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NAHOST/672: Israel - Wir gehorchen nicht (Frauen in den Fußstapfen von Ilana Hammermann)


Wir gehorchen nicht

Frauen in den Fußstapfen von Ilana Hammerman, Anfang August 2010


Am Freitag den 23. Juli 2010 machte ein Dutzend jüdischer Frauen, ein Dutzend palästinensischer Frauen, ein Baby und drei palästinensische Kinder in sechs privaten PKWs einen Ausflug von der Westbank aus. Wir überquerten etliche Checkpoints und fuhren in die israelische Küstenebene und fuhren auch durch Tel Aviv und Jaffa. Wir waren in einem Restaurant, schwammen im Meer und spielten am Strand. Wir endeten unsern Tag in Jerusalem. Die meisten unserer palästinensischen Gäste hatten noch nie das Meer gesehen. Die meisten hatten noch nie in ihrem Leben an ihren heiligen Stätten gebetet. Sie sahen voller Sehnsucht von der Höhe des Skopusberges hinüber.

Keiner unserer Gäste hatte einen Passierschein von den israelischen Behörden. Wir verkünden dies hier öffentlich, dass wir absichtlich das Eintritts-Gesetz nach Israel verletzt haben. Wir taten dies in den Fußstapfen von Ilana Hammerman, nachdem der Staat mit der Polizei eine Klage gegen sie eingereicht hat. Sie hatte am 7. Mai einen Artikel in Haaretz veröffentlich und dort von einer ähnlichen Exkursion berichtet.

Wir können der Rechtmäßigkeit des "Eintrittsgesetzes nach Israel" nicht zustimmen, das jedem Israeli und jedem Juden erlaubt, sich in allen Regionen zwischen Mittelmeer und dem Jordan frei zu bewegen, während es den Palästinensern dieses Recht verweigert. Es ist ihnen nicht erlaubt, innerhalb der besetzten Gebiete sich frei zu bewegen und auch nicht in den Städten jenseits der Grünen Linie, wo ihre Familien, ihr Volk und ihre Traditionen tief verwurzelt sind.

Sie und wir, gewöhnliche Bürger, vollführten diesen Schritt mit klarer und entschlossener Haltung. Auf diese Weise hatten wir das Privileg, einen der schönsten und aufregendsten Tage unseres Lebens zu erleben, uns mit unseren tapferen palästinensischen Nachbarn zu treffen und anzufreunden und zusammen mit ihnen freie Frauen zu sein - wenigstens einen Tag lang.

Wir nahmen keine "Terroristen" oder Feinde mit, sondern Menschen. Die Behörden trennen uns von diesen Frauen mit Zäunen und Straßensperren, Gesetzen und Regeln. Oft wird behauptet, dies geschehe um unserer Sicherheit willen. Tatsächlich sind die Barrieren nur dafür bestimmt, die gegenseitige Feindseligkeit und die Kontrolle des nach internationalen Konventionen und den Werten von Gerechtigkeit und Humanität illegal genommenen palästinensischen Landes zu verewigen.

Nicht wir verletzen das Gesetz - der Staat Israel verletzt es seit Jahrzehnten. Nicht wir - Frauen mit einem demokratischen Gewissen - haben (das Gesetz, die Grenze) überschritten - der Staat Israel überschreitet (die Grenzen) und schleudert uns alle in die Leere.

Henry David Thoreau schrieb in seinem berühmten Aufsatz "Ziviler Ungehorsam" (1845):

"... wenn ein Sechstel der Bevölkerung einer Nation, die ein Refugium  der Freiheit sein will, Sklaven sind, und ein ganzes Land von einer fremden Armee rechtswidrig überrannt und erobert und dem  Militärrecht unterworfen wird, dann denke ich, ist es für ehrenhafte  Männer [und Frauen] nicht zu früh, zu rebellieren und zu  revoltieren. Was diese Pflicht noch drängender macht, ist die  Tatsache, dass nicht das so überrannte Land das unsrige ist, sondern  die einfallende Armee die unsrige ist."

Hört auf diese Worte und seht, wie sehr sie unsere Situation hier und jetzt beschreiben - und tut, was wir getan haben.



(in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets)
 1. Ilana Hammerman, Jerusalem
 2. Annelien Kisch, Ramat Hasharon
 3. Esti Tsal, Jaffa
 4. Daphne Banai, Tel Aviv
 5. Klil Zisapel, Tel Aviv
 6. Michal Pundak Sagie, Herzlia
 7. Nitza Aminov, Jerusalem
 8. Irit Gal, Jerusalem
 9. Ofra Yeshua-Lyth, Tel Aviv
10. Roni Eilath, Kfar Sava
11. Ronit Marian-Kadishay, Ramat Hasharon
12. Ruti Kantor, Tel Aviv


Der obige Artikel wurde von allen Frauen gemeinsam verfaßt.

(Aus dem Englischen von Ellen Rohlfs in einer leicht überarbeiteten Fassung der Redaktion Schattenblick)


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Quelle:
Frauen in den Fußstapfen von Ilana Hammerman, Anfang August 2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010