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NAHOST/536: Israel zielt auf Menschenrechtsgruppen (Tlaxcala)


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Israel zielt auf Menschenrechtsgruppen

Von Jonathan COOK, 6. August 2009
Übersetzt von Ellen Rohlfs. Lektoriert von Fausto Giudice


Um den Fluss schädlicher Beweise für Kriegsverbrechen aufzuhalten, die während Israels Winterangriff im Gazastreifen begangen wurden, hat die israelische Regierung eine Kampagne begonnen, um Menschenrechtsgruppen an die Kandare zu nehmen - in Israel genau so wie im Ausland.

Es hat damit begonnen, eine der führendsten Menschenrechtsorganisationen zur Zielscheibe zu machen, die in den USA ihren Sitz hat, Human Rights Watch (HRW), aber auch eine lokale Gruppe von regimekritischen Armeeveteranen. Breaking the Silence, die letzten Monat die Zeugenaussagen von 26 Kampfsoldaten veröffentlichte, die im Gazakrieg dabei waren.

Nach israelischen Medien plant die Regierung zusätzlich eine aggressivere Haltung gegenüber Menschenrechtsgruppen einzunehmen, die Palästinensern helfen.

Funktionäre haben die Geldquellen hinterfragt, die die Organisationen erhalten und drohen mit einem Gesetz, um die Unterstützung ausländischer Regierungen, besonders von europäischen zu unterbinden.

Breaking the Silence und andere israelische Aktivisten reagierten mit Anklagen gegen die Regierung, sie würde sie mit einer Hexenjagd einschüchtern und die Hilfsgelder verweigern, die sie dringend für ihre Untersuchungen benötigen.

"Dies ist ein sehr gefährlicher Schritt," sagte Mikhael Mannekin, einer der Direktoren von Breaking the Silence, "Israel bewegt sich in eine sehr undemokratische Richtung."

Wie berichtet wird, scheint die Kampagne vom extrem-rechten Außenminister Lieberman auszugehen, der im Augenblick wegen Korruption angeklagt wird und der den Rückhalt von Ministerpräsident Netanyahu hat.

Anfang Juli benützte Lieberman eine Pressekonferenz dazu, um Nichtgewinnorientierte Organisationen oder NGOs anzuklagen, sie würden Diplomaten ersetzen und die Agendas der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf Israel bestimmen. Er drohte auch mit Reformen, um den Einfluss solcher Gruppen in Schranken zu halten.

Eine Woche später schaltete sich das Büro von Netanyahu gegen HRW ein und kritisierte heftig seine kürzlichen Aktivitäten um Spendengelder in Saudi-Arabien.

HRW wies darauf hin, dass es nur private Spenden akzeptiert und keine Gelder der Saudi-Regierung. Aber israelische Offizielle sagen, alles Saudi-Geld sei schmutzig und wird HRWs Unparteilichkeit als Menschenrechts-Aufpasser bei seiner Behandlung von Israel gefährden.

Eine Menschenrechtsorganisation, die in Saudi-Arabien Geld sammelt, sei wie eine Frauenrechtsgruppe, die die Taliban um eine Spende bittet, sagte Mark Regev, ein Regierungssprecher zur rechten israelischen Tageszeitung Jerusalem Post.

HRW hat kürzlich Berichte veröffentlicht, in denen behauptet wird, dass die israelische Armee im Gazastreifen Kriegsverbrechen begangen hat, einschließlich der Anwendung von weißem Phosphor und gezielten Angriffen gegen Zivilisten.

HRW sieht sich nun vereintem Druck von Seiten der Israel-Lobby-Gruppe und führenden jüdischen Journalisten in den US gegenüber, seine Verbindungen zu Spendern in Saudi-Arabien zu trennen. Nach israelischen Medien haben einige jüdische Spender in den USA vorgeschrieben, ihr Geld sei nicht für Untersuchungen über Menschenrechte in Israel bestimmt.

Inzwischen übt Israels Außenministerium Druck auf EU-Regierungen aus, viele israelische Menschenrechtsgruppen finanziell nicht mehr zu unterstützen.

Als Vorspiel für ein rigoroses Vorgehen, hat es Instruktionen veröffentlicht, um ihre Gastgeberregierungen darüber zu befragen, ob ihre Botschaften im Ausland solche Aktivitäten finanziell unterstützen.

Letzte Woche beklagte sich das Außenministerium bei britischen, holländischen und spanischen Diplomaten, dass sie Breaking the Silence unterstützt hätten.

Die von Soldaten gesammelten Zeugenaussagen unterstellen der israelischen Armee, viele Kriegsverbrechen im Gazastreifen begangen zu haben, einschließlich Palästinenser als menschliche Schutzschilde benützt und über zivilen Gegenden Granaten mit weißem Phosphor abgefeuert zu haben. Ein Soldat nannte die militärische Anwendung von Feuerkraft "wahnsinnig".

Die holländische Regierung zahlte fast 20 000 Euros an die Gruppe, um ihren Gaza-Bericht zusammenzustellen, während England ihre Arbeit im letzten Jahr mit 40 000 EUR unterstützt hat.

Von israelischen Offiziellen wird berichtet, dass über Wege diskutiert wird, wie man die finanzielle Unterstützung "politischer" Organisationen in Israel durch ausländische Regierungen illegal macht oder solche Gruppen zwingt, sich selbst als "Agenten für eine ausländische Regierung" zu erklären.

Genau wie es für europäische Regierungen unmöglich wäre, antiwar-NGOs in den USA zu unterstützen, ist es für Europäer unannehmbar lokale NGOs zu unterstützen, die gegen die Politik von Israels demokratischer Regierung arbeiten, sagt Ron Dermer, ein ranghoher Mitarbeiter in Netanyahus Amtssitz.

Er fügte hinzu, dass viele Gruppen in dem Sinne arbeiten würden, um "den jüdischen Staat zu delegitimieren".

Jeff Halper, der Chef des Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD) sagte, die Regierungsposition war gegen die seit Jahrzehnten sich entwickelnden Menschenrechtsorganisationen.

"Jeder Diktator, von Hitler bis Milosevic, sagte, es dürfe keine Einmischung in ihre Regierungsangelegenheiten geben und dass jeder ausgeschaltet werden sollte. Aber das Völkerrecht sagt, dass Menschenrechte universal seien und nicht von einzelnen Regierungen interpretiert werden könnten. Die Idee hinter den Genfer Konventionen ist, dass die internationale Gemeinschaft die Pflicht habe, ein Aufpasser über Menschenrechtsverletzungen zu sein, egal wo sie geschehen."

Jeff Halper, dessen Organisation im letzten Jahr 80 000 Euros von Spanien erhalten hat, um zerstörte palästinensische Häuser wieder aufzubauen, wurde letztes Jahr verhaftet, als er mit Friedensaktivisten nach Gaza segelte, um die Belagerung des Gazastreifens aufzubrechen.

Von andern Gruppen wird berichtet, dass sie im Fadenkreuz des Außenministeriums stehen; B'Tselem, zu dessen Aktivitäten es auch gehört, Palästinenser mit Fotoapparaten zu versehen, um Misshandlungen von Seiten der Siedler und der Armee festzuhalten; Peace Now, die den Siedlungsbau kontrolliert; Machsom Watch, deren Aktivisten Soldaten an den Kontrollpunkten beobachten, und Ärzte für Menschenrechten, die vor kurzem die Mittäterschaft von Ärzten bei Folterungen untersuchte.

Herr Mannekin sagte: "Die Regierung kann Informationen über das, was im Gazastreifen geschah , nicht unterdrücken, indem es uns ausschaltet. Man kann nicht 10 000 Soldaten in die Schlacht schicken und erwarten, dass darüber keine Details irgendwie bekannt werden. Wenn es der eine nicht macht, dann eben ein anderer."

Die augenblickliche Regierungskampagne folgt einer Polizeirazzia auf Wohnungen von sechs israelischen Friedensaktivistinnen im April. Die Frauen sind Mitglieder von New Profile, einer feministischen Organisation, die gegen die Militarisierung der israelischen Gesellschaft kämpft. Sie wurden verhaftet und angeklagt, israelischen Jugendlichen zu helfen, sich der Einberufung zum Wehrdienst zu entziehen. Die Frauen warten noch immer, ob sie angeklagt werden.


Quelle: The National - Israel targets human rights groups
http://www.thenational.ae/apps/pbcs.dll/article?AID=/20090804/FOREIGN/708039856
Originalartikel veröffentlicht am 6.8.2009

Über den Autor
Jonathan Cook, Schriftsteller und Journalist in Nazareth.

Ellen Rohlfs ist eine Mitarbeiterin und Fausto Giudice ein Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, die Übersetzerin, der Prüfer als auch die Quelle genannt werden.

URL dieses Artikels auf Tlaxcala:
http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=8312&lg=de


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2009