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LATEINAMERIKA/1504: UN-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte weitgehend ignoriert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2015

Lateinamerika: UN-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte weitgehend ignoriert

von Emilio Godoy



Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Acción Solidaria

Proteste von Anrainern des Staudamms 'El Zapotillo' im westmexikanischen Bundesstaat Mexiko
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Acción Solidaria

Mexiko-Stadt, 24. März (IPS) - Taurino Rincón ist aktives Mitglied des Indigenenrates für den Schutz des Territoriums von Zacualpan im Bezirk Comala im Westen Mexikos. Er und der Rat wehren sich gegen ein Bergbauprojekt des mexikanischen Bergbauunternehmens 'Gabfer SA de CV'. "Wir fordern die Rücknahme der Konzession. Wir werden unser Recht auf Leben, Wasser und Natur verteidigen", versichert der ethnische Nahua.

Gabfer hat die Genehmigung erhalten, auf einer 100 Hektar großen Fläche Gold, Kupfer, Silber und Mangan auszubeuten. Während die Unternehmensvertreter - ohne Vorlage einer Umweltverträglichkeitsstudie - versichern, dass die lokalen Gewässer nicht zu Schaden kommen würden, fürchtet Rincón, dass das Minenprojekt die Trinkwasserversorgung der 4.000 Indigenen der Ortschaft gefährde.

Der Fall ist ein Beispiel für die vielen Konflikte zwischen Konzernen und den betroffenen Gemeinschaften in Lateinamerika, die die vom UN-Menschenrechtsrat angenommenen UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte eigentlich verhindern sollen.

Die insgesamt 41 Leitprinzipien basieren auf drei Säulen: der staatlichen Verpflichtung, die eigenen Bürger vor den Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen zu schützen, der Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen und dem Zugang zu Beschwerdemechanismen, rechtlichem Schutz der Betroffenen und Abhilfe, sollte es zu Menschenrechtsverstößen von Unternehmen kommen.


Viele Konflikte in der Region

Die Prinzipien sind zwar unverbindlich, stellen aber immerhin die erste Initiative für menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen dar. In lateinamerikanischen Ländern geht die Umsetzung trotz zahlreich vorhandener Konflikte jedoch nur äußerst zögerlich vonstatten.

Der Globale Atlas für Umweltgerechtigkeit, der vom Wissenschafts- und Technologieinstitut der Autonomen Universität Barcelona (UAB) koordiniert wird, hat 99 Umweltkonflikte in Kolumbien, 64 in Brasilien, 49 in Ecuador, 36 in Argentinien, 35 in Chile, 33 in Peru und 32 in Mexiko identifiziert, die vorwiegend mit Minenprojekten, der Erdöl- und Erdgasförderung, der Abfallbeseitigung, Wasserverwaltung, dem Zugang zu Land und infrastruktureller Entwicklung in Verbindung stehen.

Dem Menschenrechtsrat zufolge haben in den letzten beiden Jahren Argentinien, Chile, Guatemala, Kolumbien und Mexiko Bereitschaft signalisiert, die Prinzipien umzusetzen. Doch das Versprechen wurde von keinem dieser Staaten eingelöst.

In Chile hat die Zahl der Konflikte, die mit Bergbau, industrieller Lachszucht, Baumplantagen und anderen Bereichen zusammenhängen, zugenommen. Die Regierung arbeitet derzeit an einem Plan, der eine Bewertung der Situation ermöglichen sowie Lücken und gute Beispiele identifizieren soll. Dies hatte die chilenische Regierungsdelegation auf dem dritten UN-Forum für Unternehmen und Menschenrechte in Genf im vergangenen Dezember verlauten lassen.

Der Plan sieht eine Entschädigung der Opfer von Unternehmen vor. Vor allem soll er auf besonders verletzliche Gruppen, Arbeitsrechtsforderungen und Umweltschutzaktivitäten sowie Anti-Korruptionsmaßnahmen abheben, wie von der Delegation zu erfahren war. Doch José Aylwin von der chilenischen NGO 'Bürgerliche Beobachtungsstelle' zufolge kommt der Plan nur sehr langsam voran.

"Bisher hat lediglich Kolumbien konkrete Schritte in diese Richtung unternommen", erklärte er. Chile begnügt sich lediglich mit Zusicherungen und hat noch nicht einmal mit öffentlichen Anhörungen geschweige denn der Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Organisationen und der indigenen Völker in das Projekt begonnen", monierte er.


Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Eine halbfertige Anlage des US-Biotechnologiekonzerns Monsanto, die durch Proteste von Bürgern der argentinischen Ortschaft Malvinas Argentinas auf Eis gelegt wurde
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Für Aktivisten geben die fortgesetzten Menschenrechtsverstöße von Unternehmen und die damit einhergehende Straffreiheit Anlass zu großer Sorge. In Lateinamerika sei eine immer weiter um sich greifende Straflosigkeit zu beobachten, betonte auch Amanda Romero vom 'Business & Human Rights Resource Centre' mit Sitz in London.

Als Beispiel führt sie ihr Heimatland Kolumbien an, wo die Konflikte aufgrund von Minen- und Infrastrukturprojekten immer weiter zunehmen. "Wir beobachten dort Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit Protesten der Anrainerbevölkerung, die sich diesen Projekten widersetzt."

Und dies geschieht trotz der Tatsache, dass das Land bereits Mechanismen eingeführt hat, um Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhindern. Auch hat die Regierung im Juli 2014 eigene Richtlinien eingeführt, die sich mit Risikomanagement, Transparenz und den Beziehungen zu den Gemeinden, mit Arbeits- und Umweltfragen sowie Sicherheit, Verbraucherrechten und Landeigentum beschäftigen.

Auf der 26. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates im Juni 2014 war eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die ein verbindliches Abkommen entwerfen soll, das die vormals unverbindlichen Prinzipien mit einschließt. Lateinamerikanische Staaten, die diese Initiative unterstützen, sind unter anderem Bolivien, Ecuador, Kuba und Venezuela. Zu den Gegnern gehören vor allem Kolumbien, Mexiko und Peru.


Kontrollstelle gefordert

Der Ernst der Lage hat etliche lateinamerikanische Organisationen veranlasst, über die Einrichtung einer Kontrollstelle nachzudenken. So ist Romero der Meinung, dass die Leitprinzipien überall in der Region in nationales Recht überführt werden sollten.

Aylwin wiederum vertritt die Meinung, dass Staaten unverzüglich politische und rechtliche Maßnahmen ergreifen sollten, um sicherzustellen, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden. (Ende/IPS/kb/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/03/empresas-latinoamericanas-estan-lejos-de-los-principios-de-ddhh/
http://www.ipsnews.net/2015/03/lip-service-but-little-action-on-u-n-business-and-human-rights-principles-in-latin-america/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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