von 1965 umfassende Sanktionen gegen das von einer weißen Minderheit beherrschte Rhodesien. Schon bei der Verhängung war klar, dass strategische Komponenten der Sanktionen wie das Verbot von Ölimporten von Südafrika und dem portugiesischem Kolonialregime in Mosambik, aber auch von britischen Ölmultis unterlaufen würden. Das änderte sich mit der mosambikanischen Unabhängigkeit 1975, als Maputo die Transitstrecken nach Rhodesien schloss. Als schließlich auch Südafrika zu verstehen gab, Sanktionen nicht länger torpedieren zu wollen, war Ian Smith gezwungen, in Verhandlungen um die Unabhängigkeit einzuwilligen.

Nun wurden diese Sanktionen damals als umfassend bezeichnet, was sie in Wirklichkeit mitnichten waren. Heute spricht man von gezielten Sanktionen. Doch niemand, auch nicht die Regierungen, die sie verhängt haben, hat untersucht, ob sie ihre Ziele auch treffen.

Auch wenn keine umfassenden Sanktionen verhängt wurden, vermitteln Mugabes Sprachrohre den Eindruck, die bestehenden Maßnahmen hätten massive negative Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt. Dabei sind die EU und die USA immer noch die wichtigsten Handelspartner. Nach den letzten verfügbaren Daten des Internationalen Währungsfonds von 2008 folgen auf den dominierenden Handelspartner Südafrika mit einem Gesamtvolumen von 2,65 Mrd. US-Dollar die EU mit 561 Mio. US-Dollar, weit vor China mit 267 Mio. US-Dollar und den USA mit 197 Mio. US-Dollar.

Die Sanktionsbefürworter haben es allerdings versäumt, auf diese Fehlinterpretation hinzuweisen und über die Maßnahmen korrekt zu informieren. Dass sie die Terminologie in "restriktive Maßnahmen" änderten, hat die Konfusion nur verstärkt. Die Regierungen, die Sanktionen verhängt haben, hatten vordringlich ein Interesse daran, aus der Aktion politischen Kredit zu ziehen, jedoch offensichtlich nicht, ihre Aktion zu erklären, geschweige denn Rechenschaft zu geben, ob sie überhaupt greifen.

Die gezielten Sanktionen umfassen den Waffenhandel, das Einfrieren von Vermögenswerten und ein Einreiseverbot für einen bestimmten Personenkreis und für Unternehmen im Besitz solcher Personen; sie werden namentlich genannt. Die EU etwa zählt dazu "Personen, die verantwortlich sind für schwere Verstöße gegen Menschenrechte und Verstöße gegen Meinungs- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf friedliche Zusammenkunft". Die USA verhängten mit dem Zimbabwe Democracy and Economic Recovery Act von 2001 (ZDERA) Sanktionen gegen "Individuen, die für vorsätzlichen Rechts- und Gesetzesbruch, politische Gewalt und Einschüchterung in Simbabwe verantwortlich sind".

Die Durchführung dieser Bestimmungen ist weder transparent noch einheitlich in Bezug auf den Personenkreis. Auf der Liste der EU vom März 2010 stehen 197 Personen und 31 Unternehmen, sechs Personen und neun Unternehmen wurden aus der Vorliste gestrichen. Die US-Liste wurde zuletzt im November 2008 aktualisiert. Sie zählt 132 Personen und 54 Unternehmen auf. Es gibt keine Angaben darüber, warum einzelne Personen und Unternehmen in die Listen aufgenommen oder wieder gestrichen wurden. Dass diese Listen von EU, USA, Neuseeland oder Australien erheblich differieren, fördert nicht gerade die Unanfechtbarkeit.

Auf den Listen stehen nachvollziehbar Präsident Mugabe und direkt für die Gewalt Verantwortliche wie der Veteranenchef Joseph Chinotimba, der Polizeikommissar Augustine Chihuri und der Kommandeur der Streitkräfte, Constantine Chiwenga. Doch was hat etwa der ehemalige Gesundheitsminister Timothy Stamps auf der EU-Liste zu suchen, der 2002 zurücktrat? Stamps hatte in den 1980er- und 90er-Jahren eine innovative und erfolgreiche Gesundheitspolitik verfolgt, bis das System nach Kürzungen durch die Mugabe-Regierung auf Druck der internationalen Finanzinstitutionen an die Wand gefahren wurde. Ebenso fraglich ist die Auflistung von Leuten wie Peter Chingoka. Sein Management des Kricketvereins mag aus vielen Gründen dubios sein, aber für die politische Gewalt kann man ihn kaum verantwortlich machen. Und da sind auch Journalistinnen und Journalisten wie Judith Makwanya vom Staatsrundfunk oder Caesar Zvaji vom Herald gelistet. Sicher, sie sind die Stimme ihres Herrn, aber mit dem Ruf nach Pressefreiheit hat das wenig zu tun.

Manche wie der ehemalige Kabinettssekretär Charles Utete, der 2003 zurückgetreten ist, ist offensichtlich nur wegen seiner Verbindung zur Zanu-PF auf die Liste geraten. Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass die Listen es einfach darauf abgesehen haben, alle prominenten Regierungsmitglieder und Parteifunktionäre aufzuführen, ohne dass ihre Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen nachzuweisen versucht wurde. Ein solcher Rastermechanismus mag zu einer bestimmten Zeit Sinn machen, er ist aber spätestens dann fragwürdig geworden, als im Februar 2009 eine Regierung der nationalen Einheit gebildet wurde. Es gibt zahlreiche Mängel im Prozess der Bildung einer gemeinsamen Regierung und es sind die Falken in der Zanu-PF, die den Prozess sabotieren. Doch es ist kontraproduktiv, dafür alle Mitglieder der Zanu-PF unterschiedslos in Haftung zu nehmen.

Eine neue Anweisung vom damaligen US-Präsident G.W. Bush im Jahr 2008, die im März 2009 und dann 2010 auch von Präsident Obama bestätigt wurde, machte die Sanktionen noch unflexibler. Sie bezieht sich nicht nur auf Personen, die unter die ursprünglichen Kriterien fallen, sondern auf alle "führenden Mitglieder der Regierung Simbabwes" und Staatsunternehmen. So werden jetzt auch Unternehmen wie Agribank und ZB Bank sanktioniert, die Kleinbauern mit Krediten versorgen. Zwar stehen viele Mitglieder der Einheitsregierung nicht auf der Sanktionsliste der USA, doch die rigide Formulierung der Anordnung von 2008 entwickelt ihre eigene Dynamik. Als z.B. im Juni 2009 die Delegation von Premierminister Morgan Tsvangirai mit Präsident Obama zusammentraf, musste der Tourismusminister Walter Mzambi draußen bleiben, obwohl er nicht auf der Sanktionsliste steht. Dabei ist er ein Verfechter von Reformen innerhalb der Zanu-PF.

Diese diskriminierenden und alles andere als "gezielten" Maßnahmen schaden der Glaubwürdigkeit der Sanktionen in Simbabwe und in der Region. Sie nähren die Zweifel an den Motiven der Regierungen, die Sanktionen verhängen. Zudem lassen sich diese Sanktionen leicht durch Geschäfte mit asiatischen und südafrikanischen Ländern umgehen. Da man auch nichts unternommen hat, die Maßnahmen in einem offenen Prozess zu erklären wurde es Mugabe leicht gemacht, die Debatte zu bestimmen. Statt das Verhalten zu ändern, fand er einen willkommenen Sündenbock, um vom Versagen seiner Regierung abzulenken. Zusätzlich zu den Sanktionen gegen Personen und Unternehmen ermächtigt der ZDERA von 2001 den US-Präsidenten, ein Veto gegen Kredite und Schuldenerlasse durch internationale Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), Weltbank oder Afrikanische Entwicklungsbank einzulegen, solange die Bedingungen der Sanktionsverfügung nicht erfüllt sind.

Seit der Bildung der Einheitsregierung haben sich die Beziehungen Simbabwes zu diesen Institutionen entspannt, bleiben aber weiter im engen Korsett der westlichen Politik. Der IWF hat Simbabwe wieder Sonderziehungsrechte eingeräumt und 510 Mio. US-Dollar als Hilfe freigegeben; die Weltbank verwaltet für mehrere Geber einen Fonds für Wiederaufbau.

Mit der Einheitsregierung gibt es für die internationalen Finanzinstitutionen keinen Grund mehr, politisch motivierte Restriktionen wie die der USA fortzusetzen. Sie müssten vielmehr konstruktiv die energischen Anstrengungen von Finanzminister Tendai Biti unterstützen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die Auslandsschulden von sechs Mrd. US-Dollar drücken das Potenzial auf unter ein Drittel der Leistungsmöglichkeit. Ehe man sich allerdings auf die internationalen Finanzinstitutionen mit ihren rigiden Vorgaben einlasse, stehe zuvor ein Schuldenerleichterung an. Das fordern Aktivisten der Zivilgesellschaft in Simbabwe und in Afrika schon lange. Ohne sie werde es keinen wirtschaftlichen Aufschwung und keine Entwicklung geben. Die Schulden müssen offengelegt und ein neuer Rahmen für das Schuldenmanagement geschaffen werden, um mehr Transparenz und Rechenschaft zu erhalten und illegitime Schulden zu identifizieren.


Von gezielten Sanktionen zu gezielter Unterstützung

Auch in diesen Tagen bleibt die Zukunft des Demokratisierungsprozesses in Simbabwe weiter ungewiss, auch wenn es einige positive Signale gibt wie die Berufung unabhängiger Kommission zu Menschenrecht, Wahlen und Medien. Auch der neue Mittler Jacob Zuma hat in "ausstehenden Fragen" keinen Durchbruch erzielen können. Vor allem die Sicherheitsreform tritt auf der Stelle. Es drohen Neuwahlen ohne neue Verfassung.

In diesem Stadium die Sanktionen gegen Falken, die jeden Fortschritt blockieren, aufzuheben, wäre ein Fehler. Das wäre ein Signal in Richtung Straffreiheit für vergangene und künftige Verbrechen. Ebenso falsch wäre es jedoch, stur an den derzeitigen Listen festzuhalten, da sie von einer homogenen Zanu-PF ausgehen. Die Sanktionen müssen also zielgerichteter werden.

Die verbleibenden Sanktionen müssen von positiven Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft und von sozialen Verbesserungen flankiert werden. Akteure der Zivilgesellschaft in Simbabwe und der Region sollten in den Prozess eingebunden werden. Ihre Aufgabe wäre es, ihre Regierungen dazu zu drängen, Druck aufzubauen, um Verweigerungen einer Demokratisierung zu sanktionieren.

Eine Überarbeitung der bestehenden Sanktionen ist seit der Bildung der Einheitsregierung überfällig. Das dient nicht nur der Glaubwürdigkeit von gezielten Maßnahmen. Damit kann auch mehr Unterstützung in Simbabwe und in der internationalen Öffentlichkeit gewonnen werden, wenn jeder Eintrag auf der Liste nachzuvollziehen ist.

Eine solche Liste wird weniger Namen aufführen, aber größere Wirkung entfalten, wenn sie strategisch eingesetzt wird. Dazu muss die Liste wesentlich flexibler werden, Einspruchsmöglichkeiten zulassen, regelmäßig aktualisiert werden und neue Entwicklungen berücksichtigen. Die derzeitigen Listen reflektieren z.B nicht das rasche Wachstum und die strategische Bedeutung des Diamantensektors im Osten Simbabwes, aus dem sich das Militär versorgt. Von dort gibt es seit 2009 verlässlich dokumentierte Fälle von Verbrechen gegen Menschenrechte. Auf den Sanktionslisten spielen die bekannten Akteure keine Rolle.

Eine Sanktionspolitik allein, so gezielt sie auch sein mag, geht jedoch ins Leere, wenn sie nicht durch ebenso gezielte positive Maßnahmen flankiert wird, die den humanitären Anforderungen gerecht werden und zum wirtschaftlichen Aufschwung und sozialer Erholung beitragen. Die Geber - auch aus den Ländern, die Sanktionen verhängt haben - tragen dem mittlerweile Rechnung. Allerdings hat der Appell der Vereinten Nationen von 2009, der den unmittelbaren Bedarf auf 378 Mio. US-Dollar bezifferte, bis Ende März 2010 lediglich 12 Mio. US-Dollar eingebracht trotz aller Zusicherungen von Geberländern und Hilfsorganisationen. Die globale Finanzkrise mag dazu ihren Teil beigetragen haben. Doch diese lächerliche Summe spricht einer Beschwörung des "kritischen Augenblicks" für den Fortgang in Simbabwe Hohn.

Die Unterstützung durch den Westen für die Zivilgesellschaft und den Demokratisierungsprozess muss unbedingt und in nachvollziehbarer Weise erfolgen. Kritik von den Falken in der Zanu-PF ist dabei unvermeidlich. Doch die westlichen Regierung müssen vor allem darauf achten, dass sowohl ihre Strafmaßnahmen wie ihre positiven Anreize auf klaren Grundsätzen beruhen und nicht parteipolitische Ziele verfolgen.


Auf Südafrika kommt es an

Maßnahmen des Westens gegen Simbabwe sind sicher nicht ohne Wirkung. Doch die entscheidende Rolle kommt dem Südlichen Afrika, namentlich Südafrika zu. Südafrika und Botswana sind am härtesten von der Krise in Simbabwe betroffen. Die Zahl der simbabwischen Flüchtlinge in Südafrika wird mit weit mehr als einer Million angegeben, Auslöser auch für die Welle der Fremdenfeindlichkeit gegen Ausländer in Südafrika, bedroht die politische und wirtschaftliche Krise in Simbabwe den Frieden der Region. Die Länder der Region haben mit gewissem Erfolg diplomatische Lösungen gesucht und ihren Anteil am Zustandekommen des Global Political Agreement (GPA), das den Grundstein für eine gemeinsame Regierung legte. Südafrika ist der bei weitem wichtigste Handelspartner Simbabwes und hat größeren wirtschaftlichen Einfluss als jedes andere Land. Südafrika und die SADC haben es jedoch versäumt, den nötigen Druck auf die Umsetzung des GPA aufzubauen. Die Diplomatie verharrt weiter in der Starre "den Teufel nicht sehen, nichts von ihm hören und nicht von ihm reden", wie schon zuvor unter Mbeki mit seiner "stillen Diplomatie".

Auch ein Jahr nach Amtsantritt von Jacob Zuma fehlt der südafrikanischen Politik ein Plan B, um der sturen Politik Mugabes zu begegnen. Hoffnungen auf die letzte Vermittlungsrunde im April haben sich zerschlagen. Dabei wissen die SADC-Regierungen, dass Mugabe und seine Kollegen ein Weiterkommen blockieren, dass die Gewalt im Lande vom Staat geschürt wird. Als Präsidentschaftskandidat hatte Zuma Mugabe noch mehrfach gerüffelt, weil er nicht zurücktreten wollte. Als Mediator hat er seine Position zum Teil geschwächt, als er sich die Themen von Mugabe vorgeben ließ. Ohne Druck wird alle Diplomatie nichts erreichen.

Die Einheitsregierung hat einigen Fortschritt gebracht und die politische und wirtschaftliche Krise entspannt. Die politische Gewalt ist zurückgegangen, und die Wirtschaft zeigt Erholung. Doch diese Verbesserungen werden nicht dauern, wenn es keine Verfassungsreform und keinen fundamentalen politischen Wandel gibt, der Schutz bietet gegen einen nicht reformierten Sicherheitsapparat. Ebenso wie der Westen Abstand nehmen muss, nur in Kategorien von Sanktionen zu denken, müssen die SADC-Regierungen über eine "stille Diplomatie" hinausgehen.

Das soll nicht heißen, dass jetzt das Megaphon eingeschaltet werden soll oder der Mediator zum Diktat ruft. Es wäre schon hilfreich, wenn die SADC-Regierungen aktiv und öffentlich Bestrebungen unterstützen, die den Respekt vor den Menschenrechten einfordern, vor der Achtung von Recht und Gesetz, wenn sie politische Gewalt verurteilten sowie Kommissionen, die sich dieser Themen annehmen, unterstützten.

Südafrika und die SADC können ebenso Fehlentwicklungen vorbeugen. Neuwahlen sind fürs nächste Jahr, eventuell später, geplant. Doch der Wahlkampf hat längst begonnen. Da muss die SADC schon jetzt auf ihren Wahlstandards bestehen. Hier kann eine entschiedene Debatte in Südafrika parallele Debatten in Simbabwe auslösen. Da ist zum Beispiel die derzeitige Debatte um die Indigenisierung. Nach den Gesetzesvorlagen sollen 51 Prozent von Unternehmen in simbabwische Händen übergehen. Das macht Sinn in Bezug auf gerechtere gesellschaftliche Verteilung; doch angesichts der gegebenen politischen Verhältnisse öffnet das der neuen Elite Tür und Tor, sich selbst zu bereichern.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist der Kimberley Process, in dem Diamanten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Diamanten sind eine wichtige Finanzierungsquelle der Securocrats. Die SADC spielt eine gewichtige Rolle in dieser internationalen Initiative und sollte über die technischen Detail hinaus auch Fragen von Menschenrechten und Korruption auf die Tagesordnung setzen. Ob und aus welchen Gründen die Diamanten von Marange freigegeben werden, dürfte einen Aufschluss darüber geben, ob die SADC willens ist, sich für eine rechenschaftspflichtige Regierung in Simbabwe einzusetzen.

Trotz ungelöster Probleme und Ungereimtheiten bei der Umsetzung hat die Einheitsregierung einen neuen Kontext geschaffen, der ein Überdenken aller Strategien in Bezug auf Simbabwes Zukunft notwendig macht. Die internationale Gemeinschaft und der Westen sollten die Sanktionen überdenken und auch positive Anreize setzen. Die afrikanischen Regierungen und Organisationen wie Afrikanische Union und SADC müssen Wege finden, ihren diplomatischen Bemühungen spürbaren Druck hinzuzufügen. Beide sollten sich stärker von Anforderungen der Zivilgesellschaft und einer strukturellen demokratischen Reform leiten lassen und sich nicht allein auf politische Parteien konzentrieren.


Briggs Bomba ist ein Aktivist der simbabwischen Zivilgesellschaft und Kampagnenleiter von "Africa Action", William Minter ist Herausgeber des "AfricaFocus Buletin". Ihr Beitrag erschien in Pambazuka News 477, 15. April 2010


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 2, April / Mai / Juni 2010, S. 16 - 18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010