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AFRIKA/889: Ugandas Griff zum Telefon (DGVN)


Eine-Welt-Presse Nr. 1/2010
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)

Ugandas Griff zum Telefon

Mobiltelefone in ländlichen Regionen - ein Entwicklungsmotor?

Von Andreas Mandler


Binnen weniger Jahre hat Uganda einen beispiellosen Boom von Mobiltelefonen erlebt. Aber Informationstechnik allein fördert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung noch nicht. Es kommt darauf an, sie mit Inhalten zu verknüpfen, die für die Bevölkerung nützlich sind. Auch dafür zeichnen sich in dem ostafrikanischen Land interessante Perspektiven ab.


Ocen Dickens, Schweinezüchter im nördlichen Lira-Distrikt, ist zufrieden mit dem "Google Trader Uganda". Fünf seiner zehn Schweine hat er in wenigen Tagen über diesen Internetdienst verkauft, und nun wartet er auf weitere Kunden. Die Website zeigt ein Foto seiner Tiere, zusammen mit dem Preis und der Nummer seines Mobiltelefons. Ocen Dickens züchtet Schweine und pflanzt Mais. Der Schritt ins Internet ist neu für ihn, der Griff zum Telefon allerdings nicht. "Viele Käufer rufen an und kommen vorbei. Oder Schulen bestellen bei mir, und ich liefere ihnen." "Google Trader" sammelt Nachrichten im SMS-Format, d.h. 160 Zeichen, auf seiner Website und sendet sie an andere Nutzer. Ocen Dickens konnte ein Foto hochladen, weil er einen Partner mit Internetanschluss in der Stadt hat.

Mobiltelefone sind bei vielen ugandischen Landwirten im Einsatz. Seit einigen Jahren laufen mit Erfolg regionale Projekte, die auf die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung abzielen. So gibt es eine ganze Reihe von Informationsdiensten, die mittels SMS versuchen, abgeschiedene ländliche Regionen zu erreichen. Es bestehen Netzwerke speziell für Frauen und Vermarktungsservices wie "Google Trader", Gesundheitsinformationsdienste, lokale Wettervorhersagen oder spezielle landwirtschaftliche Beratung.


Mit dem Telefon zum kommerziellen Erfolg

Uganda ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte für Telekommunikation weltweit. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Teilnehmer am Mobilfunknetz rasant auf über zehn Millionen Nutzer gestiegen, ein Drittel der Einwohner. Inzwischen existieren mehr als 10.000 "Village Phones" in Ugandas Dörfern, das sind Kioske, die wie eine erweiterte Telefonzelle funktionieren. Die Möglichkeit zu telefonieren und erreichbar zu sein, kommt auch bei Kleinbauern gut an, sind doch zeitnahe Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten immer wichtiger für die Vermarktung ihrer Erzeugnisse in regionalen oder erst recht globalen Vermarktungsketten. Für viele Kleinbauern ist die Telefonverbindung der Einstieg in die kommerzielle Landwirtschaft.

"Mobiles" sind ursprünglich ein Phänomen der Städte, wo sie geradezu einen eigenen Lebensstil in Gang gesetzt haben. Viele Nutzer operieren mit mehreren SIM-Karten, um von den jeweils günstigsten Tarifen während des Tages zu profitieren. Etwas von diesem Lebensstil schwappt auch auf das Land über. Zwischen 30 und 50 Prozent der ugandischen Landbevölkerung besitzt bereits ein Mobiltelefon.

Diese Dynamik versuchen halbkommerzielle Großprojekte wie "AppLab Uganda", welches auch den "Google Trader" verantwortet, für sich zu nutzen. AppLab wurde gemeinsam von der Grameen Foundation, dem Netzbetreiber MTN Uganda und Google gegründet, um in die Breite zu wirken und eine hohe Zahl von Nutzern anzusprechen. Die verschiedenen AppLab-Dienste (Beratung, Handel, Gesundheit, Wetter) via SMS sollen sich über die SMS-Kosten refinanzieren. Um beispielsweise ein Angebot oder eine Nachfrage im "Google Trader" zu platzieren, werden doppelte SMS-Gebühren fällig.


Analphabeten werden in die Informationsströme einbezogen

Allerdings ergeben sich aus dem weit verbreiteten Analphabetismus der ländlichen Bevölkerung, insbesondere der Frauen, Probleme. Meist sind es die Frauen, die das Gros der landwirtschaftlichen Produktion leisten und sich um die Vermarktung kümmern. Ihre Integration und Partizipation in Informationsströme soll durch gemischte Strategien erreicht werden, in denen Telefone eine Komponente bilden. So verlegen sich viele Projekte inzwischen darauf, Netzwerke lokaler Ansprechpartner aufzubauen. Die Fragen von Landwirtinnen und Landwirten werden via Telefon an Spezialisten weitergeleitet. Diese antworten dann per Rückruf. Die Grameen Foundation und ihre Partner sehen ihr Engagement als Mittel der wirtschaftlichen Entwicklung. Dieser Brückenschlag ist auch deshalb von Belang, weil Englisch zwar die ugandische Amtssprache ist, faktisch jedoch etwa 40 verschiedene Sprachen im Land gesprochen werden.

Die meisten ländlichen Haushalte besitzen ein Radio. Deshalb gehen lokale ugandische Organisationen wie Brosdi oder Celac noch einen Schritt weiter und versuchen eine Verbindung zwischen Telefondiensten und Lokalmedien herzustellen. Das Ziel ist es - neben Beratung - der ländlichen Bevölkerung die Chancen, die in der Informations- und Kommunikationstechnologie stecken, zu erklären. Die Organisationen verfolgen deshalb den Ansatz, lokale Informationen über die ganze Bandbreite von Telefon, Internet und Radio bereitstellen. Dazu bedienen sie sich lokaler Einrichtungen der Gemeinde oder Telecenter, in denen sie Computerkurse und Schulungen anbieten.

Gleichzeitig bauen sie auf ein Netz von Kontaktpersonen mit Telefonen in den Dörfern. Anfragen aus den Dörfern werden über das Radio beantwortet, im Internet gespeichert und via SMS versandt. Ländliche Telecenter sind dabei wichtige Knotenpunkte. Auch AppLab setzt nicht allein auf Technik. Gegenwärtig werden "Community knowledge workers" zu lokalen Ansprechpartnern ausgebildet, die direkt auf die Dienste von AppLab zugreifen. Die bereits vorhandene Struktur der Village Phones spielt dabei eine wichtige Rolle.

Für Ugandas ländliche Bevölkerung wirkt sich das Entstehen eines inhaltlichen Kontextes rund um das Telefon mit Angeboten und Dienstleistung positiv aus, etwa indem die lokale Nachfrage angeregt wird und mehr Transparenz im Handel herrscht. Längst werden die vorhandenen Lücken der Infrastruktur überbrückt, zum Beispiel die fehlende Stromversorgung mittels Solartechnik und Autobatterien. Dadurch können die Einkommensmöglichkeiten der ländlichen Bevölkerung diversifiziert oder andere Märkte und Händler erreicht werden. Das trägt zur wirtschaftlichen Dynamik in Ugandas ländlichen Gebieten bei. Es wäre zu wünschen, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten nicht allein die wirtschaftliche, sondern auch die soziale Entwicklung fördern, indem sie etwa für mehr Bildungschancen und Handlungsspielräume für Frauen sorgen.


Andreas Mandler forscht an der Universität Modena und Reggio Emilia/Italien zum Wissensaustausch von Landwirten in Zentralasien und arbeitet als Gutachter im Bereich ländliche Entwicklung.


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Quelle:
Eine-Welt-Presse Nr. 1/2010, 27. Jahrgang, Seite 3
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)
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Eine-Welt-Presse erscheint in der Regel einmal jährlich
und befaßt sich jeweils mit einem thematischem Schwerpunkt.
Die Publikation wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2010