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LATEINAMERIKA/1410: Venezuela - Die Rückkehr der Lärmdemos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. April 2013

Venezuela: Die Rückkehr der Lärmdemos

von Humberto Márquez



Caracas, 17. April (IPS) - Laut schlugen die Demonstranten in der Nacht vom 15. April auf ihre Kochtöpfe und Pfannen ein. Nach den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am selben Tag gingen die Menschen auf die Straßen, um eine erneute Auszählung der Stimmen einzufordern. Sieben Menschen sind der Generalstaatsanwaltschaft zufolge während der Unruhen gestorben und 61 wurden verletzt.

Der sogenannte 'Cacerolazo' - Lärmdemos mit Kochtöpfen und -löffeln - ist auf die Straßen des südamerikanischen Landes zurückgekehrt, dessen Präsident Hugo Chávez von der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) vor kurzem gestorben war. Den Lärm hörte man vor allem in den Bezirken der Mittelschicht in den größeren Städten des Landes. Aber auch auf öffentlichen Plätzen und in kleinen Orten - traditionellen Wahlbezirken der PSUV - verschafften sich die Menschen auf diese Weise Gehör.

Auch am Tag darauf hielten die Proteste in mehreren Städten im Innern des Landes an. Demonstriert wurde vor allem vor den Wahlbüros, die von Soldaten der Nationalgarde bewacht werden.

"Wir haben es satt, dass uns immer wieder neue Lügen aufgetischt werden. Wenn sich die Regierung sicher ist, dass sie gewonnen hat, dann kann sie ja nichts dagegen haben, die Stimmen neu auszählen zu lassen", meinte die Lehrerin Olga Hernández gegenüber IPS, während sie weiter auf einen leeren Topf einschlug. Die 41-Jährige lebt im Bezirk El Valle im Südwesten der venezolanischen Hauptstadt Caracas.


Ausdruckstarke Proteste

Der Cacerolazo ist ein populäres Protestmittel in Lateinamerika. In Venezuela gehen die Menschen seit 1992 mit Töpfen und Pfannen auf die Straße. Während der politischen Krise von 2002 bis 2004 hörte man die Lärmdemos sehr häufig im ganzen Land. Damals versuchte die Opposition vergeblich, Chávez mit Straßenbarrikaden, Streiks und schließlich einem fehlgeschlagenen Staatsstreich von seinem Stuhl zu fegen.

Am 15. April hatte vor allem Henrique Capriles zu den Demonstrationen aufgerufen. Der Oppositionskandidat unterlag dem Kandidaten der PSUV, Nicolás Maduro, um keine zwei Prozent der Stimmen. Der Nationale Wahlrat rief Maduro zum Wahlsieger aus. Mit 7.563.747 der Stimmen kam er auf einen Anteil von 50,75 Prozent, während es Capriles auf 7.298.491 beziehungsweise 48,97 Prozent der Stimmen brachte. Die rund 60.000 Wählerstimmen von Venezolanern, die im Ausland wohnen, wurden bisher nicht berücksichtigt.

In Venezuela wird mithilfe von Wahlmaschinen gewählt. Jeder Wähler erhält eine automatische Bestätigung seiner Stimmabgabe. Diese Bestätigung wird im Wahlbüro abgegeben, sodass am Ende die Stimmen ausgezählt werden können.

Das System schützt jedoch nicht vor Wahlbetrug. So erklärte Capriles, von 3.200 dokumentierten Fällen von Unregelmäßigkeiten erfahren zu haben. Der Oppositionskandidat fordert nun, dass die Eingaben in den Wahlmaschinen neu ausgezählt werden sollen. Wahlsieger Maduro unterstützte Capriles in seiner Forderung, die jedoch vom Wahlrat bisher ignoriert wird - angeblich, weil bisher keine formelle Forderung nach Neuauszählung eingegangen sei.


Schuldzuweisungen

"Jeder weiß, wer für die Gewalt verantwortlich ist", sagte Maduro als Reaktion auf die Ausschreitungen bei den Demonstrationen im Nachgang der Wahlen. "Es geht einzig darum, nach dem Vorbild von Syrien und Libyen im ganzen Land Hunderte von Gewaltzellen zu entzünden. Wir aber lehnen den Hass ab und wollen nichts weiter als Frieden." Capriles machte seinerseits Maduro für die Gewalt verantwortlich: "Das alles dient nur dazu, die Stimmen nicht neu auszählen zu müssen. Wir haben lediglich dazu aufgerufen, friedlich zu demonstrieren. Wir sind Gegner von Gewalt."

Eine für den 17. April geplante Demonstration wurde von der Regierung Maduros verboten. An die Adresse der Opposition gerichtet, erklärte er: "Ihr werdet nicht ins Stadtzentrum von Caracas marschieren, um die Straßen mit Blut zu tränken." Wer ihn stürzen wolle, solle dies nur versuchen. "Hinter mir steht ein ganzes Volk und eine bewaffnete Armee." (Ende/IPS/jt/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2013