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LATEINAMERIKA/1228: Alternde Gesellschaft vor großen Herausforderungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2011

Lateinamerika: Alternde Gesellschaft vor großen Herausforderungen

Von Marcela Valente


Buenos Aires, 14. Februar (IPS) - Lateinamerika gilt allgemein als junges Land. Tatsächlich jedoch geht der Alterungsprozess hier schneller vonstatten als in Europa. Zählte die Region im Jahr 2000 43 Millionen Menschen über 60 Jahren, werden es nach Hochrechnungen des Lateinamerikanischen und karibischen Demographiezentrums 2025 100,5 Millionen und 2050 183,7 Millionen sein.

Das Ausmaß des Alterungsprozesses lässt sich auch gut am Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung ablesen. Handelte es sich 1975 um durchschnittlich 6,5 Prozent, geht die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und Karibik (CEPAL) für 2025 von 14,8 Prozent und 2050 von 24,3 Prozent aus.

Angesichts dieser Entwicklungen hat Lateinamerika mit Unterstützung der mit 132 Staaten größten Vereinigung der Entwicklungsländer, der Gruppe 77, im November bei der UN-Vollversammlung die Bildung einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema durchgesetzt. Das von Argentinien und Brasilien vorgeschlagene Gremium soll an einem internationalen Abkommen zum Schutz der Rechte älterer Menschen arbeiten.

"Lateinamerika wird schneller alt als Europa. In nur 30 Jahren ist die Reproduktionsrate abrupt zurückgegangen und die Zahl älterer Menschen im Anstieg begriffen. Diese Entwicklung macht einen Paradigmenwechsel erforderlich", sagte Ernesto Peláez, Generalsekretär der Lateinamerikanischen Vereinigung für Bevölkerungsstudien.


Mehr Gerontologen gefragt

Peláez erinnerte daran, dass die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit einst das größte Problem in der Region gewesen sei. Auch wenn es in diesem Bereich noch einiges zu tun gebe, so gelte es sich aber auch nun den neuen Herausforderungen zu stellen: "Wir haben viele Kinderärzte, aber zu wenige Gerontologen."

Die Alterung der Bevölkerung, die vor allem in Costa Rica, Kuba und Uruguay besonders ausgeprägt ist, macht Peláez zufolge ein rasches Handeln erforderlich, um die Betreuung der ältesten Menschen in Alten- oder Pflegeheimen sicherzustellen. Auch gelte es dafür zu sorgen, dass Senioren im Alter finanziell abgesichert seien.

In vielen lateinamerikanischen Ländern fehlt es an einem Rentensystem, das ein abgesichertes Leben im Ruhestand ermöglicht. In Bolivien, Ecuador, Paraguay, Guatemala, El Salvador, Nicaragua und in der Dominikanischen Republik zum Beispiel sind ältere Menschen praktisch gezwungen, solange zu arbeiten, bis sie tot umfallen.

Die meisten lateinamerikanischen Ländern tun sich schwer damit, eine Grundabsicherung oder Grundrente zu gewährleisten. Immerhin ist es dem ehemaligen argentinischen Staatspräsidenten Néstor Kirchner nach seinem Amtseintritt 2003 gelungen, die die Zahl der Senioren mit einer kleinen Grundrente von 3,2 Millionen auf 5,6 Millionen oder auf 86,7 Prozent aller Ruheständler zu erhöhen. In Bolivien zahlt die linke Regierung von Staatschef Evo Morales den meisten älteren Menschen ein Altersgeld aus, ohne dass diese zuvor in ein Rentensystem eingezahlt haben.


Hinfälligkeit verzögern

Doch die Finanzierung des Ruhestands ist nicht das einzige Problem, mit dem die lateinamerikanischen und karibischen Länder zu kämpfen haben. Auch geht es um Möglichkeiten, ältere Menschen durch Kurse oder andere Aktivitäten möglichst lange fit zu halten und ihre gesellschaftliche Integration zu ermöglichen sowie sie vor Gewalt zu schützen.

In Uruguay hat das Institutionelle Zentrum für die Zusammenarbeit mit dem älteren Erwachsenen (CICAM) eine Anlaufstelle für Senioren eingerichtet, die rechtliche und psychologische Hilfe benötigen, etwa wenn sie von ihren Angehörigen misshandelt werden. Darüber hinaus werden hier ältere Menschen über ihre Rechte in Kenntnis gesetzt.

"In Uruguay sind wir eine halbe Million Rentner", berichtet die 84-jährige CICAM-Mitbegründerin Silvia Tron. So viele Menschen hätten durchaus politischen Einfluss. "Ich sage den politischen Entscheidungsträgern immer wieder, dass wir Wahlen entscheiden können. Und wir werden immer mehr. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere Stimme gehört wird." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.eclac.org/celade/
http://www.alapop.org/2009/index.php
http://cicam2000.blogspot.com/2009/10/que-es-cicam.html
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97519

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011