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NAHOST/909: Libanon - Waffenschmuggel nach Syrien blüht, offenbar auch Militärs beteiligt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2012

Libanon: Waffenschmuggel nach Syrien blüht - Offenbar auch Militärs beteiligt

von Zac Brophy

Hausfassade im libanesischen Tripoli mit Einschusslöchern - Bild: © Zac Brophy/IPS

Hausfassade im libanesischen Tripoli mit Einschusslöchern
Bild: © Zac Brophy/IPS

Beirut, 7. Mai (IPS) - Die libanesische Armee hat Anfang Mai drei Container mit Waffen beschlagnahmt, die allem Anschein nach für die Aufständischen in Syrien bestimmt waren. Auch wenn der Konflikt in dem Nachbarstaat die Stabilität des Libanons nicht zu gefährden scheint, zeigt der Waffenfund, dass das Land nicht völlig immun gegen die Unruhen ist. Sogar Angehörige der libanesischen Streitkräfte sollen in den Waffenschmuggel verwickelt sein.

Die Regierung von Staatspräsident Bascher al-Assad hat sich oft darüber beschwert, dass aus Nachbarländern Waffen nach Syrien gelangen. Seit Beginn des Aufstandes im vergangenen Jahr wurden bereits mehrere illegale Schiffsladungen beschlagnahmt. Die Schmuggelrouten entlang der durchlässigen Grenze dienen dazu, Waffen und weiteren Nachschub nach Syrien zu bringen. Auch werden sie von Flüchtlingen und verletzten Kämpfern genutzt.

"Ich werde bald meine Armee sehen", sagt Zaki, der in einem Unterschlupf im libanesischen Grenzgebiet wartet. Seine Familie stammt ursprünglich aus den Städten Hama und Homs, zwei Hochburgen der syrischen Opposition. Sie wurde ins Exil getrieben, als der frühere syrische Staatschef Hafiz al-Assad 1981 Angehörige der Muslimbruderschaft verfolgen ließ.

Mittlerweile besitzt die Familie ein gutgehendes Handelsunternehmen in Saudi-Arabien. Wie Zaki erklärt, schickt sie Geld in den Libanon, das an die Aufständischen in Syrien für Waffenkäufe weitergeleitet wird. In den vergangenen acht Monaten seien auf diese Weise monatlich 100.000 US-Dollar an Kämpfer der Freie Syrischen Armee (FSA) gegangen.

Zaki wurde nach eigenen Angaben von seinem Vater in den Libanon entsandt. Er soll kontrollieren, ob die Aufständischen von dem Geld die vorgesehenen Waffen erhielten. "Die saudische Regierung deckt uns", sagt er. "Sie billigt das, was wir tun. Wir sollen nur nicht darüber reden."


Saudi-Arabien und andere Golfstaaten versprachen Kämpfern Hilfe

Die Finanzierung und Bewaffnung der FSA haben die Befürworter des Aufstandes innerhalb der internationalen Gemeinschaft gespalten. Ein zwischenstaatliches Abkommen zur Bewaffnung der Kämpfer gibt es zwar nicht, doch nach dem letzten Treffen der 'Freunde Syriens' Anfang April sicherten offenbar Saudi-Arabien und andere Golfstaaten zu, einen Fonds in Millionenhöhe einzurichten, aus dem die FSA-Anhänger unterstützt werden sollen.

Ein syrischer Aktivist, der humanitäre Güter in sein Land und Flüchtlinge auf die andere Seite der Grenze bringt, kritisierte, dass Banden, die im Libanon mit Waffen handeln, aus den Unruhen für sich Profit zu schlagen suchten. "Einige Händler versuchen sich Märkte in Homs zu schaffen, indem sie bestimmten Gruppen ihre Waffen verkaufen und somit den Krieg anheizen", sagte der Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte.

Die steigende Nachfrage seitens der Aufständischen in Syrien und der Milizen im Libanon hat die Preise deutlich in die Höhe getrieben. Eine Kalaschnikow kostet derzeit etwa 2.000 Dollar, wie der Aktivist berichtete. Vor den Unruhen sei sie für 200 bis 300 Dollar verkauft worden. "Um für einen einzigen Checkpoint Munition zu besorgen, muss man jetzt 25.000 bis 30.000 Dollar ausgeben."

Einige der in Syrien in Umlauf befindlichen Waffen stammen aus Lagerbeständen der libanesischen Armee. Anfang April berichtete die libanesische Tageszeitung 'Al-Akhbar', dass ein Geheimdienstoffizier, der ein Waffendepot verwaltet hatte, unter dem Verdacht festgenommen wurde, Kriegsgerät entwendet und verkauft zu haben. Zaki bestätigt, dass die Waffen aus dem Libanon kommen und Militärangehörige an den Deals beteiligt sind.

Nicht nur Waffen, sondern auch Menschen strömen kontinuierlich über die Grenze. Nach Schätzungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) sind bisher etwa 24.000 durch den Krieg vertriebene Syrer in den Libanon gekommen. Berichten zufolge ziehen außerdem Libanesen nach Syrien, um sich den Aufständischen anzuschließen.

Hilal Kashnan, Politologe an der Amerikanischen Universität in Beirut, zieht einen Vergleich zum Irak. Wie dort verwandelten sich nun auch Teile Syriens in ein Land des Dschihad. Er geht aber nicht davon aus, dass sich der Konflikt in dem Grenzgebiet zu einer größeren Auseinandersetzung ausweiten wird.


Viele Sunniten im Libanon Feinde des Assad-Regimes

Im Norden des Libanons liegt die von konservativen Sunniten bewohnte Stadt Tripoli, die seit langem Beziehungen zu Dörfern im Westen Syriens unterhält, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Einer der einflussreichsten religiösen Vertreter von Tripoli ist Scheich Mazen al-Mohammad, der sich an vorderster Front an Kundgebungen für die syrischen Aufständischen beteiligt.

Vorwürfe, wonach al-Mohammad religiös geprägte Kämpfer nach Syrien entsandt habe, weist dieser strikt zurück. "Sollten aber die internationalen Bemühungen unseren Brüdern in Syrien nicht helfen und diese uns um Hilfe bitten, werden wir dies ungeachtet der Konsequenzen tun", betonte er.

Das syrische Militär war im Libanon zwischen 1976 und 2005 stark präsent. Viele libanesische Sunniten, vor allem im Norden des Landes, haben daher große Ressentiments gegen die Armee des Nachbarlandes. Wie al-Mohammad erklärte, könnten die Sunniten, die unter dem syrischen Regime gelitten hätten, den Aufstand in dem Land besser verstehen als andere Araber. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2012