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NAHOST/982: Iran - Khatami umjubelt, Khatami verhasst, Präsidentschaftswahlen stehen an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2013

Iran: Khatami umjubelt, Khatami verhasst - Präsidentschaftswahlen stehen an

von Yasaman Baji


Bild: © World Economic Forum/cc by 2.0

Die Kandidatur Khatamis erhöht die Chance, dass sich alle reformistischen Gruppierungen auf einen Kandidaten einschwören
Bild: © World Economic Forum/cc by 2.0

Teheran, 9. April (IPS) - In zwei Monaten soll im Iran ein neuer Präsident gewählt werden. Doch der Wächterrat hat noch nicht verlauten lassen, welchen der bisher rund 20 Kandidaten er zur Wahl am 14. Juni zulassen wird. Auch der ehemalige Präsident Mohammad Khatami, der das Land bereits bis 2005 angeführt hatte, soll Interesse an einer erneuten Amtszeit haben. Das ruft Anhänger und Kritiker auf den Plan.

Besonders der Teil der Bevölkerung freut sich über die mögliche Kandidatur, der sich seit der Wahl von 2009 unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad seiner Rechte entraubt sieht. Viele liberale Iraner mussten in den vergangenen vier Jahren immer wieder Repressionen erleiden. Andererseits sähen einige Reformisten lieber einen der Präsidentschaftskandidaten von 2009 erneut auf den Wahlzetteln stehen; Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi haben fast die gesamten vergangenen vier Jahre unter Hausarrest verbracht. Sie zu ignorieren, käme ihren Anhängern zufolge einem Verrat gleich.

Insbesondere Exil-Iraner kritisieren Khatamis Führungsstil während seiner Präsidentschaft (1997-2005) als ineffektiv und seine Kandidatur als schädlich für eine tatsächliche gesellschaftliche Transformation, die die Islamische Republik brauche. Kritik wurde beispielsweise daran geäußert, dass er den Sicherheitsapparat des Staates während seiner Präsidentschaft unangetastet gelassen habe. Radikale Reformer haben daher sogar zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen - der jedoch auf wenig Zuspruch stößt.

In einem offenen Brief hatten dagegen 91 Personen, unter ihnen prominente Reformisten, Khatami Mitte März dazu aufgerufen, erneut zu kandidieren. Kurz darauf schloss sich der Koordinierungsrat der Reformistischen Front dem Aufruf an. Der Rat ist der wichtigste Zusammenschluss reformistischer Parteien und Organisationen im Iran.

Grundlage für die Unterstützung ist die Annahme, dass Khatami noch immer der populärste Politiker im Iran ist. Sein kultiviertes und weltmännisches Auftreten findet viele Anhänger. Die Reformisten hoffen, dass das Land unter seiner Führung wieder offener wird - auch gegenüber dem Ausland.


'Stolz auf unsere Kultur und Zivilisation'

So stehen auch viele Intellektuelle hinter Khatami. Ein bekannter Schriftsteller sagte gegenüber IPS: "Wir denken mit Nostalgie an die zivilen, sozialen und kulturellen Freiheiten der Khatami-Präsidentschaft zurück. Er hat ein Erbe hinterlassen, das es zu verteidigen gilt." Ein angesehener Übersetzer meinte: "Er lässt uns stolz auf unsere Kultur und Zivilisation sein."

Viele Unternehmer rühmen Khatami dafür, eine Basis für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik gelegt zu haben. "Unter Khatami hatten wir einen offenen Zugang zu den Märkten der Welt", sagte ein Mitglied der Industrie- und Handelskammer gegenüber IPS. "Außerdem wurde der Öl-Stabilisierungs-Fonds eingerichtet - das ist genau genommen sein größtes Vermächtnis."

Die Unterstützung der Kandidatur Khatamis ist jedoch auch taktischer Natur: Sie erhöht die Chance, dass sich alle reformistischen Gruppierungen auf einen Kandidaten einschwören und so die Wahrscheinlichkeit höher wird, dass dieser auch gewählt wird. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Khatami wie bereits im Jahr 2009 seine Kandidatur zurückzieht und eine Wahlempfehlung für einen anderen reformistischen Kandidaten ausspricht. In einem solchen Fall würde Khatamis Empfehlung schwer wiegen.

Der ehemalige Staatspräsident selbst hat sich bisher kaum zu einer möglichen Kandidatur geäußert. "Macht euch keine Gedanken über meine Entscheidung", sagte er vor kurzem vor einer Gruppe von Studenten. "Ich bin nur ein Einzelner und Teil des großen reformistischen Kollektivs. Ich habe meine eigenen Ansichten, aber respektiere die Entscheidungen des Kollektivs."

Bisher ist das politische Umfeld, in dem Khatami antreten würde, noch vollkommen offen. Der Wächterrat wird erst in der dritten Maiwoche bekannt geben, welche der Kandidaten auch tatsächlich ihre Namen auf die Wahlzettel setzen dürfen. Bei dem Urnengang von 2009 hatten sich 475 Personen beworben, aber nur vier wurden vom Rat anerkannt. 2005 ließ der Rat acht von 1.000 registrierten Kandidaten gegeneinander antreten.


Vorwurf der Volksverhetzung

Konservative machen bereits Stimmung gegen Khatami. Am 9. März veröffentlichte die Ayatollah Ali Khamenei nahe stehende Zeitung 'Kayhan Daily' einen Artikel mit dem Titel "Wer hat gesagt, dass sie dich zulassen werden?" In dem Artikel wurden "zahlreiche Verbrechen" Khatamis aufgelistet. Unter anderem haben er 2009 gemeinsam mit den US-Amerikanern und Israelis das Volk aufgehetzt, was ihn letztendlich disqualifiziere, einen aktiven Part im politischen System des Irans zu spielen.

Der Geheimdienstminister Heydar Moslehi bezeichnete Khatami als "schamlos", und fügte hinzu, Khatami habe dem Land schwer geschadet, indem er die Wahlergebnisse von 2009 angezweifelt habe.

Viele hoffen allerdings, dass Khatami ein gemäßigter Kandidat ist, mit dem sich beide Seiten anfreunden können. Ein hoher Staatsminister meinte zu IPS: "Nur mit Khatami lässt sich eine Transformation gefahrlos einleiten." (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.shora-gc.ir/
http://www.kayhan.ir/
http://www.ipsnews.net/2013/04/talk-of-presidential-run-by-khatami-elicits-hope-and-anger-in-iran/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013