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ASIEN/880: Japan - Abschiedsbriefe der Kamikaze-Piloten sollen UNESCO-Weltdokumentenerbe werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2014

Japan: Als die Kamikaze-Piloten Abschied nahmen - Briefe sollen UNESCO-Weltdokumentenerbe werden

von Suvendrini Kakuchi


Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Kamikaze-Flugzeug im Friedensmuseum in Chiran
Bild: © Suvendrini Kakuchi/IPS

Chiran, Japan, 28. Januar (IPS) - Als Kamikaze-Piloten stießen sie mit ihren Bombenflugzeugen auf feindliche Schiffe nieder und fanden dabei ebenfalls den Tod. Ein Museum im japanischen Chiran will nun ihre letzten Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg als UNESCO-Weltdokumentenerbe erfassen lassen.

Diese Aufzeichnungen stünden symbolisch für die Verpflichtung des Landes zum Frieden, erklärte das Museum. Die politischen Spannungen zwischen Japan und seinen ehemaligen asiatischen Kolonien, darunter Nordchina und Korea, die seit dem lange vergangenen Krieg andauern, nehmen währenddessen an Schärfe zu.

Die Kamikaze-Piloten waren eine Sonder-Einsatztruppe, die ihr Land gegen Ende des zweiten Weltkriegs vor den westlichen Alliierten schützen sollte. Die Zahl der Piloten, die bei den Missionen starben, wird offiziell mit 1.036 angegeben.


Kein Hass auf den Feind

Geschichtenerzähler, die im Friedensmuseum für Kamikaze-Piloten in Chiran arbeiten, beschreiben sie als mutige junge Männer, die ihr Leben opferten, um westliche Invasoren von Japan fernzuhalten. "Die letzten Briefe, die die Kamikaze schrieben, bevor sie in ihren Maschinen starteten, zeigten, dass sie ihren Feind nicht hassten, sondern nur ihrem Land dienen und ihre Familien schützen wollten", sagt der Kurator Satoshi Yamaki.

"Die Registrierung ihrer Botschaften als Weltdokument soll ihren Mut würdigen und für Japans Versprechen stehen, nie wieder Krieg zu führen", erklärt er. "Die Briefe symbolisieren die Friedensverpflichtung Japans." Yamaki leitet das 1988 eröffnete Museum, das in den grünen Hügeln der Stadt Chiran in der Präfektur Kagoshima auf der Insel Kyushu liegt.

In Chiran befand sich eine Startbahn, von der die Kamikaze-Maschinen 1944 abhoben, um sich auf US-Kriegsschiffe mit Kurs auf Okinawa zu stürzen. Die südlichste Inselgruppe Japans wurde Schauplatz der einzigen Landschlacht in Japan vor der Kapitulation am 15. August 1945. "Auf Wiedersehen. Ich wünsche euch nur noch Glück", schrieb der 23-jährige Kapitän Toshio Anazawa seiner Freundin. "Vergiss die Vergangenheit, lebe in der Gegenwart", schrieb Leutnant Aihana Shoi Heart.


Hunderttausende besuchen Kamikaze-Museum

Das Museum, das von der Kommunalverwaltung im südlichen Teil von Kyushu finanziert wird, verzeichnet jährlich mehr als 700.000 Besucher. Dass die Kamikaze-Geschichten mehr als 70 Jahre nach Kriegsende in Japan wiederbelebt werden, zeigt nach Ansicht von Analysten das fortgesetzte Bemühen der Japaner, mit ihrer Vergangenheit ins Reine zu kommen.

"Die Geschichte der Kamikaze ist tragisch und heldenhaft. Das Land sehnt sich nach Anerkennung", sagt Yoshio Hotta, ein Experte für die Beziehungen zwischen Japan und den USA. Ein vielbeachteter Besuch des nationalistischen Premierministers Shinzo Abe am umstrittenen Yasukuni-Schrein, wo gefallener Kriegshelden gedacht wird, verdeutlicht, wie tief das Land noch im Morast seiner problematischen Vergangenheit feststeckt.

Während Abe erklärte, er habe "nur den japanischen Kriegstoten Respekt erweisen" und sein Friedensversprechen erneuern wollen, verurteilten chinesische und koreanische Politiker die Geste. Sie werfen Japan vor, bis heute seine früheren Angriffe auf andere Staaten in Asien nicht zu bereuen.

Japan hatte in den 1930er Jahren den Norden Chinas besetzt und wird für das Nanking-Massaker 1937 verantwortlich gemacht. Japanische Soldaten werden der Vergewaltigung und Ermordung von Zivilisten sowie der Plünderungen bezichtigt. Zwischen 1910 und 1945 fiel Japan auch auf der koreanischen Halbinsel ein und herrschte dort mit brutaler Gewalt. Der Bevölkerung wurde verboten, ihre Sprache zu sprechen und ihre Kultur zu pflegen.


Zwangsarbeit und Prostitution

Während des Zweiten Weltkriegs wurden Zehntausende Koreaner von der japanischen Armee zwangsrekrutiert oder zur Arbeit in japanischen Unternehmen verpflichtet. So genannte 'Trostfrauen', zumeist junge Frauen aus Korea, der zu China gehörenden Mandschurei und aus anderen Teilen Asiens, wurden zum Sex mit japanischen Soldaten gezwungen. Die bilateralen Beziehungen Japans zu diesen Ländern werden dadurch noch heute belastet.

Abes Besuch am Yasukuni-Schrein hatte weitere negative Auswirkungen auf das Verhältnis zu China, mit dem Japan in Territorialstreitigkeiten verstrickt ist. Beide Staaten beanspruchen die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer, die von China 'Daiyou' genannt werden. Ein geplantes Treffen des südkoreanischen Staatspräsidenten Park Geun-hye und Abe, auf dem über die Trostfrauen gesprochen werden sollte, wurde im Dezember von Korea abgesagt.

Die Kamikaze-Piloten haben in der japanischen Bevölkerung noch Bewunderer. Der ehemalige Pilot Sho Horiyama besucht jedes Jahr im Mai das Museum, um seinen damaligen Kameraden seine Ehre zu erweisen. Der 91-Jährige bedauert, dass der Streit Japans mit seinen Nachbarn über den Krieg auch nach so langer Zeit noch nicht beigelegt ist.

"Als ich hörte, wie Kaiser Hirohito am 15. August 1945 die Kapitulation des Landes bekannt gab, weinte ich, weil ich nicht für mein Land gestorben war", erinnert er sich. "Warum kann Japan nicht stolz auf die Kamikaze sein, die ihr Leben geopfert haben?"

Horiyama war zum Zeitpunkt des Kriegsendes 22 Jahre alt und bereit zu sterben. Doch vor seinem Einsatz gab sich sein Land geschlagen. Der Krieg kostete mehr als einer Million Japaner einschließlich 250.000 Soldaten das Leben. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/01/suicide-pilots-said-goodbye/

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IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2014