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OSTEUROPA/299: Bruch der Verfassung in Moldawien - neue Regierung bestätigt (Falkenhagen/Queck)


Bruch der Verfassung in Moldawien

Neue moldawische Regierung bestätigt

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 27. September 2009


Am 25. September 2009 wurde vom moldawischen Parlament eine neue Regierung gewählt, heißt es in einer Meldung aus Chisinau vom 25. September 2009 (s. www.moldova.md), Premierminister wurde erwartungsgemäß Vlad Filat, der Führer der Liberaldemokratischen Partei, die mit 18 Abgeordnetensitzen im 101-köpfigen Parlament vertreten ist. Der Regierung gehören vier Vizepremierminister an, und zwar Iurie Leanca von der Liberaldemokratischen Partei, gleichzeitig Außenminister und Minister für europäische Integration, Ion Negrei von der Liberalen Partei, verantwortlich für Sozialfragen, Valeriu Lazar von der Demokratischen Partei und Wirtschaftsminister sowie Victor Osipov von der Allianz "Unser Moldawien", verantwortlich für die Reintegration des Landes. Das Ministerkabinett besteht aus 16 Ministern, wovon fünf die Liberaldemokratische Partei stellt, darunter neben dem Außenminister und Minister für europäische Integration, Ion Negrei, auch Innenminister Victor Catan, Justizminister Alexandru Tanase, Gesundheitsminister Vladimir Hotineanu sowie Finanzminister Veaceslav Negru Ion Negrueta.

Die Liberale Partei (15 Abgeordnetensitze) stellt vier Minister, darunter den Verteidigungsminister durch Vitalie Marinuta, den Minister für Jugend und Sport durch Ion Cebanau, den Minister für Medien durch Gheorghe Salaru und den Minister für Transportwesen und Straßen-Infrastruktur durch Anatol Salaru.

Die Demokratische Partei (13 Abgeordnetensitze) stellt vier Minister - den Minister für Wirtschaft durch Valeriu Lazar, den Minister für Arbeit, sozialen Schutz und Familie durch Valentina Buliga, den Minister für Bauwesen und Regionalentwicklung durch Marcel Raducan und den Minister für Kultur vertreten durch Boris Focsa.

Der Allianz "Unser Moldawien" (7 Abgeordnetensitze) wurden drei Ministerposten zugesprochen. Als Minister für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie fungiert Valeriu Cosarciuc, als Minister für das Bildungswesen Leonid Bujor und als Minister für Informationstechnologie und Kommunikation Alexandru Oleinic. Der Regierung gehören laut Verfassung an: der Gouverneur von Gagausien Gheorghe Duca und der Präsident der Akademie der Wissenschaften von Moldawien. Es gibt mit Valentina Buliga im Kabinett nur eine Frau.

Nicht mitgeteilt wurde, wie die Abgeordneten abgestimmt haben und wie viele Minister die moldawische Staatsbürgerschaft haben . So braucht ein Regierungsmitglied auf Grund eines kurz vorher erlassenen Gesetzes nicht mehr die moldawische Staatsbürgerschaft besitzen!!


Einen vom Parlament gewählten Staatspräsidenten gibt es derzeit nicht.
Als kommissarischer Staatspräsident fungiert der Parlamentsvorsitzende Mihai Ghimpu. Die Funktion des geschäftsführenden Parlamentsvorsitzenden übernimmt Serafim Urechean, der Führer der Allianz "Unser Moldawien".

Die weitere politische Entwicklung in Moldawien ist ungewiss. Sowohl Mihai Ghimpu als auch Vlad Filat gelten als Befürworter der schnellen Westintegration. Mihai Ghimpu tritt sogar für einen schnellen Anschluss des Landes an Rumänien ein. In einer Unterredung mit dem Kreml-Stabschef Sergej Naryschkin am 24. September sprach er sich aber auch für eine weitere enge Zusammenarbeit mit Russland aus. Die Politik Moldawiens bleibt im Verhältnis zu Russland und zur GUS unverändert, erklärte Ghimpu.

Nach der Wahlniederlage seiner Partei, die zum Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament führte (die Kommunistische Partei ist nur noch mit 48 Abgeordnetensitzen im Parlament vertreten), war der bisherige moldawische Präsident Woronin nach 8 Jahren Amtszeit zurückgetreten. Für die Wahl eines neuen Staatspräsidenten sieht die noch gültige moldawische Verfassung eine Drei-Fünftelmehrheit, also mindestens 61 Abgeordnetenstimmen, vor. Da für diese Wahl außer den Stimmen der derzeit regierenden Viererkoalition mit 53 Abgeordnetenmandaten noch mindestens 8 Stimmen der Kommunisten erforderlich gewesen wären, was völlig unrealistisch war, entschied sich die Viererkoalition, ohne ein vom Parlament gewähltes Staatsoberhaupt eine Regierung zu bilden.

Das aber stellt einen Verfassungsbruch dar, da laut Verfassung nur der Staatspräsident eine Regierung bilden kann, die dann durch das Parlament bestätigt werden muss!!

Die Neuwahl eines moldawischen Staatspräsidenten ist vorerst nicht in Sicht. Es gibt zahlreiche Meinungen, nach denen der bisherige Kandidat für dieses Amt Marian Lupu, Vorsitzender der Demokratischen Partei, bereits aus dem Machtspiel ausgebootet worden sei. Offen bleibt, wie es auf Grund der derzeitigen Machtkonstellation im moldawischen Parlament mit dem Amt des Staatspräsidenten überhaupt weitergehen soll.

Mihai Ghimpu in seiner Eigenschaft als Parlamentsvorsitzender kann als kommissarischer Staatspräsident laut Verfassung eigentlich nur für maximal zwei Monate tätig sein. Nach den bisherigen Erfahrungen und laut Ankündigungen aber nimmt es die Viererkoalition, auch Koalition für europäische Integration genannt, mit den Verfassungsregeln nicht so genau.


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Quelle:
Copyright 2009 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2009