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ASIEN/632: Südostasien - "Verlorene Generation", immer mehr junge Leute ohne Arbeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2010

Südostasien: 'Verlorene Generation' - Immer mehr junge Leute ohne Arbeit

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 13. August (IPS) - Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat überall auf der Welt Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Im südostasiatischen Raum sind vor allem jüngere Menschen betroffen. Sie finden vier Mal so schwer einen Job wie ältere Arbeitnehmer, wie aus aktuellen Statistiken der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervorgeht. Eine Region mit überdurchschnittlich vielen jungen Menschen wird dadurch vor besondere Herausforderungen gestellt.

Die 38-jährige Tanya Athikom ist enttäuscht. Sie sucht seit Ewigkeiten einen neuen festen Arbeitsplatz im Technologiesektor, aber in ganz Bangkok findet sie nichts Passendes. Immer wieder werden ihr lediglich Kurzzeitverträge bei einer der vielen einheimischen oder multinationalen Firmen angeboten.

"Sie stellen die Leute nur noch auf Beraterbasis ein und nutzen Headhunter", sagt Athikom, die über zehn Jahre Berufserfahrung als Managerin in Softwarefirmen verfügt. "Oft werden die Verträge nur für ein Projekt ausgeschrieben und danach nicht verlängert." Arbeitnehmer mit Kurzzeitverträgen arbeiten zu wesentlich schlechteren Bedingungen als ihre fest angestellten Kollegen. "Sie werden von den Festangestellten auch nicht wirklich respektiert", bedauert Athikom.


Jugend leidet am stärksten weltweit

Mit ihrem Jobproblem ist sie nicht allein. "Das Risiko, dass jüngere Arbeitnehmer arbeitslos werden, liegt in Südostasien 4,6 Mal so hoch als bei Erwachsenen", sagt Kee Beom Kim vom Bangkok-Büro der ILO. "Das ist die schlechteste Rate weltweit."

"Viele suchen vergeblich sichere Jobs. Die Gefahr ist, dass sie sich enttäuscht vom Arbeitsmarkt entfernen", erklärt Kim. Dadurch verlören sie ihre Qualifikationen, so dass ihre Chancen weiter sänken.

Diese Befürchtungen sind durchaus realistisch. Der am 12. August präsentierte ILO-Bericht 'Globale Jugend-Arbeitsmarkttrends' zeichnet ein düsteres Bild von den Jobchancen junger Menschen in der ganzen Welt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist demnach auf "dem höchsten jemals gemessenen Stand", und der Trend wird sich voraussichtlich bis Ende 2010 weiter verstärken.


Frauen stärker betroffen als Männer

Ende 2009 waren weltweit 81 Millionen junge Menschen aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise ohne Arbeit. Laut ILO bedeutete dies einen Anstieg um 7,8 Millionen gegenüber 2007, bevor die Krise in den USA ihren Anfang nahm. Fast die Hälfte der arbeitslosen Jugendlichen lebt im asiatisch-pazifischen Raum, 8,3 Millionen davon in Südostasien. Die ILO beschreibt sie bereits als "verlorene Generation".

Frauen sind dem Bericht zufolge noch stärker betroffen als Männer, vor allem, weil in der Wirtschaftskrise verstärkt Arbeitsplätze in Branchen abgebaut wurden, in denen mehrheitlich weibliche Beschäftigte tätig sind. Als Beispiel nennt die ILO die Textilindustrie in Kambodscha, die vor allem für den Export in die USA und nach Europa arbeitet.

Auch die arbeitsintensiven Spielzeug-, Schuh- und Spielbranchen in den Philippinen, Indonesien and Thailand leiden demnach unter den Umsatzeinbrüchen auf den europäischen und US-Märkten.


Jobs kommen trotz Erholung erst später

In vielfacher Hinsicht wiederholt sich eine Entwicklung, die bereits nach der Finanzkrise in Asien 1997 Millionen Arbeitsplätze gekostet hatte. Damals stieg die Jugendarbeitslosigkeit in Südostasien von 5,5 Millionen im Jahr 1995 auf 10,4 Millionen 2002. Analysten gehen davon aus, dass die Wirtschaft der Region diesmal die gleichen Zyklen durchlaufen wird - inklusive der langsamen Erholung der Arbeitsmärkte.

Thailand etwa hat die Erwartungen einer UN-Studie aus dem Januar bestätigt, die für die Region eine Zunahme des Wirtschaftswachstums prognostiziert hatte. Analysten in Bangkok gehen jetzt davon aus, dass die thailändische Wirtschaft 2010 um sieben bis acht Prozent wachsen wird. Triebfedern sind nach Ansicht der Experten ein gestiegenes Vertrauen der Verbraucher, der Exportmarkt und eine Erholung der Tourismusbranche.

Jobsucher wie Athikom werden aber noch eine Weile warten müssen, bevor sie davon profitieren können. "Aus der asiatischen Finanzkrise haben wir die Lehre gezogen, dass sich die Nationalwirtschaften zwar schnell erholen können, während die Arbeitsmärkte hinterherhinken", meinte ILO-Arbeitsmarktexperte Kim. "Es besteht die Gefahr, dass sich das diesmal wiederholt." (Ende/IPS/sv/ 2010)


Links:
http://www.ilo.org/empelm/what/pubs/lang--en/docName--WCMS_143349/index.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52469

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010