Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/638: China - Rasanter Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Lateinamerika (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010

China: Rasanter Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Lateinamerika

Von Mitch Moxley


Peking, 23. August (IPS) - Die Volksrepublik China arbeitet zielstrebig am Ausbau ihrer Beziehungen mit Lateinamerika. In den vergangenen Jahren ist es ihr gelungen, ihre Investitionen in der Region stetig zu diversifizieren: Nachdem dabei zunächst die Entwicklung der natürlichen Ressourcen im Vordergrund standen, investieren Chinesen nun auch zunehmend in die Weiterverarbeitung und den Dienstleistungssektor.

Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) geht davon aus, dass die größte Volkswirtschaft nach den USA die Europäische Union bis spätestens Mitte 2011 als zweitwichtigsten Handelspartner Lateinamerikas abgelöst haben wird.

Konkret geht es der Volksrepublik um Venezuelas Öl, Guayanas Holz und brasilianischen Sojabohnen. Venezuela ist schon jetzt Chinas fünftgrößter Handelspartner in der Region. 2009 betrug das Handelsvolumen mit dem ölreichen Land 7,15 Milliarden Dollar. Den lateinamerikanischen Ländern wiederum ist vor allem an einer Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Infrastruktur, Wissenschaft und Technologie gelegen.

Die Region ist für Peking doppelt interessant, wie Zhang Sengen, Leiter des Instituts für Chinas internationale Wirtschaftsbeziehungen, erläutert. Zum einen verfügt die Region über große Mengen natürlicher Ressourcen, die Chinas wachsende Volkswirtschaft dringend benötigt. Zum anderen ist Lateinamerika mit 560 Millionen Verbrauchern und einem Bruttoinlandsprodukt von insgesamt vier Billionen US-Dollar ein riesiger und attraktiver Absatzmarkt für chinesische Produkte.


Beide Seiten profitieren

Chinas Handelsministerium zufolge beliefen sich die Auslandsdirektinvestitionen (FDI) des asiatischen Wirtschaftsriesen in Lateinamerika 2008 auf rund 25 Milliarden US-Dollar - das sind 14,6 Prozent aller von China weltweit getätigten FDI. Doch auch umgekehrt geht es um beträchtliche Summen: Lateinamerikanische Investitionen im Reich der Mitte lagen im gleichen Jahr bei 112,6 Milliarden Dollar oder 14 Prozent der von China insgesamt absorbierten Investitionen.

Während 2009 die Exporte von Lateinamerika nach China noch 7,6 des Gesamtexportvolumens der Region entsprachen, sollen es dem CEPAL-Bericht zufolge 2020 bereits mehr als 19 Prozent sein.

Im April dieses Jahres reiste der chinesische Präsident Hu Jintao nach Brasilien, Venezuela und Chile. Die staatliche Presse des asiatischen Landes bezeichnete die Besuche als wichtigen Schritt, die Beziehungen zwischen den Regionen zu intensivieren. China und Brasilien riefen einen gemeinsamen Aktionsplan für den Zeitraum 2010 bis 2014 aus. Darin geht es Xinhua zufolge um die Bereiche Kultur, Energie, Finanzen, Wissenschaft und Technologie sowie um Qualitätssicherung von Produkten. China ist Brasiliens größter Handelspartner.

Laut Jiang Shixue, Vizepräsident der Chinesischen Vereinigung für Lateinamerikastudien, ist Chinas Engagement in Lateinamerika nicht nur ökonomischer, sondern auch politischer Natur. Zwölf der weltweit 23 Länder, die diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten, liegen in Lateinamerika. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und hofft mit den Investitionsanreizen die lateinamerikanischen Länder in dieser Frage politisch beeinflussen zu können.


Kritik an chinesische Firmen

Chinesische Firmen sind aber nicht immer gern gesehen in Lateinamerika. In Brasilien und Argentinien hat Widerstand gegen die Dumpingpreise chinesischer Importprodukte bereits zu einigen neuen Importzöllen auf Einfuhren aus China geführt. Andere Länder machen sich Sorgen über die aggressive Art und Weise, mit der sich chinesische Firmen Zugang zu Energiereserven zu verschaffen versuchen. In Peru protestieren die Arbeiter einer Stahlmine der dem chinesischen Staat gehörenden Stahlfirma 'Shongang' seit deren Öffnung 1992 gegen die Lohn- und Sozialpolitik der Betreiber. Immer wieder kommt es zu Streiks und gewaltsamen Auseinandersetzungen, auch wegen der schlechten Umweltperformance des Unternehmens.

In anderen Ländern gebe es mehr Umweltschutzorganisationen als in China, kommentiert Wang Peng, Wissenschaftler des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Lateinamerikastudien der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. "Kein Wunder, dass es zu Spannungen kommt, wenn chinesische Firmen lax mit den Umweltvorschriften umgehen." (Ende/IPS/jt/2010)


Links:
http://www.eclac.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52522

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010