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LATEINAMERIKA/1391: Kolumbien - Chávez und die Friedensgespräche, entscheidende Impulse aus Venezuela (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013

Kolumbien:
Chávez und die Friedensgespräche - Entscheidende Impulse aus Venezuela

Von Constanza Vieira



Bogotá, 11. Januar (IPS) - Kolumbien durchlebt seit mehr als 50 Jahren einen Bürgerkrieg, der von ausländischen Geberstaaten gern als 'vergessene Krise' bezeichnet wird. Hugo Chávez, der Präsident des Nachbarlandes Venezuela, ist offenbar fest entschlossen, den Konflikt zu beenden, auch um die Stabilität des von linken Regierungen dominierten Subkontinents nicht zu gefährden.

"Chávez ist fest entschlossen, den Krieg politisch zu lösen und unserem Land den Frieden zu bringen", meinte ein Insider, der sich aus Sicherheitsgründen Anonymität ausbat. "Chávez hat verstanden, dass dieser interne Konflikt dem Land enorm schadet und sich darüber hinaus destabilisierend auf die gesamt Region auswirkt."

Die kolumbianische Regierung und informierte Kreise haben aus der besonderen Rolle, die Chávez bei den derzeitigen Friedensbemühungen spielt, nie ein Geheimnis gemacht. Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos soll seinem venezolanischen Amtskollegen im August 2010 den Wunsch vorgetragen haben, mit den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) die Möglichkeiten für ein Friedensabkommen zu eruieren. Inzwischen verhandelt die Regierung in Bogotá nicht nur mit der FARC, sondern der anonymen Quelle zufolge auch mit der kleineren Guerillabewegung Nationale Befreiungsarmee (ELN). Beide hatten sich 1964 erhoben.


Alle FARC-Führer dialogbereit

Wie der Insider betonte, soll es Chávez gewesen sein, der die FARC dazu animiert hatte, das Verhandlungsangebot von Santos anzunehmen. Tatkräftige Unterstützung sei von seinem kubanischen Amtskollegen gekommen. Die FARC-Führer seien von dem Verhandlungsangebot völlig überrascht gewesen, hätten sich aber trotz einiger Bedenken einstimmig für die Annahme des Angebots entschieden. Chávez hat die Konfliktparteien nicht nur zusammengebracht, sondern fungiert auch als Faszilitator der Friedensgespräche.

Die erste Kontaktaufnahme erfolgte in Catatumbo, einer kolumbianischen Ortschaft nahe der venezolanischen Grenze, wie Mauricio Jaramillo berichtete, einer der FARC-Chefs, der mit richtigem Namen Jaime Alberto Parra heißt und an den ersten Sondierungsgesprächen zwischen Regierung und Rebellen teilgenommen hatte. Jaramillo kommandiert den 'Östlichen Block', der im riesigen Zwei-Länder-Tal des Orinoco-Flusses operiert.

Wie Jaramillo in einer Mitteilung vom 9. Januar erläutert hat, fand der Dialog vor der offiziellen Aufnahme der Gespräche statt. "Der Prozess wäre fast an der Schwierigkeit gescheitert, einen geeigneten Verhandlungsort zu finden."

Kolumbiens Präsident Santos seinerseits hatte sich der Guerilla genähert, ohne das Militär des südamerikanischen Landes vorab zu informieren. Das schreibt zumindest sein Bruder, der Journalist Enrique Santos, in einem Beitrag vom 29. Dezember für die Zeitung 'El Espectador' in Bogotá.

Den Vorschlag der FARC, die Sondierungsgespräche in Kolumbien zu führen, hatte Santos zurückgewiesen. Auch Venezuela wurde als Tagungsort ausgeschlossen und stattdessen die kubanische Hauptstadt Havanna ausgewählt. Man habe sich am Ende aus Sicherheitsgründen für Kuba entschieden, so Enrique Santos. Auch habe Havanna zugesagt, die Gespräche vertraulich zu behandeln.

Der im August aufgenommene Sondierungsdialog ging im Oktober in Oslo in offizielle Friedensverhandlungen über, die seit Dezember in Kuba weitergeführt werden. Allerdings kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Allein die Klärung der Frage der Transportroute für Jaramillo von Kolumbien über Venezuela nach Havanna nahm fast ein Jahr in Anspruch - so groß ist das gegenseitige Misstrauen der beiden Verhandlungspartner.

Jaramillo zufolge hatte die Regierung zunächst darauf bestanden, dass der Rebellenchef bis zur Grenzstadt Cúcuta drei Viertel der Reise auf dem Landweg zurücklegen sollte. Als Begründung hieß es, dass ein Transport mit dem Flugzeug gegen die Anti-Drogen-Abkommen mit den USA verstieße. Auch hier sorgte Chávez für die Lösung des Problems, indem er für die Logistik sorgte, mit deren Hilfe Jaramillo und später andere Rebellen nach Havanna ausgeflogen wurden.


Schwierige Verhandlungen

Der Annäherungskurs ist durch zahlreiche Hochs und Tiefs gekennzeichnet. Den bisherigen Tiefpunkt erreichten die Verhandlungen, als die kolumbianische Armee bei einem Militäreinsatz im November 2011 den damaligen FARC-Chefkommandanten tötete.

Dem Rebellenchef Jaramillo zufolge hat der krebskranke Präsident Chávez "die Freundlichkeit besessen, in einigen kritischen Momenten sogar vom Krankenbett aus zu intervenieren, und die Reibereien auf diese Weise kleingehalten". Die Verhandlungen werden derweil hinter verschlossenen Türen fortgesetzt. Da sich Santos nicht auf einen Waffenstillstand eingelassen hat, geht auch der Bürgerkrieg in dem südamerikanischen Land weiter. Die FARC hingegen hatte sich im November zur Einhaltung einer einseitigen Feuerpause bereit erklärt, die am 20. Januar ausläuft.

Einen Tag zuvor hatten das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und die Nationale Universität Kolumbiens den Friedensunterhändlern in Havanna die Vorschläge der Zivilgesellschaft für die Lösung des wohl größten Bürgerkriegsproblems vorgelegt: die ungleiche Landverteilung. In elf Bänden werden 546 Vorschläge von 522 Bauernverbänden und Unternehmern aufgeführt, die sich auf Drängen der Verhandlungspartner zu einem Agrarforum Ende Dezember in Bogotá eingefunden hatten. (Ende/IPS/kb/2013)

Link:
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102221

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2013