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NAHOST/730: Obamas Bestechung - die Palästinenser werden wieder die Verlierer sein (Jonathan Cook)


Obamas Bestechung: die Palästinenser werden wieder die Verlierer sein

Von Jonathan Cook, 17. November 2010


Während man den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern beobachtet, wie er sich von Jahr zu Jahr ohne Abschluss dahinzieht, übersieht man leicht die enormen Veränderungen vor Ort, die sich seit den vor 17 Jahren unterzeichneten Oslo-Abkommen zugetragen haben.

Jede hat das primäre palästinensische Ziel, einen lebensfähigen Staat zu schaffen, untergraben: ob das nun die fast dreifache Vermehrung der jüdischen Siedler auf palästinensischem Land ist - etwa eine halbe Million augenblicklich - Israels zunehmender Würgegriff auf Ost-Jerusalem, die Mauer, die praktisch große Teile Land der Westbank an Israel annektiert oder nach Israels Rückzug vom Gazastreifen 2005 die Aufspaltung der palästinensischen Nationalbewegung in rivalisierende Lager.

Ein anderer Rückschlag ähnlichen Ausmaßes entwickelt sich, da Barack Obama Benyamin Netanyahu ein großzügiges Paket von Verlockungen in Aussicht stellt und damit versucht, den israelischen Ministerpräsidenten zu ködern, einen weiteren dreimonatigen Siedlungsbaustop in der Westbank zu erreichen. Die Großzügigkeit des Paketes des US-Präsidenten, das 20 Kampfflugzeuge im Wert von $ 3 Milliarden und Unterstützung von Israels fortgesetzter militärischer Präsenz im Jordantal einschließt - auch nach der Erklärung eines palästinensischen Staates, hat sogar Thomas Friedman von der New York Times dazu gebracht, dies mit einer "Bestechung" zu vergleichen. Israels Offizielle sagten gestern, sie würden noch auf die schriftliche Fassung des Deal warten, der zwischen Netanyahu und der US-Außenministerin während sieben Stunden Verhandlungen ausgearbeitet wurde.

Zusätzlich zu den Konzessionen im Jordantal und dem Angebot der Kampfflugzeuge, das die jährliche Hilfe aus den USA verdoppeln würde, schließt der Deal auch ein Versprechen Washingtons ein, bei den nächsten UN-Resolutionen gegen Israel ein Veto einzulegen, mit den Grenzen einverstanden zu sein und von jeder Forderung zukünftiger Begrenzung des Siedlungswachstums abzusehen.

Es sieht so aus, als würde Netanyahu in der Lage sein, die Unterstützung seines rechten Kabinetts für einen kurzen Siedlungsstopp sicher zu sein, der dieses Mal Ost-Jerusalem nicht mit einschließt.

Beim Versuch , den Konflikt zu lösen, hat Obama sein politisches Kapital fast erschöpft. Es gab in dieser Woche Andeutungen, dass das Weiße Haus sich nicht weitere Demütigung leisten könne und dabei ist, zu zerbrechen.

Der Zeitplan für Verhandlungen verlangt jetzt ein Abkommen über die Grenzen innerhalb der nächsten drei Monate - während der Dauer des Siedlungsbaustopps - dem dann eine Endresolution über den Konflikt innerhalb eines Jahres folgen sollte. Washingtons hoffnungsvolle Logik ist es, dass eine Erneuerung des Siedlungsbaustopps in drei Monaten unnötig sein wird, weil dann ein Abkommen über die Grenzen schon eingesetzt sein wird, egal ob eine Siedlung in Israels Territorium als aufgenommen angesehen und sich deshalb weiter ausdehnen darf oder innerhalb Palästinas liegt und deshalb zerstört werden soll.

In ähnlich optimistischer Weise erwartet die USA anscheinend auch, das Problem mit den Flüchtlingen einfach zu lösen, indem ein spezieller internationaler Fond geschaffen wird, um sie zu entschädigen. Das Rückehrrecht scheint vom Tisch zu sein. Falls diese Hindernisse auf diese Weise überwunden werden könnten - würde nur noch ein sehr großes "falls" zu überwinden sein: die Zukunft von Ost-Jerusalem.

Und hier werden die Dinge schwieriger. Die USA schlägt nicht vor, dass der drei Monate lange Siedlungsbaustopp auch für Ost-Jerusalem gilt, nachdem der Siedlungsbau zwischen Israel und den USA während des letzten Moratorium so große Probleme geschaffen hat.

Diese Konzession und die Umrisse eines vorhergegangenen US-Friedensvorschlages unter Präsident Bill Clinton deuten auf Washingtons wahrscheinliche Strategie hin. Ost-Jerusalem wird geteilt sein: die großen Siedlungsblöcke, Wohnungen für mindestens 200 000 Juden, Israel übergeben, während die Altstadt und ihre Heiligen Stätten unter eine komplizierte geteilte Souveränität fällt.

Angesichts dieser intensiven US-israelischen Diplomatie sind die Palästinenser bestürzt. Sie haben das Abkommen zwischen den USA und Netanyahu als "tief enttäuschend" beschrieben und verlangen vom Weißen Haus ähnlich großzügige Anreize, die ihren Weg zurück zu den Verhandlungen erleichtern. Die Arabische Liga, die eine wichtige Rolle bei der Überwachung der palästinensischen Verhandlungen übernommen hat, sind auch gegen diesen Deal.

Die Palästinenser fürchten, dass sie mit einem Patchwork nicht verbundener Gebiete gelassen werden - was Israel kürzlich "Blasen" nannte. Wenn der Präsident der palästinensischen Behörde Mahmoud Abbas dahin gebracht wird, all dies zu schlucken, was ziemlich unwahrscheinlich scheint, dann wird er mit der Hamas, der rivalisierenden palästinensischen Fraktion, kämpfen müssen, die alles in ihrer Macht stehende tun wird, um solch ein Abkommen abzubrechen.

Und dann ist da Netanyahu. Wenige israelische Analytiker denken, dass er plötzlich für die amerikanischen Vorschläge zugänglicher geworden ist. Neve Gordon, ein Politologe der Ben Gurion-Universität im Negev und Autor einer bedeutenden Studie über die Besatzung, glaubt, dass der israelische Ministerpräsident einfach die Rolle spielt, die Obama von ihm verlangt. "Er nimmt die US-"Handelsware" im Angebot, hält aber an den Schlüsselpositionen fest, die ein Misslingen der Verhandlungen garantieren. Auf diese Weise bekommt er die Anerkennung, die Verhandlungen auf Kurs zu halten und gibt den Palästinensern die ganze Schuld beim Aufgeben. Dies klingt verdächtig wie eine Wiederholung der letzten richtigen Friedensgespräche in Camp David 2000 . Damals hat Israels Unnachgiebigkeit die Verhandlungen abgewürgt, aber Yasser Arafat, dem palästinensischen Führer, wurde von den USA und Israel die Schuld für den Zusammenbruch gegeben.

Das Scheitern von Camp David führte zum Ausbruch palästinensischer Gewalt, zur 2. Intifada und zum Ende des israelischen Friedenslagers. Herr Netanyahu mag bereit sein, eine Wiederholung solcher Ergebnisse dieser Gespräche zu riskieren, wenn er auf diese Weise irgendwelche wirkliche Konzessionen - palästinensische Eigenstaatlichkeit - verhindern kann.


Übersetzung aus dem Englischen von Ellen Rohlfs


Jonatahan Cook, Nazareth, Schriftsteller und Journalist. Seine letzten Bücher: "Israel und der Zusammenstoß der Zivilisationen: Irak, Iran und der Plan den Nahen Osten neu zu formieren" (Pluto Press) und "Disappearing Palestine: Israels Experiments in Human Despair" (Zed Books)
www.jkcook.net



Der englische Originaltext ist zu finden unter:
Obama's Bribe
Palestinians Will be the Losers ... Again
By Jonathan Cook, Counterpunch November 17, 2010
http://www.counterpunch.org/cook11172010.html
sowie auf der Internet-Seite von Jonathan Cook:
http://www.jkcook.net/Articles3/0533.htm#Top


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Quelle:
© Jonathan Cook, 17. November 2010
Internet: www.jkcook.net
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2010