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ASIEN/1007: Scholz-Besuch in Hanoi - deutsch-vietnamesische "Strategische Partnerschaft" wird ausgebaut (Gerhard Feldbauer)


Scholz-Besuch in Hanoi

BRD und Vietnam wollen "Strategische Partnerschaft" ausbauen
Ergebnisse eher bescheiden

von Gerhard Feldbauer, 14. November 2022


Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Sonntag an der Spitze einer Delegation hochrangiger Wirtschaftsexperten einen zweitägigen Besuch in der Sozialistischen Republik Vietnam beendet. Er führte Gespräche mit Premierminister Pham Minh Chinh und wurde vom Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams Nguyen Phu Trong empfangen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA). Hanoi war die erste Station seiner viertägigen Asienreise, die ihn anschließend nach Singapur und danach auf die indonesische Insel Bali führt, wo er am G20-Gipfel teilnimmt.

Auf einer Pressekonferenz bekundeten beide Seiten das Interesse, ihre bilaterale strategische Partnerschaft weiter zu stärken, den Rahmen in Bereichen wie Wissenschaft/Technologie, Verteidigung/Sicherheit, Gesundheit, Bildung und Arbeit auszubauen und dazu Besuche auf allen Ebenen zu erhöhen. In Wirtschaft und Handel wollen sie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam (EVFTA) vollständig und effektiv umzusetzen. In internationalen Foren und Organisationen wollen sie sich gegenseitig unterstützen und zur Gewährleistung von Frieden, Stabilität, Sicherheit und Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs im Ostmeer und der Beilegung von Streitigkeiten auf friedlichem Wege im Einklang mit dem Völkerrecht, dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (UNCLOS) beitragen.

Scholz' Anliegen, Vietnam solle sich "gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine" aussprechen, wurde weder auf der gemeinsamen Pressekonferenz zur Sprache gebracht noch in vietnamesischen Medien erwähnt. Dahinter steht natürlich, dass Russland der wichtigste Waffenlieferant Vietnams ist und sich an rund 150 Investitionsprojekten beteiligt, darunter zur Erschließung von Gas- und Ölfeldern vor der vietnamesischen Küste.

Mit einem Wachstum von etwa acht Prozent gehörte Vietnam 2021 zu den Spitzenreitern der ostasiatischen Asean-Staaten. Die Staatsverschuldung ist gering, die Inflation niedrig. Bis 2045 soll das jährliche Pro-Kopf-Einkommen von derzeit umgerechnet 2650 auf 12.695 US-Dollar gesteigert werden. Deutschland ist nach den Niederlanden mit einem Börsenwert von 7,8 Milliarden US-Dollar 2021 laut der Anwaltskanzlei Dezan Shira Vietnams zweitgrößter Handelspartner unter den EU-Staaten. Es betreibt in Vietnam 426 Projekte im Umfang von 2,31 Mrd. USD vor allem in der Verarbeitungs- und Fertigungsindustrie; in erneuerbaren Energien wie Windkraft, Solarenergie; im Groß- und Einzelhandel; in der Wasser- und Abfallbehandlung sowie im Banken- und Finanzsektor. Vietnam ist in der BRD an 36 Investitionsprojekten mit 283,3 Millionen USD beteiligt. Aus Vietnam werden u. a. elektronische Geräte, Kleidung, Schuhe, Kaffee, Meeresfrüchte und Gemüse importiert.

Daran anknüpfend ging es Scholz in Hanoi darum, die deutschen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Vietnam zu stärken, um deren enge Bindung an China zu lockern. Hanoi ist daran auch interessiert, aber seine Wirtschaft ist, wie der Besuch von Nguyen Phu Trong bei Xi Jinping vor zwei Wochen zeigte, eng mit der Chinas verflochten, und beide Seiten wollen sie eher weiter stärken, was auch der ASEAN-Gipfel am Wochenende in Phnom Penh verdeutlichte. Während die deutschen Investitionen in Vietnam 2020 bei rund 1,3 Milliarden Euro lagen, betrugen die Chinas dagegen gut 90 Milliarden Euro.

Folgt man den Berichten von VNA über die Ergebnisse der Verhandlungen, zu denen Scholz 12 Wirtschafsexperten begleiteten, dürften sie für den Bundeskanzler eher bescheiden ausgefallen sein, während Vietnam davon profitieren kann. Unterzeichnet wurden drei Abkommen über Arbeitskooperation, Ausbildung und militärische Zusammenarbeit, ein Energiedialog wurde vereinbart.

Vietnam wird für deutsche Projekte mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stellen, die BRD dazu bei der Berufsausbildung insbesondere Facharbeiter heranbilden. Hier sind Konzerne wie Bosch, Siemens oder Schenker bereits vor Ort aktiv. Die Vietnam-Germany University soll einschließlich eines Masterprogramms ausgebaut werden und Berlin erkennt deren Abschlüsse an. Der Energiedialog soll sich auf Erneuerbare Energien, Klimaschutz und Begrenzung der Treibhausgasemissionen konzentrieren. Das "Abkommen über die Verteidigungskooperation" sieht einen Delegationsaustausch der Militärs vor, um bei Waffen und Technologie zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte durchzuführen.

Was zu Hause ein Ding der Unmöglichkeit ist, praktiziert die SPD mit der KPV: Delegationen beider Parteien besuchen sich und führen einen theoretischen Dialog.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 15. November 2022

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