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AFRIKA/933: ZAR - Gefährliche Steine, Diamanten fördern Armut und politische Instabilität (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2010

ZAR: Gefährliche Steine - Diamanten fördern Armut und politische Instabilität

Von Karina Böckmann


Berlin, 30. Dezember (IPS) - Der selbsternannte Kaiser der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), Jean-Bédel Bokassa, pflegte mit Diamanten äußerst großzügig umzugehen. Er überreichte sie bei Staatsbesuchen als Gastgeschenk, und beglückte auch Valéry Giscard d'Estaing, den ehemaligen Staatschef der Ex-Kolonialmacht Frankreich, mit den Klunkern.

Doch die diamantene Freundschaft sollte nicht ewig halten: Nach repressiven Exzessen und der Ermordung von Schulkindern 1979 wurde Bokassa mit Hilfe der Franzosen im gleichen Jahr aus dem Amt gejagt. Als die französische Presse herausfand, dass d'Estaing Edelsteine angenommen hatte, wurden Diamanten zum Symbol für die Exzesse eines brutalen Diktators und für die fragwürdige Moral eines französischen Afrikas.

Heute befeuern die kostbaren Schmucksteine Armut, Korruption und politische Instabilität, kritisieren die Konfliktforscher der 'International Crisis Group' in einem neuen Bericht. Der von Präsident François Bozizé strikt überwachte Diamantensektor zahle sich lediglich für die Angehörigen seiner eigenen ethnischen Gruppe aus. Er werde nicht genutzt, um die chronische Armut im Land zu bekämpfen.

Die hohen Exportzölle hätten dem Diamantenschmuggel Tür und Tor geöffnet, moniert der Bericht 'Dangerous Little Stones: Diamonds in the Central African Republic'. Die Behörden seien zu korrupt oder nicht in der Lage, dem illegalen Treiben ein Ende zu setzen. Diese Faktoren zusammengenommen begünstigten Rebellionen. Um aber sicherzustellen, dass Diamanten zur Entwicklung des Landes beitrügen und nicht zu Blutvergießen und Plünderungen führten, müsse der Sektor dringend reformiert werden.


Lebensgrundlage für zehntausende Minenarbeiter

Die Diamantenvorräte der ZAR liegen im Land verstreut. Mehrfache Bemühungen von Bergbauunternehmen, die Edelsteine industriell zu fördern, sind gescheitert. Stattdessen werden die Minen von 80.000 bis 100.000 Bergleuten ausgebeutet. Die meisten arbeiten ohne Lizenz, was eine Regulierung der weit verstreuten Produktionskette erschwert. Laut ICG fehlt zudem der politische Wille, die Einnahmen nachhaltig zu investieren.

Die chronische Instabilität in dem afrikanischen Land habe bei der herrschenden Elite eine Kultur ausgebildet, sich alles unter den Nagel zu reißen. Schon die französische Kolonialmacht Frankreich habe die kostbaren Ressourcen geplündert.

Unter Bokassa, der von 1966 bis 1976 das Amt des Staatspräsidenten bekleidete und sich dann selbst zum Kaiser proklamierte, wurden die Diamantenexporte monopolisiert. Ange-Félix Patassé (1993-2003) wiederum hatte kein Problem damit, seine Präsidentschaft für eigene Geschäftskontakte zu nutzen. So war der damalige Staatschef Besitzer eines Bergbauunternehmens.

Seit Bozizés Amtsantritt 2003 haben fast alle ausländischen Bergbaufirmen nicht zuletzt wegen der hohen Exportsteuern das Land verlassen. Die kleinen Minenarbeiter sprangen in die Bresche. Als aber 2008 die meisten Diamantenexportfirmen geschlossen wurden, gingen die Investitionen in die Produktionskette zurück, was wiederum vielen kleinen Bergleuten ihre Jobs kostete.

Teure Lizenzen und Korruption machen es den Arbeitern und ihren Familien immer schwerer, der Armutsfalle zu entkommen. Die Diamantenexportsteuer ist mit zwölf Prozent die höchste in der Region. Sie fördert den illegalen Handel und stärkt Schmugglernetzwerke, die den Staat um einen großen Teil der dringend benötigten Einnahmen bringen.

Die Weigerung der Regierung, den nationalen Wohlstand fair aufzuteilen, hat Einzelpersonen und Gruppen im Lande veranlasst, sich mit Waffengewalt einen größeren Teil des Kuchens zu erstreiten. Die ethnische Miliz 'Union des forces démocratiques pour le rassemblement' (UFDR), hat zwar ein Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen, fördert aber nach wie vor im Nordosten des Landes Diamanten und verkauft sie auf dem Schwarzmarkt. Arme Minenarbeiter schließen ich ihr an. Auch wenn die UFDR von dem Gedanken an eine Machtübernahme abgekommen ist, so sind die Profite aus dem Diamantenhandel für sie ein starker Anreiz, sich einer Entwaffnung zu widersetzen.

Die Rebellenbewegung 'Convention des patriotes pour la justice et la paix' (CPJP) raubt den ICG-Konfliktforschern zufolge die kleinen Bergleute und Händler im Osten aus. Unsicherheit und Banditentum schränkten die wirtschaftlichen Aktivitäten erheblich ein und gefährdeten die dort für den 23. Januar angesetzten Wahlen und das Leben vieler Menschen.


Ruf nach Reform

Nach Ansicht der ICG ist eine Reform des Diamantensektors dringend erforderlich. Sie sollten mit Maßnahmen zur Konfliktlösung und Armutsbekämpfung einhergehen, heißt es in der Studie. Ferner drängen die Konfliktforscher die ZAR dazu, für mehr Transparenz im Bergbausektor zu sorgen und sich an die Auflagen der Rohstoff-Transparenzinitiative EITI zu halten. An die internationalen Partner geht die Forderung, nur dann finanzielle und technische Hilfe zu leisten, wenn die Regierung zu mehr Demokratie und Transparenz im Bergbausektor bereit ist.

Auch sollen die Rebellen von den Einnahmen des Diamantenhandels abgeschnitten werden. Die ICG empfiehlt in diesem Zusammenhang, Rebellen oder Personen, die den bewaffneten Gruppen nahe stehen, eine Beteiligung an Diamantenproduktion und -export zu verbieten. Ferner sollen die Rebellen mit besonderen Anreizen zu einer Abgabe ihrer Waffen bewegt werden.

Weiter schlägt die ICG-Studie Maßnahmen vor, die den Lebensstandard der kleinen Minenarbeiter und ihrer Familien verbessern. So soll die Regierung die Lizenzgebühren für die Bergleute verringern, den Aufbau von Kooperativen erleichtern und einen Teil der Diamantexportsteuern für lokale Entwicklungsprojekte verwenden.

2009 beliefen sich die staatlichen Einnahmen aus dem gesamten Bergbausektor auf 8,2 Milliarden CFA-Francs (mehr als 16 Millionen Dollar). Der Betrag beinhaltet die Diamantenexportsteuer ebenso wie alle anderen Zahlungen, zu denen Bergbauunternehmen verpflichtet sind. Im gleichen Jahr hatten die Diamantenexportsteuern einen Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen von 3,5 Prozent. (Ende/IPS/kb/2010)

Links:
http://www.crisisgroup.org/en/regions/africa/central-africa/central-african-republic/167-dangerous-little-stones-diamonds-in-the-central-african-republic.aspx

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2011