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FRAGEN/037: Giovanna Martelli - Beunruhigt über die politische Situation in Argentinien (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Giovanna Martelli: "Ich bin beunruhigt über die politische Situation in Argentinien"

Von Olivier Turquet, 4. September 2016


Wir sprechen mit Giovanna Martelli, italienische Abgeordnete und Mitglied der ersten Stunde des Komitees zur Befreiung von Milagro Sala, über die beunruhigenden Entwicklungen der politischen und juristischen Situation in Argentinien.

Wie siehst Du die Entwicklung der Situation in Argentinien?

Ich bin besorgt und empört. Ich hatte gehofft, dass sich aufgrund internationalen Drucks sowie Stellungnahmen von zahlreichen Persönlichkeiten auch die Haltung der argentinischen Regierung ändern würde, die sie in Bezug auf soziale Aktivisten und Bewegungen sowie deren Bemühungen, eine Kultur des Respekts gegenüber Menschenrechten zu fördern, eingenommen hat.

Auf was beziehst Du Dich im Speziellen?

Nach der versuchten Inhaftierung der Präsidentin der Mütter der Plaza de Mayo, Hebe de Bonafini, der tatsächlichen Inhaftierung von 11 Mitgliedern der Bürgerbewegung Tupac Amaru und der Tatsache, dass die Regierung weiterhin auf der Inhaftierung von Milagro Sala besteht, ist nunmehr klar, dass es sich hier um den Versuch seitens der Regierung handelt, eine politische Angelegenheit auf die juristischen Ebene zu verschieben.

In jeder etablierten Demokratie ist die Judikative unabhängig und muss es auch bleiben. Die Justiz hat die Aufgabe, Gesetzesbrüche zu ahnden und zu bestrafen und in diesen Sinne müssen auch die Ermittlungen geführt werden. Die Autonomie der Justiz ist Garantie für das Gleichgewicht eines demokratischen Staates. Meine Sorge rührt daher, dass offensichtlich in Argentinien der juristische Weg dazu benutzt wird, ohne jeglichen demokratischen Dialog eine Hegemonie neoliberaler und autoritärer Politik einzuführen, wie wir es auch schon in der Vergangenheit gesehen haben. Diese Sorge wächst umso mehr, wenn wir den Blickwinkel auf die Situation in ganz Lateinamerika erweitern, ich denke da an Brasilien und Venezuela. Der Eindruck drängt sich auf, dass hier nach den Jahren der progressiven Regierungen gerade ein Akt politischer Destabilisierung im Gange ist.

Hier bei uns herrscht weiterhin Schweigen dazu ...

Ich sehe nicht die geringste Ausrede für das Schweigen der Institutionen und der Politik bezüglich dieser schweren Rückfälle in die Vergangenheit. Ich werde nach der Sommerpause eine Anfrage an die Regierung im Parlament einbringen mit den Ziel, alle Kollegen und Kolleginnen zu informieren und die italienische Regierung zu einer Stellungnahme zu diesen mutmaßlichen und schweren Menschenrechtsverletzungen zu bewegen.

Frauen scheinen das bevorzugte Ziel der repressiven Welle in Argentinien zu sein ...

Ich bin empört über diesen Angriff auf Frauen, von denen jede einzelne und jede auf ihre Weise einen signifikanten Beitrag zum sozialen und materiellen Fortschritt in diesem Land geleistet hat. Sie haben immens zur Sache der Menschenrechte beigetragen, jene Rechte, die manchmal als Vorwand dienen, um in Länder einzumarschieren und die aber ignoriert werden, wenn die Länder, die sie verletzen "befreundete Länder" sind. Wahre Freundschaft im Bezug auf eine Nation wie Argentinien ist es, ihre positiven Helden zu schätzen und nicht zu ruhen, bis die Schatten der Vergangenheit nicht mehr zurückkehren.

Als Komitee zur Befreiung von Milagro Sala haben wir um einen Termin beim argentinischen Botschafter gebeten, dem auch ich beiwohnen werde und bei dem wir unsere Bedenken darlegen werden, damit er diese der argentinischen Regierung unterbreiten kann.


Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter


Über den Autor

Olivier Turquet koordiniert die italienische Redaktion von Pressenza.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2016

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