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NAHOST/1031: Experten begrüßen Beitrittsgesuche der Palästinenser in internationale Abkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. April 2014

Nahost: Experten begrüßen Beitrittsgesuche der Palästinenser in internationale Menschenrechtsabkommen

von Thalif Deen


Bild: © Mark Garten/UN

Rijad H. Mansur, ständiger Beobachter des Staates Palästina bei den Vereinten Nationen
Bild: © Mark Garten/UN

New York, 8. April (IPS) - Als sich der Palästinenserführer Mahmud Abbas dazu entschloss, die USA und Israel wegen der gescheiterten Friedensgespräche zu provozieren, ließ er die Vereinten Nationen wissen, dass er die Aufnahme in 15 internationale Abkommen beantragen werde.

Seine Trumpfkarte, die Israel und USA am meisten fürchten, hat er bisher jedoch noch nicht ausgespielt: nämlich das Ansinnen, Vertragsstaat des Rom-Statuts zu werden, das zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) führte. Das Tribunal, das für die Ahndung von Kriegsverbrechen und Völkermord zuständig ist, könnte sich in einem solchen Fall Israel vornehmen.

Darryl Li, Wissenschaftler an der Columbia University, bezeichnete gegenüber IPS den Vorstoß der Palästinenser als schlau. Die ICC-Karte sei ein gutes Druckmittel für eine Fortsetzung der Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien.

Die Vereinten Nationen haben derweil den Erhalt von 13 der 15 angekündigten Anträge auf Mitgliedschaft in internationalen Konventionen und Verträgen erhalten. Bei der Mehrheit handelt es sich um Menschenrechtsabkommen und Zusatzvereinbarungen.


Zweierlei Maß

In einem Blogbeitrag für das 'Middle East Research and Information Project' (MERIP) hob Li auf die doppelten Standards im Umgang mit Israel und Palästina ab. "Einerseits verlangt Israel, dass Washington den verurteilten Spion Jonathan Pollard freilässt, andererseits wird den Palästinensern übel genommen, dass sie sich zur Einhaltung von Menschenrechten und Kriegsrecht verpflichten wollen."

Wie Joe Stork, stellvertretender Direktor der Nahostabteilung von 'Human Rights Watch' (HRW), erklärte, sei es bestürzend, dass die US-Regierung, die sich bekanntermaßen dagegen stemme, dass Israel wegen seiner Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werde, sich nun sogar querlege, weil sich die palästinensischen Behörden zu einer Einhaltung der Menschenrechte verpflichten wollten. Seiner Meinung sollte Washington Druck sowohl auf die Palästinenser als auch auf Israelis ausüben, damit sie sich an internationale Menschenrechtsstandards halten.

In einer Mitteilung vom 7. April erklärte HRW, dass die Annahme der Menschenrechts- und Kriegsrechtsabkommen durch Palästina nichts an den von Israel eingegangenen internationalen Verpflichtungen ändere. Die US-Regierung wurde aufgefordert, die palästinensischen Beitrittsbemühungen zu unterstützen.

Nach Aussagen von HRW hatte die US-Botschafterin bei den UN, Samantha Power, kürzlich vor dem US-Kongress erklärt, dass es in Reaktion auf den neuen palästinensischen Vorstoß eine heilige Pflicht der USA sei, ihren Beistand für Israel auf "unsere strikte Ablehnung jedweder unilateraler (palästinensischer) Aktivitäten auf internationaler Ebene" auszuweiten.

Sie erklärte ferner, dass Washington entschieden gegen einen ICC-Beitritt Palästinas sei, weil dies eine große Gefahr für Israel darstelle und sich verheerend auf den Friedensprozess auswirken könne.

HRW zufolge würde eine Ratifizierung der Haager Landkriegsordnung oder der Genfer Konventionen durch die Palästinenser zunächst dazu führen, dass sich die Regierungen im Westjordanland und im Gazastreifen stärker als bisher in der Pflicht sähen, sich an internationale Regeln zu halten, die in bewaffneten Konflikten Geltung haben.

Bewaffnete Gruppen im Gazastreifen, die außerhalb jeder Rechtstaatlichkeit oder Kontrolle der palästinensischen Führung operierten, begingen Kriegsverbrechen, indem sie wahllos Raketen auf von Israel bewohnte Gegenden werfen.

Nach Ansicht von HRW ist die Regierung in Washington gegen einen Beitritt Palästinas zu den Menschenrechtsverträgen, weil sie offenbar fürchtet, dass die Palästinenser sich dadurch eine breitere internationale Unterstützung für ihre Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung sichern könnten.

Li zufolge lässt die Auswahl der Abkommen, die Abbas unterzeichnet hat, eher darauf schließen, dass es dem Palästinenserführer nicht um einen kompromisslosen Konfrontationskurs gegangen sein dürfte. So habe er eben nicht das Rom-Statut des ICC unterzeichnet, wodurch israelische Regierungsvertreter der Gefahr ausgesetzt werden könnten, wegen Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich verfolgt zu werden.

Auch habe Abbas darauf verzichtet, sich um die Mitgliedschaft in UN-Sonderorganisationen wie der Weltgesundheits- und der Landwirtschaftsorganisation zu bewerben. Ein solcher Schritt hätte automatisch die Anwendung von US-Gesetzen zur Kürzung der US-Beitragszahlungen für die betroffene Organisation geführt, wie dies bereits nach dem Beitritt Palästinas der Weltkulturorganisation UNESCO der Fall gewesen war.


Lob von der Gruppe der Älteren

Inzwischen haben 'Die Älteren', eine Gruppe aus ehemaligen politischen Entscheidungsträgern aus aller Welt, in einer Mitteilung am 7. April erklärt, dass der Schritt der Palästinenser konform gehe mit dem Status des UN-Beobachterstaates, den Palästina im November 2012 erhalten hat.

Gro Harlem Brundtland, die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin und Vizevorsitzende der Gruppe Die Älteren, erklärte dazu: "Wir begrüßen die Entscheidung von Präsident Abbas, die Genfer Konventionen und andere wichtige Menschenrechtsabkommen zu unterzeichnen." Der Vorstoß sei ein Schritt in die richtige Richtung, um die Regierungen in Westjordanland und im Gazastreifen zu mehr Inklusion und Verantwortlichkeit zu verpflichten. Er habe das Potenzial, den Respekt gegenüber den Menschenrechten zu stärken und normale Palästinenser mit den rechtlichen Instrumenten zum Schutz vor Diskriminierungen und Übergriffen durch ihre eigene Regierung auszustatten.

Nach Ansicht des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter, ebenfalls ein Mitglied der Gruppe, sollte die Entscheidung der Palästinenser, ihr Recht wahrzunehmen, internationalen Organisationen beizutreten, keineswegs als Angriff auf die Friedensgespräche verstanden werden. "Ich hoffe, dass sie im Gegenteil dazu beiträgt, die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Israelis und Palästinensern vor Ablauf der von (US-Außenminister John) Kerry gesetzten Frist am 29. April auszugleichen."

Mehr denn je müssten beide Seiten die notwendigen Kompromisse eingehen, um einen dauerhaften Frieden zwischen zwei Staaten, Israel und Palästina, zu erreichen, erklärte er. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/04/criminal-court-u-s-israeli-red-line-palestinians/

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IPS-Tagesdienst vom 8. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2014