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ASIEN/670: Annäherung von China und den USA auf militärischem Gebiet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2010

China/USA: Militärische Annäherung - Hoffnung auf Entspannung im asiatischen Raum

Von Jim Lobe


Washington, 12. Oktober (IPS) - Im Schatten des Streites zwischen den USA und China über die angemessene Bewertung der chinesischen Landeswährung Renminbi vollzieht sich auf militärischem Gebiet offenbar eine Annäherung. So hat Chinas Verteidigungsminister Liang Guanglie bei einem jüngsten Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Robert Gates Interesse an einer Verbesserung der Militärbeziehungen bekundet. Außerdem wird Gates Anfang 2011 in Peking erwartet. Dem geht ein Staatsbesuch von Präsident Hu Jintao in Washington voraus.

Gates hatte Peking bereits zweimal in diesem Jahr besuchen sollen - im letzten Moment wurden die Einladungen aber zurückgezogen. Beobachter gehen davon aus, dass es sich um eine Reaktion auf US-Waffenverkäufe an Taiwan im Wert von 6,4 Milliarden US-Dollar handelte, die im Januar angekündigt worden waren. Peking, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, brach daraufhin die meisten militärischen Kontakte zu Washington ab.

Bei dem Treffen der Verteidigungsminister der Asien-Pazifik-Länder am 11. Oktober in Hanoi sagte Liang nach Angaben von 'Radio China International', dass es bei den Beziehungen zwischen den beiden Armeen Schwierigkeiten gebe, und nannte in diesem Zusammenhang insbesondere die US-Waffenverkäufe an Taiwan. Dadurch werde eine umfassende Intensivierung der Beziehungen zwischen den beiden Streitkräften behindert.

Liang erklärte ferner, dass es wichtig sei, Kerninteressen und wichtige Anliegen gegenseitig zu respektieren, um das gegenseitige strategische Vertrauen zu stärken und Meinungsverschiedenheiten und sensible Fragen beilegen zu können. Gates wiederum unterstrich die Bedeutung eines kontinuierlichen Austauschs zwischen beiden Armeen, gerade um Missverständnisse aus der Welt zu schaffen und gegenseitiges Misstrauen abzubauen. Gates nahm zudem die Einladung Liangs für Anfang 2011 nach Peking an.

Der US-Regierung kommt eine Wiederaufnahme der militärischen Beziehungen zum asiatischen Wachstumsriesen insofern gelegen, als sie sich Einblicke in das strategische Denken der chinesischen Militärführung erhofft. In jüngster Zeit war immer wieder die Frage gestellt worden, welchen Einfluss die Volksbefreiungsarmee auf Chinas Außenpolitik ausübe. US-Verteidigungsminister Gates hatte im Mai bedauert, dass die Volksbefreiungsarmee deutlich weniger Interesse an militärischen Beziehungen zu den USA habe als die politische Führung. Nun aber wird es noch im Oktober hochrangige bilaterale Treffen im Hauptquartier der US-Pazifikflotte auf Hawaii geben.


Asiatische Nachbarn besorgt

Das Rätselraten über Chinas strategische Absichten erhält vor allem durch den konstant anwachsenden Militärhaushalt Pekings immer neue Nahrung. Mit 150 Milliarden Dollar beträgt er allerdings noch immer nur etwa 25 Prozent der jährlichen Ausgaben des Pentagons. Washington beobachtet vor allem den kontinuierlichen Ausbau der chinesischen Flotte mit Argwohn, da dies als potenzielle Bedrohung für die Bewegungsfreiheit der US-Flotte in einer Entfernung von mehreren Hundert Kilometern vor Chinas Küsten angesehen wird.

Hinzu kommt die Großmachtsattitüde, mit der Peking in jüngster Zeit zunehmend gegenüber seinen asiatischen Nachbarn auftritt. So wurde das gesamte Südchinesische Meer wiederholt zur Interessenssphäre Chinas erklärt und damit ein ähnlicher Status wie im Falle Taiwans und Tibets beansprucht.

In gewisser Weise ist Washington Nutznießer der Situation, da Chinas beunruhigte Nachbarn sich inzwischen wieder stärker auf ihre Beziehungen zu den USA besinnen, nach einer Phase der betonten Hinwendung zu Peking. Charakteristisch hierfür ist, dass in Japan die hitzige Debatte über die Zukunft der US-Militärbasis auf Okinawa fast zum Erliegen kam, nachdem ein Fischerei-Zwischenfall mit einem chinesischen Kutter das bilaterale Verhältnis im Handumdrehen abkühlen ließ. Auch Südkorea hat sich Washington wieder angenähert und führt zur großen Verärgerung Chinas mit den USA gemeinsame Manöver im Gelben Meer durch.


Freie Schifffahrt

Pekings territorialer Anspruch auf das Südchinesische Meer - mit seinen potenziell reichen Öl- und Gasvorkommen - wiederum stößt gleich ein halbes Dutzend asiatischer Staaten vor den Kopf. Beobachtern zufolge patrouilliert Chinas Marine hier seit einem Jahr in zunehmend herausfordernder Art und Weise. Die USA haben umgehend auf den Unmut in der Region reagiert und ihre militärischen Kontakte vor allem mit dem ehemaligen Kriegsgegner Vietnam und mit Indonesien ausgebaut.

Eine regionale Sicherheitskonferenz im Juli verärgerte Peking, vor allem, weil US-Außenministerin Hillary Clinton das Interesse Washingtons an einer freien Schifffahrt in der Region betonte. Zudem bot Clinton US-Unterstützung für Gespräche zur Lösung territorialer Konflikte an. Pekings traditioneller Standpunkt lautet, dass dies ausschließlich auf bilateraler Grundlage möglich sei. Trotz einer vielfach harten Linie gegenüber der chinesischen Regierung scheint Washington aber daran gelegen zu sein, die Spannungen nicht weiter zu befeuern, sondern abzubauen. (Ende/IPS/bs/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010