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LATEINAMERIKA/1259: Honduras - Vergessene des Grenzpakts, 12.000 Salvadorianer warten auf Hilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2011

Honduras: Die Vergessenen des Grenzpakts - 12.000 Salvadorianer warten auf Hilfe

Von Edgardo Ayala


San Salvador, 4. April (IPS) - In Honduras leben 12.000 Salvadorianer, die seit 20 Jahren vergeblich darauf warten, in Sozial- und Wirtschaftsprogramme zur Armutsbekämpfung aufgenommen zu werden. Sie, die einst auf der salvadorianischen Seite der Grenze lebten, wurden vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Beilegung eines Grenzkonflikts Honduras zugeschlagen.

"Der honduranischen Regierung sind wir egal, obwohl sie so hart um unsere Gebiete gekämpft hat", beklagt Eleutorio Gómez, Dorfvorsteher von El Zancudo in Nahuaterique, einem 162 Quadratkilometer großen Gebiet, das inzwischen zu Honduras gehört.

Insgesamt musste El Salvador 1992 zwei Drittel des 450 Quadratkilometer großen, umstrittenen Territoriums an Honduras abgeben, die heute zu den südwesthonduranischen Departements Ocotepeque, Lempira, Intibucá und La Paz gehören. Auf salvadorianischem Territorium leben 3.000 Honduraner.

In Zentralamerika kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu Grenzstreitigkeiten - kurz nach der Unabhängigkeit der Region von Spanien. Für Salvadorianer und Honduraner gipfelten die Reibereien im Juli 1969 im sogenannten 'Fußballkrieg', der in Wirklichkeit soziale und wirtschaftliche Hintergründe hatte.

Das Friedensabkommen von 1980 führte zu einem Abkommen über sieben Gebiete. Der Konflikt um die die verbliebenen sechs Regionen wurde erst zwölf Jahre später in Den Haag beigelegt. Die betroffenen Salvadorianer fühlen sich jedoch bis heute von beiden Seiten im Stich gelassen. Traditionell lebten sie vom Holzhandel. Doch unter honduranischer Regierung galten strengere Gesetze. Um ihre wichtige Einnahmenquelle beraubt, rutschten die Menschen schnell in die Armut ab.

Versuche, den Holzhandel illegal zu betreiben, führten zu Konflikten mit dem Grenzmilitär. Im Januar töteten salvadorianische Soldaten zwei Salvadorianer, die angeblich in den illegalen Holzhandel verwickelt gewesen sein sollen. Die Hintergründe für den tödlichen Zusammenstoß sind noch nicht geklärt.


Medizinisch unterversorgt

In Nahuaterique mit seinen 21 Dörfern gibt es nur drei Gesundheitsstationen. Auch steht der lokalen Bevölkerung nur ein einziger Arzt zur Verfügung. So sind viele Salvadorianer dazu übergegangen, sich in Perkín in El Salvador medizinisch behandeln zu lassen. Ein Fünftel der dortigen Klinikpatienten kommen aus Nahuaterique.

Im Bildungsbereich ist das Defizit für die 12.000 Salvadorianer in Honduras nicht ganz so gravierend. So unterrichten in Nahuaterique 40 Lehrer an 17 Schulen. Doch der miserable Zustand der Straßen, die in der Regenzeit praktisch unbefahrbar sind, ist ein weiteres Ärgernis.

Gómez führt die Vernachlässigung der salvadorianischen Gebiete darauf zurück, dass Nahuaterique kein Gemeindebezirk ist. Die honduranische Regierung helfe zwar nahe liegenden Gemeinden wie Yarula, Santa Elena, Marcala und Cabañas in der Provinz La Paz, aber nicht den Menschen in Nahuaterique, kritisiert er.

Auch Gerardo Alegría vom salvadorianischen Büro des Menschenrechtsombudsmanns ist der Meinung, dass Honduras nicht genug für die Salvadorianer getan hat. Viele von ihnen besitzen nicht die honduranische Staatsbürgerschaft und dürfen nicht wählen. Das erklärt seiner Meinung nach das Desinteresse der Behörden.

Der Sturz des honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya im Juni 2009 brachte den Salvadorianern weitere Nachteile. Sie wurden als Gegner des Putsches von innen unter Führung von Roberto Micheletti wahrgenommen. "Nach dem Coup nahmen Feindlichkeit und der Widerstand, die Menschen in die Hilfsprogramme aufzunehmen, zu.


Schleppende Nationalisierung

Nach Ansicht von Alegría ist auch von der seit Juni 2009 amtierenden Regierung des linken Staatspräsidenten Mauricio Funes nicht viel für die ehemaligen Bürger jenseits der Grenze zu erwarten. Dabei hatten beide Länder 1998 die Übereinkunft über Nationalität und erworbene Rechte ratifiziert, die die rechtlichen Probleme aus dem Haager Urteil wie den Anspruch auf Landrechte und Staatsangehörigkeit von Salvadorianern und Honduranern lösen sollte. Honduras musste die Verfassung ändern, um den Salvadorianern die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

In den 1990er Jahren hatte sich die Bevölkerung in der Region geweigert, die honduranische Nationalität anzunehmen. Inzwischen jedoch wissen sie, dass die doppelte Nationalität Vorteile mit sich bringt. Und so geht vielen der Nationalisierungsprozess viel zu langsam vonstatten. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2011