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AFRIKA/882: Liberia - Lektion in Gleichberechtigung, indisches Frauenbataillon als Rollenmodell (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2010

Liberia:
Lektion in Gleichberechtigung - Indisches Frauenbataillon liefert Rollenmodell

Von Tamasin Ford und Sonnie Morris


Monrovia, 25. Oktober (IPS) - Mittagspause in der Victoria Chapel Schule am Rande von Liberias Hauptstadt Monrovia. Kinder in marineblauen Uniformen drängeln sich unter dem einzigen Mangobaum im Hof, um der heißen Sonne zu entgehen. Eine Schule wie viele andere, wäre da nicht das weiß umzäunte Nachbargrundstück, auf dem mehr als hundert weibliche Blauhelme aus Indien patrouillieren.

In dem westafrikanischen Staat haben die Vereinten Nationen ihre erste ausschließlich aus Frauen bestehende Polizeieinheit stationiert. Wie die Männer tragen auch die weiblichen Mitglieder der Truppe blaue Kampfuniformen, schwarze Stiefel, blaue Baretts mit dem UN-Schriftzug und Sturmgewehre vom Typ AK-47.

Den Schülern ist der Anblick der Frauen mittlerweile vertraut. "Am Anfang war ich überrascht, weil vorher nie fremde Leute hierhin gekommen sind", sagt Wokie Sarchie, die in der Schule die fünfte Klasse besucht.

Die indischen Friedensschützerinnen kamen 2007 ins Land, in dem 2003 ein 14-jähriger Bürgerkrieg durch einen Waffenstillstand beendet worden war. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Amtssitz von Staatspräsidentin Ellen Johnson-Sirleaf zu bewachen. Sie springen aber auch ein, wenn ihre Hilfe in der kleinen Schule gebraucht wird.


Medizin und Computerunterricht

Die Blauhelme versorgten die Kinder mit Medikamenten, geben ihnen Computerunterricht und bringen ihnen indische Tänze bei, wie der Schuldirektor Jickson Sargeor berichtet. Auch Selbstverteidigung steht auf dem Programm. Die Inderinnen vermittelten den Mädchen aber eine noch wichtigere Botschaft, meint Sargeor. "Dass Frauen nicht nur zu Hause sitzen müssen, sondern auch draußen aktiv sein können."

Die Achtklässlerin Sandra Weah spielte bereits mit dem Gedanken, sich ebenfalls bei den Vereinten Nationen zu bewerben. "Ich wollte auch zur Armee, inzwischen möchte ich aber wie meine anderen Freunde lieber Musik machen", gesteht sie.

Das weibliche Blauhelm-Kontingent wurde gemäß der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats gebildet. Die Resolution sieht eine stärkere Beteiligung von Frauen bei der Verhütung, Beilegung und Bewältigung von Konflikten vor. Als erstes afrikanisches Land stellte Liberia einen nationalen Aktionsplan fertig, auf dessen Grundlage die Resolution umgesetzt wird.

Während des Bürgerkriegs fielen Frauen und Kinder schlimmer Gräueltaten zum Opfer. Nach Angaben der UN-Mission in Liberia (UNMIL) wurden mehr als 60 Prozent aller Frauen vergewaltigt.

Als Johnson-Sirleaf 2005 als erste Präsidentin in ihr Amt gewählt wurde, sah sie eine der dringlichsten Aufgaben darin, die Zahl der Frauen in den Sicherheitsdiensten des Landes aufzustocken. Die Statistiken sprechen für sich: Vor fünf Jahren war nur jeder 20. Polizist weiblich. Inzwischen trifft dies für jeden fünften zu. Nachdem die indischen Blauhelme gekommen seien, habe sich die Zahl weiblicher Bewerber im folgenden Jahr verdreifacht, gab UNMIL bekannt.

Bei den Streitkräften des Landes liegt der Frauenanteil unter eins zu zehn. Carole Doucet, die Gleichstellungsbeauftragte der Vereinten Nationen in Liberia sieht die derzeitigen Verhältnisse aber schon als Fortschritt. "Es ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu 2005, als auf hundert Soldaten nur eine Frau kam", sagt sie.


Frauen vor allem in ländlichen Gegenden diskriminiert

Bis die Resolution 1325 vollständig umgesetzt sein wird, ist noch ein langer Weg zurückzulegen. Vor allem in den ländlichen Regionen sind Frauen aufgrund von Armut, mangelnder Bildung und fehlenden Finanzmitteln in einer schwierigen Lage. Auch Kinder sind unzureichend geschützt. Wie eine Zeitung in der Hauptstadt kürzlich berichtete, prostituierten sich bereits zehnjährige Kinder für umgerechnet drei US-Cent.

An der Victoria-Chapel-Schule haben die Kinder dank der Blauhelme jedoch ein anderes Bewusstsein entwickelt. Sie sind davon überzeugt, dass Frauen Männern in nichts nachstehen müssen. Die UN-Polizistinnen zeigten den Kindern, dass Frauen Männern ebenbürtig seien, meint die Lehrerin Gloria Adjer. Auch Schulleiter Sargeor ist davon überzeugt, dass die Jungen inzwischen gelernt hätten, Frauen als vollwertigen Teil der Gesellschaft zu betrachten. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unmil/
http://www.un.org/events/res_1325e.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53268

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IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2010