Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → AUSLAND


ASIEN/965: Vietnam - Früherer Sicherheitsminister Tran Dai Quang neuer Präsident (Gerhard Feldbauer)


Früherer Sicherheitsminister Tran Dai Quang neuer Präsident Vietnams

Demnächst erwartet er Barak Obama zum Staatsbesuch

Von Gerhard Feldbauer, 5. April 2016


Die Wahl eines neuen Präsidenten in Vietnam kommt nicht überraschend. Da sowohl der Amtsvorgänger Truong Tan Sang als auch Premier Nguyen Tan Dung und der Vorsitzende der Nationalversammlung Nguyen Sinh Hung auf dem Kongress der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) im Januar dieses Jahres nicht wieder ins Politbüro gewählt wurden, war die Neubesetzung dieser wie demnächst auch des Premiers zu erwarten.

Ins Amt des Staatschefs wurde der 59jährige bisherige Minister für Öffentliche Sicherheit Tran Dai Quang von der Nationalversammlung mit 91,5 Prozent gewählt, die sich vorher mit Nguyen Thi Ngan erstmals für eine Frau als Vorsitzende entschied. Am kommenden Donnerstag wird der Ministerrat einen neuen Regierungschef wählen und damit das Dreigespann der Führung mit KP-Generalsekretär und Staatschef vervollständigen. Der Verzicht auf eine Personalunion von Partei- und Staats- oder Regierungschef ist seit dem Tod Ho Chi Minhs 1969 eine kollektive Tradition.

Mit dem 1954 geborenen Tran Dai Quang, der 1983 der KPV beitrat, kommt ein Vertreter der Generation, die nach dem Ende des Krieges 1975 ihre politische Laufbahn begann, an die Spitze der Sozialistischen Republik Vietnam. Vietnam-Kenner sehen die Entscheidung für den gebürtigen Nordvietnamesen aus Ninh Binh, einer Nachbarprovinz südlich von Hanoi im Delta des Roten Flusses, im Zusammenhang mit der Lage Vietnams im geostrategisch brisanten pazifisch-asiatischen Raum, wo die USA die VR China im Rahmen ihres Weltherrschaftsanspruchs zum Hauptfeind erklärt haben, eine sehr große Kriegsgefahr besteht. In ihrer Einkreisungsstrategie gegen Peking sucht Washington den Konflikt zwischen Vietnam und der VR China um die Paracel- und Spratly-Inseln auszunutzen und Hanoi auf seine Seite zu ziehen. Der 12. Parteitag der KPV hatte diese Versuche eindeutig zurückgewiesen und erklärt, Vietnam werde "seine Unabhängigkeit und seine Souveränität bewahren, um so den Frieden und die Stabilität zu gewährleisten". Quang bekräftigte nach seiner Wahl, die Beschlüsse des Parteitages als Grundlage seines Wirkens.

Dem Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Volksarmee ist, obliegt vor allem die Vertretung Vietnams auf der internationalen Ebene und gegenüber anderen Staaten. Hier sind in erster Linie die VR China, die USA, und die Mitarbeit in der Asean-Staatengruppe zu sehen. Zum sogenannten Insel-Konflikt hatte der Parteitag herausgestellt, eine Lösung müsse "geduldig und durch friedliche Maßnahmen auf der Grundlage des Völkerrechts" gesucht werden. Noch vor Ablauf der Amtszeit des jetzigen US-Präidenten wird Quang Barak Obama im Mai zum Staatsbesuch empfangen und Gelegenheit haben, den Standpunkt Hanois darzulegen. Dabei dürfte auch das heikle Thema des "Transpazifischen Partnerschaft"-Handelsabkommen (TPP) einen zentralen Gesprächsstoff bilden. Das Abkommen, ein Gegenstück zum "Transatlantischen Freihandelsabkommen" (TTIP), schreibt die vorherrschende Rolle der USA fest. Hanoi ist dem Vertrag beigetreten, um seinen Außenhandel, der 2014 148 Mrd. USD betrug, auf neue internationale Bedingungen einzustellen. Nun wird es auch hier um die Wahrung nationaler Souveränität gehen.

Zweifelsohne wird mit der Wahl Tran Dai Quangs die führende Rolle der kommunistischen Partei auf dem spezifischen Weg Vietnams zum Sozialismus, bei dem der Erneuerungsprozess Doi Moi mit der Rolle des kapitalistischen Sektors einen Eckpfeiler bildet, gestärkt. Westlichen Druck, auf das "Führungsmonopol" der Partei zu verzichten, hatte der Parteitag im Januar erneut eindeutig zurückgewiesen. Er konnte bilanzieren, dass die KPV mit 4,6 Millionen Mitgliedern von 93,5 Millionen Einwohnern (2014) unter "allen Schichten des Volkes und der Nation" fest verwurzelt ist.

*

Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang