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ASIEN/733: Japan - Vom Geber zum Empfängerland, schwieriger Übergang mit positiven Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. April 2011

Japan: Vom Geber zum Empfängerland - Schwieriger Übergang mit positiven Folgen

Von Suvendrini Kakuchi

Solidaritätsbekundungen für Tohoku-Opfer in Okinawa - Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Solidaritätsbekundungen für Tohoku-Opfer in Okinawa
Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Tokio, 14. April (IPS) - April ist 'Hanami'-Zeit. Dann finden sich Millionen Japaner in Parks und Straßen zu den alljährlichen Kirschblütenfesten ein. Doch einen Monat nach dem schweren Erdbeben und dem verheerenden Tsunami mit 30.000 Toten ist vielen nicht nach Feiern zumute. Sie ziehen es vor, den Überlebenden zu helfen.

"Die furchtbare Tragödie in Tohoku hat Japan eine landesweite Wohlfahrtsbewegung beschert", sagte der Buchautor und Sozialkritiker Kyoichi Kobayashi. "Diese Entwicklung ist für die Menschen, die an ein Leben im Überfluss gewohnt sind, eine völlig neue Erfahrung."

Von der nordjapanischen Insel Hokkaido bis nach Okinawa, dem südlichsten Teil des Inselreichs, haben hunderte Freiwilligenverbände, Unternehmen und Organisationen eine Welle von Hilfsprogrammen gestartet, um der in Bedrängnis geratenen Bevölkerung zu helfen. 'Yoshimoto Kogyou' etwa, ein führendes Unternehmen der Unterhaltungsindustrie, verwandelte das internationale Filmfestival in Okinawa in eine Charity-Veranstaltung.

Shintaro Ishihara, der Regierungschef der Hauptstadtregion und Förderer der lokalen Wirtschaft, hat die Menschen aufgefordert, aus Solidarität mit den Opfern von Tohoku auf eine Teilnahme an den Hanami-Festen zu verzichten. "Jetzt ist nicht die richtige Zeit dafür, dass sich die Leute betrinken und Kirschblüten anschauen."

Kobayashi interpretiert die ungewohnten Töne als Ausdruck der Bemühungen Japans, das Jahrzehnte lang als Geber aufgetreten ist, mit dem neuen Status eines hilfsbedürftigen Landes zurechtzukommen. Die massive Zerstörung einschließlich die zunehmende radioaktive Verstrahlung habe Japan die schmerzhafte Lektion erteilt, "dass Vorkehrungen in einem erdbebengefährdeten Land unerlässlich sind".

"Das Chaos in Tohoku, wo tausende Menschen noch immer in Notunterkünften ausharren und denen es an Wasser und Lebensmitteln gebricht, ist ernüchternd", so Kobayashi. In nur wenigen Sekunden sei aus einem Land, das zu den größten Geberstaaten der Welt gehörte, ein Hilfsempfänger geworden.


Dankbarkeit und Zuversicht

Das nichts mehr ist, wie es war, zeigte auch die internationale Botschaft von Ministerpräsident Naoto Kan vom 11. April. So würdigte der Regierungschef 'Kizuna', die Freundschaftsbande, die mehr als 130 Länder und Regionen seit der Katastrophe unter Beweis gestellt hatten. Japan werde aus eigener Kraft und mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft stärker denn je aus der Krise herauskommen, "um es Ihnen zu entgelten".

Wie der emeritierte Professor der Universität in Tokio und Experte für auswärtige Beziehungen, Takeshi Inoguchi berichtet, kamen gerade Spenden aus Ländern wie Ruanda und Sri Lanka, die selbst mit vielen Problemen zu kämpfen haben, in Japan gut an. "Den Japanern macht eine solche Großzügigkeit gerade in Momenten großen Verlustes Mut und sie sind sehr dankbar", sagte Inoguchi. 117 Länder haben dem Japanischen Roten Kreuz 33 Millionen US-Dollar zur Verfügung gesellt.

Inoguchi wies ferner darauf hin, dass es neben der warmherzigen internationalen Unterstützung und dem Heer von Freiwilligen, die nach Tohoku gekommen sind, noch andere positive Entwicklungen gibt. Dazu zählt die Hilfe aus China. Vor dem Erdgeben waren die sino-japanischen Beziehungen aufgrund von Territorialstreitigkeiten getrübt. Doch inzwischen bildet Peking die Speerspitze der Bemühungen, Japan zu helfen.


Alte Spannungen vergessen

Die Tageszeitung 'Asahi' stellt in ihrer Ausgabe vom 12. April fest, dass das benachbarte China mit Gelassenheit auf den Austritt von Radioaktivität ins Meer reagiert habe. Das Verhalten steht in einem starken Kontrast zu dem wortgewaltigen Getöse, mit dem die Regierung in Peking im September 2010 auf die vorübergehende Verhaftung eines chinesischen Seenmannes durch Japan reagierte, der ein Kontrollboot der japanischen Marine in der Nähe der von beiden Ländern beanspruchten Senkaku-Inseln gerammt hatte.

Hilfe kommt auch aus Russland. Die Beziehungen zwischen dem osteuropäischen Land und Japan hatten seit dem Besuch der Nördlichen Territorien durch den russischen Staatspräsidenten Dimitri Medwedew gelitten. Auf die von Russland besetzten Gebiete erhebt Japan Anspruch. Russland hat 161 Arbeiter nach Japan entsandt und angesichts der dortigen Stromausfälle Unterstützung bei der Energieversorgung zugesagt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2011