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ASIEN/714: Usbekistan - Muslime systematisch zu Tode gefoltert, Westen schaut weg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Februar 2011

Usbekistan: Muslime systematisch zu Tode gefoltert - Westen schaut weg

Von Pavol Stracansky


Prag, 2. Februar (IPS) - In Usbekistan nimmt die Gewalt gegen Mitglieder der muslimischen Bevölkerungsmehrheit kein Ende. Nach Angaben der Gruppe der Unabhängigen Menschenrechtsschützer (IHRDG) wurden im letzten Jahr mindestens 39 muslimische Häftlinge zu Tode gefoltert - 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Usbekistans Haftanstalten sind als Folterzentren berüchtigt. Vor [allem] aus dem Zhaslik-Gefängnis im Nordwesten des Landes, das als postsowjetischer Gulag verschrien ist, werden wahre Horrorgeschichten gemeldet. In einem jüngsten Fall wurde ein Gefangener zu Tode gebrüht.

Da die Leichen verstorbener Gefängnisinsassen ihren Angehörigen in versiegelten Särgen zugehen, könne von einer extrem hohen Dunkelziffer der hinter Gittern gefolterten Menschen ausgegangen werden, so die IHRDG. Aus religiösen Gründen inhaftierte Usbeken müssen zudem damit rechnen, dass ihre Haftstrafen durch außergerichtliche Erlasse in lebenslang umgewandelt werden.

Seit fast 20 Jahren ist das Regime von Staatspräsident Islam Karimow an der Macht. Menschenrechtsverletzungen gehören zu Alltag. Die Vereinten Nationen beschuldigen die Sicherheitskräfte des Landes, die zum Teil vom sowjetischen Geheimdienst KGB ausgebildet wurden, Gefangene systematisch zu foltern. Gefahr droht vor allem Muslimen, denen häufig und fälschlicherweise religiöse Verfehlungen angelastet werden, wie von Angehörigen zu erfahren ist.


Angst vor Bevölkerungsmehrheit

Die Karimow-Diktatur rechtfertigt die Unterdrückung mit der angeblichen Gefahr religiösen Extremismus. Doch lokale Menschenrechtsaktivisten mutmaßen, dass der Staat die Muslime, die 90 Prozent der 28 Millionen Usbeken ausmachen, als Bedrohung wahrnimmt. "Die Regierung betrachtet die muslimische Gemeinschaft als größtmöglichste Gefahr", bestätigt Alischer Ilchamow von der 'Open Society Foundation' in London. "Muslimische Geistliche und Führungspersönlichkeiten haben das Potenzial, eine große Zahl von Menschen zu mobilisieren."

Doch gerade der repressive Umgang mit den Muslimen könnte die vorgeschobene Sorge Taschkents wahr werden lassen. "Der Mangel an Meinungsäußerung gepaart mit Unterdrückung bereitet dem Extremismus erst den Boden", warnte ein usbekischer Menschenrechtler, der sich Anonymität ausbaut. Tatsächlich sollen sich die Gefängnisse des Landes bereits zu Keimzellen radikal-islamistischer Strömungen entwickelt haben.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International werfen EU und USA vor, die Gewalt in Usbekistan aus geopolitischen Gründen zu ignorieren. So ist bekannt, dass die Bundeswehr den Luftwaffenstützpunkt im usbekischen Termes für den Afghanistan-Einsatz nutzt.

Usbekistan gilt zudem als Musterbeispiel für die Unwirksamkeit von EU-Sanktionen. Nach dem Massaker im östlichen Andischan am 13. Mai 2005 an Hunderten friedlicher Demonstranten belegte die Europäische Taschkent zwar mit Strafmaßnahmen. Diese wurden jedoch auf Betreiben Deutschlands wieder aufgehoben, ohne dass Karimow die an ihn gestellten Forderungen erfüllt hat. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2011