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IRLAND/001: Die Rückeroberung Irlands (Info Nordirland/Baskenland)


Info Nordirland / Baskenland - 30. Januar 2011

Kommentar zu den Wahlen in Irland:
Die Rückeroberung Irlands

Von Uschi Grandel, 2. März 2011


Wütend waren die Iren auf ihre Regierung, die die Republik Irland dem Diktat von IWF und EU unterworfen hatte. Der großen Mehrheit der Bevölkerung werden die schweren Krisenlasten aufgebürdet. Nicht denen, die die Krise verursacht haben. Für sich selbst war die Regierung nicht einmal zu einer symbolischen Kürzung der Gehälter der TDs, der Abgeordneten des irischen Parlaments, des Dáil, bereit. Die Antwort ließ bei den Wahlen nicht auf sich warten. Die Regierungspartei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) verlor ¾ ihrer Sitze. Ihr kleiner Koalitionspartner, die Grüne Partei, ist nicht mehr im Parlament vertreten.

Die Mehrheit der 500.000 Stimmen, die Fianna Fáil verlor, wanderte zur rechtskonservativen Fine Gael (Gemeinschaft der Iren) und zur sozialdemokratischen Labour-Partei, die voraussichtlich gemeinsam die neue Regierung bilden werden. Beide Parteien hatten die alte Regierung in der turbulenten Zeit vor der Wahl wegen ihres Sparbudgets zwar scharf angegriffen, hatten ihr aber Zeit eingeräumt, eben dieses Sparbudget vor den Wahlen noch zu verabschieden. Von der neuen Regierung wird daher die alte Politik mit einigen kosmetischen Änderungen zu erwarten sein.

Die Sensation der Wahl sind die Gewinne der republikanischen Linkspartei Sinn Féin (wir allein), die ihre Sitze im irischen Parlament fast verdreifachen konnte und nun 14 TDs stellt. Sinn Féin passt als irlandweite Partei nicht in das normale Parteienraster. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Teilung Irlands zu beenden und die Machtverhältnisse im Norden und im Süden grundlegend umzukrempeln.

"Ein Teil der Rückeroberung Irlands durch seine Menschen" nannte der Sinn Féin Präsident Gerry Adams denn auch den Erfolg seiner Partei: "Wir sind in diese Wahl mit einem sehr klaren Manifest gezogen, das die zentralen republikanischen Werte betont: die Rechte der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen, sich um die Schwächsten in der Gesellschaft zu kümmern und sicherzustellen, dass die Menschen das bekommen, was ihnen zusteht. Darum geht es uns. Wir tun dies mit dem Ziel der Vereinigung Irlands. Wir sind eine irlandweite Partei."

Die Machteliten in der Republik Irland begreifen dies als Kampfansage. Die hasserfüllte Kampagne eines Teils der Medien blieb jedoch wirkungslos. Der Belfaster Journalist Brian Feeney, jahrzehntelanger Kommentator der Sinn Féin Politik, sieht nun "Sinn Féin als einen der bedeutenden Spieler auf der irischen Bühne, Süd wie Nord".

Die Sinn Féin TDs werden auf Grund ihrer Stärke im irischen Parlament vollständige Rechte besitzen, was Redezeit, das Stellen von Anträgen und die Befragung von Ministern anbelangt. Die Partei hat das Recht auf Sitze in den verschiedenen Kommissionen. Sie wird beachtliche staatliche Mittel erhalten und kann aus diesem Budget ihre Kampagnen bezahlen.

Zusammen mit zwei kleineren linken Gruppen, die ebenfalls Wahlerfolge feiern konnten, und einigen linken Unabhängigen existiert im irischen Parlament damit ein beachtlicher Oppositionsblock.

Noch wichtiger ist es für Sinn Féin, die neue Sichtbarkeit im Süden zu nutzen, um für den aktiven Einsatz der Menschen für politische Veränderung zu werben.

Martin McGuiness, der für Sinn Féin als stellvertretender First Minister in der nordirischen Regionalregierung arbeitet, eröffnete am Dienstag in Belfast die Wanderausstellung zu den 30. Jahrestagen der Hungerstreiks irisch-republikanischer Gefangener im Gefängnis Long Kesh. Zehn Gefangene starben damals im Protest gegen die unmenschliche Gefangenenpolitik der britischen Regierung. Bobby Sands begann diesen Hungerstreik am 1. März 1981. Die Ausstellung wird das ganze Jahr durch Irland ziehen und dafür werben, dass die irische Gesellschaft verändert werden muss und dass jeder und jede dazu einen aktiven Beitrag leisten kann. Im Sinne von Bobby Sands. Für die Rückeroberung Irlands.


Erstveröffentlichung: Junge Welt, 2.3.2011 (in leicht gekürzter Form)
http://www.jungewelt.de/2011/03-02/030.php
Uschi Grandel, "Die Rückeroberung Irlands"


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Quelle:
Info Nordirland / Baskenland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2011