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ASIEN/815: Kirgisistan - Bergbau als Spielball der Politik, Machtinteressen wichtiger als Umwelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2012

Kirgisistan: Bergbau bleibt Spielball der Politik - Machtinteressen wichtiger als Umwelt

ein Gastbeitrag von Chris Rickleton



Bischkek, 12. Oktober (IPS/EurasiaNet*) - Als der nationalistische Oppositionsführer Kamtschibek Taschiew mit seinen Anhängern Anfang Oktober versuchte, das kirgisische Parlament zu stürmen, stellten sich einheimische und ausländische Minenbetreiber in dem zentralasiatischen Staat auf das Schlimmste ein.

Das gesamte Jahr über war die Zukunft des Bergbausektors ungewiss. Ausländische Investoren stritten sich mit den Behörden über Regulierungsvorschriften und mussten sich auf die Verstaatlichung des Sektors gefasst machen.

Taschiew, dem Vorsitzenden der oppositionellen Parlamentsfraktion Ata-Jurt, gelang es zwar, den schmiedeeisernen Zaun vor dem Parlament zu erklimmen, er wurde aber an der Übernahme der Kontrolle über die Volksvertretung gehindert. Der Abgeordnete und zwei Gefolgsmänner sitzen seitdem hinter Gittern.

Die versuchte Erstürmung des Parlaments am 3. Oktober ist der vorläufige Höhepunkt der Konfrontation zwischen den Bergbaubetrieben und der Bevölkerung. Wenige Tage vor dem Vorfall hatte der neue Regierungschef Schantoro Satybaldijew eine Verstaatlichung der teils mit kanadischem Kapital betriebenen Kumtor-Goldmine ausgeschlossen. Die Förderung von Bodenschätzen werde unter seiner Regierung Priorität genießen, versicherte er. Schließlich hatten die Einnahmen aus der Kumtor-Mine im letzten Jahr zwölf Prozent des kirgisischen Bruttoinlandsprodukts ausgemacht.

Bergbauunternehmen beeilten sich dem neuen Premier Applaus zu spenden. Auch Satybaldijews Versprechen kam gut an, Posten in der Behörde für Geologie und Bodenschätze, die Lizenzen an ausländische Firmen vergibt, mit Experten aus dem Sektor und nicht wie bisher üblich mit politischen Günstlingen zu besetzen.


Nationalisierungsklage abgewiesen

Satybaldijew wollte damit einen Schlussstrich unter den Rechtsstreit über Kumtor ziehen, den ein Verbündeter Taschiews, Sadyr Schaparow, in diesem Sommer begonnen hatte. Im Juni gelang es dem von Schaparow geführten Ausschuss allerdings nicht, das Parlament davon zu überzeugen, dass die Umweltsünden des kanadischen Bergbaugiganten 'Centerra Gold' eine Enteignung rechtfertigten.

Als gegen Taschiew und Schaparow Korruptionsvorwürfe laut wurden, entschieden die beiden Politiker, die Massen zu mobilisieren. Orosbek Duischejew, Vorsitzender der Vereinigung der Minenbetreiber und Geologen, die Verbindungen zwischen Unternehmen und der Regierung herstellt, kritisierte: "Taschiew und Schaparow sind keine Umweltschützer, sondern Provakteure. Für ihr Verhalten müssen sie streng bestraft werden."

Seit dem Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew im April 2011 gehören Konflikte zwischen Bergbauunternehmen und der Bevölkerung in ländlichen Regionen zum Alltag. Bei Demonstrationen richtete sich der Volkszorn vor allem gegen mutmaßliche Verstöße gegen Umweltauflagen. Die Minenunternehmer hingegen werfen den Demonstranten vor, sich als Schachfiguren im Streit zwischen den zurückgedrängten Eliten des Landes und der zentralen Regierung in Bischkek benutzen zu lassen.

"Bergbaufirmen tragen sicherlich die Verantwortung, nationale und internationale Umweltauflagen einzuhalten", sagte der Manager einer Gold- und Kupfermine, der seit Jahren in Kirgisistan lebt. "Die Clan-Politik zu beeinflussen, sollte aber nicht Teil unserer Arbeit werden."

Kumtors Mutterkonzern Centerra Gold wollte die Lage nicht kommentieren. Die Mine ist bei weitem nicht die einzige im Land, die von Skandalen erschüttert wird. Im August hatten Kirgisen damit gedroht, die von Chinesen betriebene Mine 'Asia Gold Enterprises' in der südlichen Region Chon-Alai niederzubrennen, weil sie die Verseuchung eines nahe gelegenen Flusses befürchteten. Die Firma bot den Bewohnern eines Dorfes daraufhin ein Prozent ihres Gewinns an und konnte den Streit damit beenden. Anfang dieses Jahres wurde das Unternehmen dann beschuldigt, illegal Erz zu exportieren.


Umwelt politisch instrumentalisiert

In der westkirgisischen Provinz Talas wurde der australischen Firma Kentor Gold im Juni die Lizenz wegen Umweltverstößen entzogen. Durch die folgende Untersuchung wurde das Unternehmen jedoch entlastet. Die langfristigen Perspektiven für Bergbaufirmen hängen Beobachtern zufolge weniger von ökologischen Gründen ab, sondern eher davon, inwieweit die Regierung in ländlichen Regionen für Ordnung sorgen kann. Vor allem kleinere Minen sind gegen Proteste weit weniger gewappnet als Kumtor.

Nach Ansicht von Emil Schukurow, Umweltbeauftragter der Nichtregierungsorganisation 'Aleyne' und Redakteur von Kirgisistans Rotbuch der gefährdeten Arten, hat das Land größere ökologische Probleme als die Kumtor-Mine. Wie er kritisierte, lenkt das politische Machtgerangel lediglich von der Notwendigkeit des Artenschutzes ab. "Die Ökologie sollte nicht Gegenstand politischer Spekulationen werden." (Ende/IPS/ck/2012)

* Dieser Beitrag erschien zunächst bei EurasiaNet in New York, einem Informationsdienst über Zentral- und Südwestasien, Kaukasus, Russland und Türkei. Der Dienst wird vom 'Central Eurasia Project' des 'Open Society Institute' betrieben.


Links:

http://www.eurasianet.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/kyrgyzstan-mining-sector-in-nationalists-crosshairs/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012