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NAHOST/745: Angst und Unruhe in der von Soldaten umlagerten Ortschaft Silwan (ISM)


International Solidarity Movement (ISM) - Meldung vom 26. Dezember 2010

Angst und Unruhe in der von Soldaten umlagerten Ortschaft Silwan


Der Schattenblick erläutert:

Die Zerstörung palästinensischer Wohnhäuser - seit langem Politik Israels - vornehmlich im weiteren Ostjerusalem, das nach israelischer Lesart auch einen Teil des Westjordanlandes mit seinen Ortschaften umfaßt, sowie in der Westbank selbst scheint nun einhergehend mit dem Siedlungsbau noch nachdrücklicher vorangetrieben zu werden. Palästinensern werden Baugenehmigungen schon seit langem in der Regel verwehrt; wer dennoch unerlaubt baut, muß unter ständiger Furcht leben, aus dem Haus vertrieben zu werden. Der Konflikt um die 'Siedlung Beit Yonathan'(*), der in der folgenden Meldung angesprochen wird, währt nun mehr als drei Jahre, seit die Räumung des von Israelis illegal in einer arabischen Nachbarschaft errichteten, siebenstöckigen Mehrfamilienwohnhauses im Jahre 2007 gerichtlich verfügt wurde. Nach einem mehrinstanzlichen Verfahren beschied vor kurzem der israelische Oberste Gerichtshof ebenfalls die Räumung, die zunächst vom dafür zuständigen israelischen Bürgermeister verweigert wurde. Nun sollen Berichten zufolge die palästinensischen Bewohner eines Nachbarhauses, das an einer Stelle steht, an der sich früher eine jemenistische Synagoge befunden haben soll, vertrieben werden, um den Beit Yonathan-Siedlern Platz zu machen.

Schattenblick-Redaktion

(*) Siedlung Beit Yonathan: Von israelischen Siedlern illegal in Silwan, einer arabischen Ortschaft im Bezirk Ostjerusalem, errichtete, siebenstöckige Wohnanlage, benannt nach Jonathan Pollard, der 1987 in den USA der Spionage für Israel für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.


Seit heute bilden die israelischen Streitkräfte einen Ring um die Ortschaft Silwan und nähren unter den Anwohnern die Furcht, daß eine palästinensische Familie aus ihrem Haus vertrieben werden soll. Eine neue Welle der Unruhe ist in den letzten Tagen mit zwei Hauszerstörungen am 1. Weihnachtstag und gewalttätigen Zusammenstößen, die den Ort am Freitag erfaßten, über Silwan hereingebrochen, nachdem ein junger Palästinenser mit einem Gummiprojektil angeschossen wurde.

Das Informationszentrum in Silwan behauptet, exklusive Informationen darüber erhalten zu haben, daß ein israelisches Gericht die Vertreibung einer palästinensischen Familie befürwortet hat, um die Bewohner der Beit Yonatan-Siedlung unterzubringen, die in Kürze geräumt werden soll. Die Räumung der Wohnanlage Beit Yonatan wurde von israelischen Gerichten angeordnet, und so versuchen die Behörden, das Haus der Familie Abu Nab mit der Begründung zu übernehmen, daß hier ehemals eine jemenitische Synagoge stand.

Diese umstrittene Räumung war für heute, den 26. geplant, während die internationale Gemeinschaft mit den Feierlichkeiten beschäftigt ist. Die Polizei von Jerusalem veröffentlichte hingegen eine Erklärung, die besagte, die Räumung würde heute nicht stattfinden, aber keine weiteren Informationen über den tatsächlichen Termin gab.

Zwar haben in der Tat einmal jemenitische Pilger im Ortsteil Baten al-Hawa von Silwa gelebt, dorthin hatte man sie jedoch erst geschickt, nachdem sie von den Juden in der Altstadt abgewiesen worden waren. Sie verließen den Ort nach kurzer Zeit wieder, um sich anderenorts anzusiedeln.

Ein Argument, das zunehmend von israelischen Expansionisten in Jerusalem angeführt wird, ist, daß Land, das je von Juden in der Vergangenheit besessen oder bewohnt wurde, heute wieder in den Besitz jüdischer Eigner kommen muß. Ähnliche Argumente wurden während der komplexen rechtlichen Auseinandersetzungen gebraucht, die sich seit Jahrzehnten in Sheik Jarrah abspielen.

Während israelische Behörden versuchen können, Gesetzeslücken zu finden, die ein jüdisches 'Rückkehrrecht' auf historisches Land erlauben, gibt es ein ausdrückliches Gesetz, das im Falle von Palästinensern seit 60 Jahren genau das Gegenteil sicherstellt: das berüchtigte 'Abwesenden-Eigentumsrecht'. Das Gesetz hat es dem Staat Israel ermöglicht, allen Grund und Boden, der zur Zeit der Nakba 1948 von palästinensischen Landbesitzern zurückgelassen wurde, als die Gründung des Staates Israel rund 900.000 Palästinenser zur Flucht aus ihren Häusern und von ihrem Land zwang, das ihnen zum Großteil schon seit Jahrhunderten gehört hatte, als 'Aufseher über das Eigentum Abwesender' zu verwalten.


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Quelle:
ISM - International Solidarity Movement
Pressemitteilung, 26.12.2010
ISM Media Office
Telefon: +972-2/297 18 24
E-Mail: info@palsolidarity.org
Internet: www.palsolidarity.org
In einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Dezember 2010