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LATEINAMERIKA/1401: Kuba - Nach Chávez' Tod, die Castros verlieren wichtigen Verbündeten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. März 2013

Kuba: Nach Chávez' Tod - Die Castros verlieren wichtigen Verbündeten

von Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Chávez und Castro in Havanna 2006
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 8. März (IPS) - Kein Präsident hat Kuba häufiger besucht als Venezuelas Staatschef Hugo Chávez. Seit er am 5. März verstarb, hängen in Kuba die Flaggen auf Halbmast. Sein Freund und politischer Mentor Fidel Castro hat den 28 Jahre jüngeren Chávez überlebt.

Die engen wirtschaftlichen Bindungen zwischen den Ländern gehen auf das Jahr 2000 zurück. Am 30. Oktober unterzeichneten die beiden damaligen Staatschefs eine Vereinbarung, die Kuba den Zugang zu venezolanischem Öl erleichterte. Auch andere karibische Länder profitieren von der Vereinbarung zur 'Caracas-Energiekooperation'.

"Wir trauern über den Verlust eines der größten lateinamerikanischen Präsidenten und eines sehr engen Freundes unseres Landes", sagte der Essayist und Forscher Carlos Alzugaray gegenüber IPS. Neben persönlichen und politischen habe es auch soziale Verbindungen zwischen den beiden Staaten gegeben.

Sorgen machen sich nun viele Kubaner über die Auswirkungen von Chávez' Tod auf die kubanische Wirtschaft. Manche sorgen sich auch um Castros Gesundheit. "Wie traurig, ich frage mich, wie Fidel die Nachricht aufnimmt", sagte eine Frau am 6. März auf der Straße, die gerade die aktuelle Ausgabe der staatlichen Zeitung 'Granma' gekauft hatte. Die hatte Chávez sechs ihrer acht Seiten gewidmet.

Der venezolanische Präsident hatte neue partizipative Prozesse vorangetrieben. "Im Gegensatz zur Aggressivität, durch die sich die venezolanische Bourgeoisie auszeichnet, hat sich Chávez immer dadurch hervorgetan, dass er auf Dialog setzte und die Demokratie in seinem Land zu stärken versuchte", sagte Reina Fleitas, Professorin für Soziologie an der Universität von Havanna.


Venezuela ersetzte Sowjetunion

Doch in den Augen einiger Beobachter beruht die Freundschaft zu Venezuela lediglich darauf, dass Kuba durch den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 einen wichtigen Verbündeten und Wirtschaftsförderer verloren hat. Vor allem sind damit auch die Ölimporte zurückgegangen. Nun hat das ölreiche Venezuela die Position der Sowjetunion eingenommen und gilt heute als das Rückgrat der kubanischen Wirtschaft. Pro Tag liefert Venezuela 90.000 bis 100.000 Barrel Öl auf die Karibikinsel. Im Gegenzug hat Kuba rund 50.000 Gesundheitsexperten sowie Bildungs-, Kommunikations- und Militärexperten nach Venezuela entsandt.

Venezuela ist Kubas Haupthandelspartner, und das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern ist auf drei Milliarden US-Dollar pro Jahr angewachsen. Neben dem Ölgeschäft arbeiten die Länder in rund 100 Kooperationsprojekten in unterschiedlichen Sektoren zusammen, die zusammen 1,3 Milliarden US-Dollar an Wirtschaftsvolumen ausmachen.

Alzugaray zufolge ist ein Großteil der Kooperationen so weit institutionalisiert, dass sie auch über den Tod Chávez' hinaus reichen. Auch geht er davon aus, dass die Chávez-Getreuen an der Regierung bleiben und die Politik des einstigen Präsidenten weiterverfolgen werden.

"Unter seiner Regierung haben sich die progressiven linksgerichteten Kräfte zu einer Massenbewegung zusammengeschlossen. Daher ist es nicht leicht für die Opposition, die Macht nun an sich zu bringen", meint Alzugaray. "Und wenn es soweit sein sollte, dann ist sie bestimmt nicht so unverantwortlich, die kubanisch-venezolanischen Beziehungen zu zerstören."


Neuwahlen innerhalb von 30 Tagen

Tatsächlich werden sich die Auswirkungen von Chávez' Tod erst nach den Neuwahlen zeigen. Die müssen innerhalb von 30 Tagen einberufen werden. Zunächst ist der Chávez-Vertraute Nicolás Maduro als Übergangspräsident eingesetzt.

Castro und Chávez kannten sich seit rund zwanzig Jahren. Als Anführer der 'Revolutionären Bolivarischen Bewegung 200' besuchte Chávez im Dezember 1994 die kubanische Hauptstadt Havanna auf Einladung des Historikers Eusebio Leal. Bereits am Flughafen wurde er vom damaligen Präsidenten Castro in Empfang genommen und umarmt.

Als 2006 die ersten Gerüchte über Chávez' Krankheit bekannt wurden, gab es auch immer mehr Berichte über Reisen nach Kuba, unter anderem, um sich dort behandeln zu lassen. In der Zeit festigten sich die Bindungen zu Castro. Auf einer Reise im Jahr 2007 sagte Chávez gar: "Genau genommen sind wir eine einzige Regierung." (Ende/IPS/jt/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/03/cuba-loses-an-essential-friend/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2013