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ASIEN/590: In China geht immer mehr (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

In China geht immer mehr

Trotz Schwierigkeiten produzieren die Bauern für eine angestrebte Selbstversorgung
und die zivilgesellschaftliche Bewegung gewinnt an Stärke

Von Berit Thomsen


Im Gemeindehaus von Feng Village, einem Dorf in der südchinesischen Provinz Guangzhou, schwatzt eine kleine Gruppe alter Frauen aufgeregt durcheinander, gestikuliert dabei mit den Händen und verstummt wieder. Li Bo von der Umweltorganisation Friends of Nature übersetzt: "Ihren Familien wurde das Pachtland weggenommen. Jetzt sind ihre Kinder in die Städte gezogen, um dort Geld zu verdienen." Eine Bäuerin erzählt, dass sie für 0,8 Hektar 30.000 RMB bekommen hat, um es abzugeben. Umgerechnet sind das etwa 3.100 Euro. Sie habe versucht, zumindest mehr auszuhandeln, aber da hieß es nur: Entweder nehmen Sie das Geld oder nicht. Neuer Besitzer der Ländereien ist jetzt die Universität mit dem Namen South China Agricultural University. Feng Village ist eine Station der Begegnungsreise mit dem Titel "Global Concerns - Global Cooperation?" der Asienstiftung für das EU-China Civil Society Forum und dem chinesischen Partner Friends of Nature. Zwei Wochen lang hatten Vertreter von chinesischen, österreichischen und deutschen Nichtregierungsorganisationen die Gelegenheit, Erfahrungen und Informationen zu tauschen.


Gentechnik neben Bio

Ein Student der South China Agricultural University läuft durch ein Reisfeld. Er beschreibt die ökologischen Reisanbauversuche der Universität. Enten vertilgen in bestimmten Wachstumsphasen die Insekten und Geflügelmist werde als organischer Dünger eingesetzt. So könne auf Pestizide und künstlichen Dünger verzichtet werden.

Mit dem gleichen Eifer, wie er den ökologischen Anbau anpreist, weist er auch auf die Freilandversuche von gentechnisch veränderten Reis-, Mais- und Bohnenpflanzen hin. Eine chinesische Umweltaktivistin fragt: "Wie verhindert ihr Verunreinigungen." Der Student: "Da haben wir unsere Methoden." Die Umweltaktivistin: "Und welche sind das?" Der Student reckt seine Hand in den Himmel und sagt: "Mit einer Mauer." Unabhängig von deren Wirkung sind in den Feldern keine Mauern zu sehen. Auch werden die Gentechnikversuche nicht gezeigt. Die chinesische Höflichkeit verbietet weitere kritische Nachfragen. "Es wird keine intensive öffentliche Debatte über Gentechnik geführt", sagt Fu Tao vom englischsprachigen Online-Forum "China Development Brief". "Wir wissen, dass es Versuche gibt, bei denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, damit die Firmen bereit sind, falls die Regierung den Anbau irgendwann erlauben sollte."


Abwanderung in die Städte

Die chinesischen Dörfer liegen verschlafen in grünen Reisfeldern. Es scheint, als gäbe es dort fast nur alte Menschen und Kinder. Sie beobachten skeptisch die Besucher mit ihren Digitalkameras. Nach offiziellen Angaben gibt es 200 Millionen Wanderarbeiter in China. Ende der siebziger Jahre waren es noch 30 Millionen. Experten schätzen, dass sogar 90 Prozent der Wanderarbeiter Bauern sein sollen. Die chinesische Nichtregierungsorganisation Global Environmental Institut (GEI) begründet die Landflucht damit, dass die Durchschnittsgehälter in den Städten ungefähr dreimal höher sind als in den ländlichen Räumen. Die wenigsten Bauern haben einen akademischen Abschluss. Deshalb landen sie bei schlechtem Lohn in Fabriken. "Diese Arbeit ist schmutzig", sagt Li Bo. Die Wanderarbeiter ziehen teilweise mehr als zehn Jahre in die Städte und kommen erst wieder heim, wenn ihre Kinder groß sind. "Für die Bauern sind die verschiedenen Agrarreformen ein Problem. Sie müssen sich immer wieder auf neue Situationen einstellen und wissen nicht, was als nächstes kommt", sagt Li Bo und fügt hinzu: "Außerdem gibt es kaum Markttransparenz. Und es ist schwer für sie, auskömmliche Preise für ihre Produkte zu erzielen."

Der deutsche Agraringenieur Thomas König vom Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) hat trotz allem den Eindruck, dass die landwirtschaftliche Produktion nicht stockt. Er lebt und arbeitet seit Ende letzten Jahres in der südöstlichen Binnenprovinz Jiangxi und sagt: "Die Flächen hier sind extrem intensiv genutzt, es gibt keine Brachflächen wie in Deutschland." Nutzen die Bauern ihre Felder nicht selbst, dann werden diese meist verpachtet. Immerhin leben nach wie vor 700 bis 800 Millionen Menschen auf dem Land und die Landwirtschaft ist eine wesentliche Einnahme- und Versorgungsquelle.


Klein und effizient

Die durchschnittliche Betriebsgröße beträgt 0,6 Hektar. Stimmen die Zahlen der USDA (United States Department of Agriculture), dann ist die Produktion von Weizen, Mais und Reis in den vergangenen Jahren gestiegen. Und China ist seit Jahren Nettoexporteur mit Ausnahme im Wirtschaftsjahr 2003/04, damals wurde mehr Reis und Weizen importiert, als auf dem Weltmarkt verkauft, und bei Weizen war dies auch im Jahr 2004/05 noch so. Die Milchproduktion ist ebenfalls kontinuierlich auf 37,8 Millionen Tonnen 2008/09 gestiegen. Zehn Jahre zuvor waren es noch 8 Millionen Tonnen. Ähnlich wie in den Jahren davor besteht 2008/09 bei Vollmilchpulver und Frischmilch ein Exportüberhang mit 19.000 Tonnen und 29.000 Tonnen, während bei Magermilchpulver ein Importüberhang von 52.000 Tonnen ermittelt wurde. Sind diese Erhebungen einigermaßen korrekt, dann muss man die Aussagen einiger Marktbeobachter kritisch hinterfragen, wenn es mal wieder heißt, dass China ein bedeutender Abnehmer für Agrarprodukte auf dem Weltmarkt sein soll. Für diese Entwicklung hat Pekings Führung 2003 die Agrarsteuern abgeschafft und die Ankaufspreise erhöht. Außerdem ist verboten worden, Felder in Bauland umzuwandeln. Mindestens 95 Prozent der Agrarprodukte soll aus eigenem Anbau stammen. So will es Chinas Regierung und arbeitet deshalb auch zeitweilig mit Exportbeschränkungen. "Um das Leben auf dem Land attraktiver zu gestalten, fließen im Rahmen des staatlichen Programms "New Socialist Countryside" Investitionen für beispielsweise Kleinbiogasanlagen, um selbst Gas zu erzeugen. Als Voraussetzung für diese Anlagen müssen die Familien ein oder zwei Schweine halten und schon funktioniert es", sagt Thomas König. Er weiß von einem Bericht der Asian Development Bank, dass allein 2007 landesweit 24 Millionen dieser Anlagen gebaut worden sind.


Die neue Bewegung

Die Begegnungsreise hat Probleme, aber auch Potentiale einer kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft in China gezeigt. Neben den bekannten Umweltsünden wächst eine neue Bewegung. Vor 16 Jahren wurde Friends of Nature als erste Umweltorganisation gegründet. Heute gibt es etwa 2.000 Nichtregierungsorganisationen, die von der Regierung oder ausländischen Geldgebern finanziert werden. Davon sind knapp 20 Prozent Studentenbewegungen. Bemerkenswert erscheint überhaupt das ehrenamtliche Engagement der Studenten. Sie setzen sich kritisch mit Themen wie Klimawandel, Gewässerschutz oder Landwirtschaft auseinander. Auch wenn nicht alle hauptberuflich in der Zivilgesellschaft arbeiten werden, so wandert durch sie dieses Wissen in die Leitungsebenen von Wirtschaft und Regierung.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2009