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OSTEUROPA/337: Ukraine - Neue Politik in Kiew (Falkenhagen/Queck)


Neue Politik in Kiew

Neue Staatsführung und neue Regierung

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 20. September 2010


Seitdem Viktor Janukowitsch Präsident der Ukraine ist (er wurde am 7. Februar 2010 zum ukrainischen Präsidenten gewählt), hat sich dort schon in kurzer Zeit politisch vieles zum Positiven verändert. Relativ schnell, nämlich schon am 11. März 2010, wurde im Parlament Mikola Asarow mit 235 Stimmen, bei 226 notwendigen Stimmen, ein neuer Premierminister gewählt. Unter der Bezeichnung "Koalition der Stabilität und Reformen" wurde eine neue Regierung gebildet, deren Zusammensetzung vom Parlament ebenfalls mehrheitlich gebilligt wurde. Die Rechtmäßigkeit der Bildung dieser Koalition wurde vom ukrainischen Verfassungsgericht am 6. April 2010 bestätigt. Es entstand eine relativ monolithische Regierungsvertikale. Die Regierung besteht aus hochkompetenten Persönlichkeiten. Mikola Asarow, geb. 1947 in Kaluga (Russland), ist Absolvent der Moskauer Staatsuniversität Lomonosow im Fach Geologie und Geophysik. Er ist Doktor der Geologie und Mineralogie, Professor, korrespondierendes Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine und Ehrenprofessor der Moskauer Staatsuniversität (2009). Er übte leitende Funktionen in Industrie und Wissenschaft aus. Nach einer Abgeordnetentätigkeit im ukrainischen Parlament hatte er von 1996-2002 die Funktion des Leiters der Staatlichen Steuerverwaltung der Ukraine und eines Mitglieds der Rats für Nationale Sicherheit und Verteidigung beim Präsidenten der Ukraine inne. Von 1995-1999 war er Mitglied des Währungs- und Kreditrats im Ministerkabinett der Ukraine. Von 2002 bis Februar 2005 übte er in der damaligen Janukowitsch-Regierung die Funktion des Ersten Vizepremiers und Ministers der Finanzen der Ukraine aus, wobei er Ende Dezember 2004 die Funktion des geschäftsführenden Premierministers übernahm, als Janukowitsch als Premierminister zurückgetreten war. Von Juli 2006 bis Dezember 2007 war er erneut Erster Vizepremierminister und Finanzminister in der Regierung von Janukowitsch. Mikola Asarow ist verheiratet und hat einen Sohn.

Das Ministerkabinett besteht aus einem Ersten Stellvertreter des Premierministers sowie 6 Stellvertretenden Premierministern mit festem Ressortbereich sowie 20 Ministern.

Erster Stellvertreter des Premierministers ist der 1964 in Donetzk geborene Andrij Kljujew, ursprünglich Bergbauingenieur mit umfangreichen Erfahrungen als Direktor von Industriebetrieben, Stellvertreter des Vorsitzender der Donetzker Gebietsverwaltung, dann von 2003-2004 sowie 2006-2007 Stellvertreter des Premierministerns, und Erster Stellvertreter des Vorsitzenden der Partei der Regionen. Er ist verheiratet und hat drei Söhne.

Die 6 Posten der Vize-Premierminister sind ressortmäßig wie folgt besetzt:

1. Viktor Tichonow, geb. 1949, ist Vizepremierminister für Fragen der Regionalpolitik. Als Ökonom und Jurist war er Direktor von Industrieunternehmen, sowie Gewerkschafts- und Parteifunktionär. Von 1998 bis 2006 fungierte er als Vorsitzender des Gebietsrats von Lugansk.

2. Sergij Tigipko, geb. 1960, ist Vizepremierminister, zuständig für Fragen der Wirtschaft. Von Beruf Metallurgieingenieur und Doktor der Wirtschaftwissenschaften hat er eine führende Tätigkeit beim sowjetischen Komsomol hinter sich und war später als Direktor eines Industriebetriebes als auch als Bankmanager tätig. Von 1997 bis 2002 übte er das Amt des Vizeministers und Ministers für Wirtschaft aus. Von 2002-2004 war er Leiter der ukrainischen Nationalbank (Zentralbank). 2004 war S. Tigipko Wahlkampfleiter von Janukowitsch bei dessen Präsidentschaftskandidatur. Derzeit ist Tigipko auch Vorsitzender der Partei "Eine starke Ukraine". Im Januar 2010 war er als Präsidentschaftskandidat bei der ersten Wahlrunde auf Platz 3 gekommen.

3. Viktor Slauta, geb. 1952, ist zuständig für den Agrarindustriekomplex. Er ist von Beruf Agrarökonom und war als Agronom Direktor von Agrarunternehmen. Im Jahre 2004 wurde er zum Agrarminister und 2007 zum Vizepremierminister gewählt.

4. Volodimir Seminoshenko, geb. 1950, ist zur Zeit Vizepremierminister für humanitäre und soziale Fragen. Von Beruf Physiker, arbeitete er als Direktor beim Institut für Mikrokristalle der Akademie der Wissenschaften der Ukraine. Von 1996-1996 war er Minister für Wissenschaft und Technologie und anschließend bis 2002 ukrainischer Vizepremierminister. Er ist Autor von über 500 wissenschaftlichen Arbeiten und Erfindungen.

5. Volodimir Siwkowitsch, Vizepremierminister für Sicherheitsfragen, geb. 1960, ist Absolvent der höheren Militärschule für Nachrichtenwesen und der Kiewer Nationalen Wirtschaftsuniversität. Er arbeitete von 1983 bis 1992 in den Organen des KGB (ukrainisch KDG) bzw. der Staatssicherheit. Von 1992-1998 war er Präsident der ZAT Fluggesellschaft Vita, dann von 1995 bis 1997 der ukrainischen Fluggesellschaft. 1998 wurde er Berater des Präsidenten Kutschma. Von 2000 bis 2005 war er Mitglied der Leitung der Partei Wpered (Vorwärts). Anschließend war er bis zum 11. März 2010 ukrainischer Parlamentsabgeordneter (Volksdeputierter). V. Siwkowitsch ist Begründer und Mitglied der Bürgerorganisation "Ukrainisch-Polnisch-Deutsche Gesellschaft".

6. Boris Kolesnikow, geb. 1962, ist Vizepremierminister für Fragen von Euro-2012. Nach der Ausübung von leitenden Funktionen in der Wirtschaft war er von 1999 an Stellvertreter, dann von 2001-2006 Leiter der Gebietsverwaltung von Donetzk, Er war auch Vizepräsident des Fußballvereins Schachtor.

Die Funktionen der Vizepremierminister wurden in der neuen ukrainischen Regierung wesentlich gestärkt. Sie leiten jeweils ein oder zwei Regierungskomitees und zwar 1. Sergij Tigipko - das Regierungskomitee für Fragen der Wirtschaftpolitik und das Regierungskomitee für Fragen der Ökologie, Jugendpolitik, Sport und Tourismus, 2. Volodimir Siwkowitsch - das Regierungskomitee für Fragen der nationalen Sicherheit, Verteidigung, des Rechtschutzes und der Betriebe des Militärindustriekomplexes, 3. Viktor Tichonow - das Regierungskomitee für Fragen der Regionalentwicklung, des Bauwesens sowie der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, 4. Viktor Slauta - das Regierungskomitee für Fragen der Agrarpolitik; 5. Volodimir Seminoshenko - das Regierungskomitee für Fragen der humanitären, sozialen und wissenschaftlichen innovativen Entwicklung, sowie 6. Boris Kolesnikow - das Regierungskomitee für Fragen der Vorbereitung des Finalteils der Fußballeuropameisterschaften 2012.

Das Regierungskomitee für Fragen der Reformen wird vom Premierminister und das Regierungskomitee für die Entwicklung der Wirtschaftszweige vom Ersten Stellvertreter des Premierministers geleitet.

Die Zusammensetzung dieser Regierungskomitees ist z. B. beim Regierungskomitee für Fragen der Wirtschaftspolitik wie folgt festgelegt: dessen Vorsitzender ist Vizepremierminister. Die Mitglieder dieses Regierungskomitees sind z.B. Minister für Wirtschaft, Minister für Finanzen, Minister für Arbeit und Soziales, Leiter des Antimonopolkomitees, Leiter des Staatlichen Komitees für Wertpapiere und des Fondmarktes, Leiter des Fonds für Staatsvermögen, Leiter des Staatlichen Komitees für Unternehmertum, Leiter des Staatlichen Komitees für Statistik, Erster Stellvertreter des Ministers für Kabinettsangelegenheiten, Vertreter des Ministers der Justiz.

Das Regierungskomitee für Fragen der Nationalen Sicherheit, Verteidigung, des Rechtschutzes und für Betriebe des Militärindustriekomplexes setzt sich wie folgt zusammen: Dessen Leiter ist Vizepremierminister. Dessen Mitglieder sind: Minister für Verteidigung, Minister des Inneren, Minister für Justiz, Vertreter des Ministers für Industriepolitik, Vertreter des Ministers für Ausnahmesituationen und des Schutzes der Bevölkerung vor den Folgen der Tschernobylkatastrophe, Leiter des Sicherheitsdienstes (Inlandsgeheimdienstes). Leiter des Grenzschutzes, Vertreter des Ministers für Wirtschaft, Vertreter des Ministers für Finanzen, Vertreter des Ministers für Kabinettsangelegenheiten.

Das Regierungskomitee für Fragen der humanitären, sozialen und wissenschaftlichen-innovativen Entwicklung setzt sich wie folgt zusammen: Dessen Leiter ist Vizepremierminister. Dessen Mitglieder sind: Minister für Bildung und Wissenschaft, Minister für Kultur und Tourismus, Minister für Gesundheitswesen, Minister für Arbeit und Sozialpolitik, Vertreter des Ministers für Wirtschaft, Vertreter des Ministers für Finanzen, Vertreter des Ministeriums für Justiz, Vertreter des Ministers für Kabinettsangelegenheiten.

Es bestehen folgende Ministerien: Ministerien für Regionalentwicklung und Bauwesen, Minister Wlodimir Jazuba; Ministerium für Justiz, Minister Oleksandre Lawrinowitsch; Minister für Bildung und Wissenschaft, Minister Dmitro Tabatschnik; Ministerium für Agrarpolitik, Minister Mikola Prisjaschnjuk; Ministerium für Familie, Jugend und Sport, Minister Ravil' Safiullin; Ministerium für Brennstoffe und Energie, Minister Jurij Bojko; Ministerium für Verteidigung, Minister Michajlo Jeschel; Außenministerium, Minister Konstjantin Grischenko; Ministerium für Industriepolitik, Minister Dmitro Kolesnikow; Ministerium für Kultur und Touristik, Minister Michajlo Kulinjak, Ministerium für Gesundheitswesen, Minister Sinovij Mitnik; Ministerium für Arbeit und Soziales, Minister Wasil' Nadraga; Ministerium für Verkehrswesen und Kommunikation, Minister Kostjantin Efimenko; Ministerium für Umweltschutz, Minister Viktor Bojko; Ministerium für Kohleindustrie, Jurij Jaschenko; Ministerium für Ausnahmesituationen, Nestor Schufritsch; Ministerium für Wirtschaft, Vasil' Zuschko; Innenministerium, Minister Anatolij Mogil'ow; Ministerium für Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, Minister Oleksandre Popow; Finanzministerium, Minister Fedir Jaroschenko. Minister für Kabinettsangelegenheiten wurde Anatolij Tolstjukow.

Minister für Verteidigung ist Flottenadmiral Michail Bronislawowitsch Jeschel, geb. 1952. Er war ein hoher Marineoffizier aus Sowjetzeiten, 1993 Stellvertretender Chef der ukrainischen Kriegsflotte, dann Generalstabschef der bewaffneten Organe, Admiral-Inspektor der ukrainischen Kriegsflotte, von 1996 bis 2001 Vizeminister für Verteidigung und bis zum Jahre 2003 Kommandierender der Schwarzmeerflotte.

Wichtig wurde auch die Neubesetzung der Führungsposten in den Staatlichen Komitees, Diensten und Verwaltungen sowie im Sekretariat des Ministerkabinetts. Staatliche Komitees sind z. B. das Staatliche Komitee für Informationen, das Staatliche Komitee für Archivwesen, der Staatliche Dienst für Straßenwesen. das Staatliche Komitee für Forstwirtschaft, das Staatliche Komitee für Wasserwirtschaft, das Staatliche Komitee für Rundfunk und Fernsehen, das Staatliche Komitee für staatliche Materialreserven, das Staatliche Komitee für nationale Fragen und Religionen, das Staatliche Komitee für Bodenressourcen, die Staatliche Kontroll- und Revisionsverwaltung, der Pensionsfonds der Ukraine.

Mit dem Amtsantritt der neuen Regierung wurde die ruinöse Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung unter Juschtschenko beendet. Im Jahre 2009 war das Bruttoinlandsprodukt um 15 % und die Industrieproduktion um 22 % zurückgegangen. Die Staatsschuld stieg Ende 2009 auf 33 % des Bruttoinlandsprodukts an (Ende 207 lag sie noch bei 12,3 des BIP). Im Lande zog wieder Stabilität ein. Auf den Weg gebracht wurde ein Reformpaket für die Wirtschaft, der Staatshaushalt für 2010 wurde endlich beschlossen. Beschlossen wird künftig auch ein Steuerkodex. Erste Erfolge der Wirtschaftspolitik von Janukowitsch und Asarow zeigten sich im 1. Halbjahr 2010 in der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um über 6 % und der industriellen Warenproduktion um 12 %. Der Arbeitsmarkt belebte sich wieder. Die Inflationsrate sank auf 3,3 %. Gefestigt wurde auch das Banken- und Kreditsystem des Landes.

Eine Justizreform mit dem Ziel der Depolitisierung des Gerichtssystems und der Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte sowie ihre Verpflichtung allein die Gesetze des Landes zu beachten,wurde eingeleitet. Es wurden neue Grundlinien der Innen- und Außenpolitik festgelegt.

Die Reformpolitik schreitet ebenfalls zügig voran und wird von einem Zentrum für Wirtschaftsreformen geleitet. Zudem besteht ein Komitee für Wirtschaftsreformen unter Leitung des Präsidenten der Ukraine und des Premierministers.

Die Sprachen- und Religionsfreiheit in der Ukraine wurde wiederhergestellt und Einschränkungen bezüglich der Medienfreiheit beseitigt.

Zum Streit um die Föderalisierung der Ukraine sprach Parlamentsvorsitzender Litwin ein Machtwort. Er lehnte eine Föderalisierung des Landes ab (eine Föderalisierung würde übrigens die Voraussetzungen schaffen, dass, sollten wieder westlich orientierte Politiker in Kiew an die Macht kommen, sich die Ukraine in einen Ost- und Westteil spalten würde. Man muss in diesem Zusammenhang auch berücksichtigen, dass die ukrainischen Traditionen regional unterschiedlich sowohl von Russland, Polen, Litauen, Österreich-Ungarn und sogar von der Türkei geprägt sind.

Auf der Krim wurde Russisch wieder als Sprache für die Ausstellung von Pässen und amtlichen Dokumenten eingeführt. Die Informationen des Präsidentenamtes erscheinen nunmehr auch neben Ukrainisch und Englisch wieder in Russisch.

Der neue ukrainische Präsident Janukowitsch ging von Anfang an sehr resolut vor, um die Ordnung im Lande herzustellen. Er brachte eine effiziente, durchdachte und sozial abgesicherte Wirtschaftsreform auf dem Weg. Er straffte die Staatsführung und staatliche Verwaltung auf allen Ebenen. Janukowitsch sicherte der russisch-orthodoxen Kirche wieder den ihr gebührenden Platz und allzu zu westlich orientierte Politiker verwies er in die Schranken.

Der ukrainische Präsident hält sich aber in der allgemeinen Politik, einschließlich der Personalpolitik, strikt an die Verfassung der Ukraine.

Janukowitsch übt die gleichen verfassungsmäßigen Rechte aus wie sein Vorgänger Juschtschenko. Juschtschenko strebte allerdings ein autokratisches (diktatorisches) Präsidentenregime an, wie sein 2009 vorgelegter Verfassungsentwurf zeigte. Er versuchte in seiner Amtszeit mit allen Mitteln eine neue Verfassung durchzusetzen, die de facto ein reines Präsidialregime mit fast allumfassender Macht in allen Ebenen installiert hätte. Wie in unserem Beitrag "Die Ukraine-Kettenglied der 'orangenen Volksrevolutionen' einer erträumten US-Weltherrschaft" im Jahre 2007 dargestellt, führte Juschtschenko sogar staatsstreichartige Aktionen zur Festigung seiner Macht durch. Wenn er dabei scheiterte, liegt das nicht an seinem ihm im Westen nachgesagten "Demokratieverständnis", sondern am Widerstand der Mehrheit der Ukrainer und Ukrainerinnen gegen seine Innen- und Außenpolitik, sowie auch an seinem grundsätzlichen Zerwürfnis mit seiner Kampfgefährtin der "orangenen Revolution" Julija Timoschenko, die er widerwillig als Premierministerin duldete.

Janukowitsch gelang es sofort nach seiner Amtsübernahme die grundsätzlichen Gegensätze zwischen Präsidialamt, Regierung und Parlament im demokratischen Konsens zu überwinden. Das ermöglichte z. B. auch die relativ schnelle Annahme des Staatshaushalts 2010, um den es vorher einen monatelanges Gezerre zwischen Juschtschenko und Frau Timoschenko gegeben hatte. Janukowitsch strebt aber auch eine Änderung der Verfassung an, die die Kompetenzabgrenzung zwischen Präsident, Premierminister und Parlament klarer regelt.

Man hätte es noch Anfang Februar 2010 kaum für möglich gehalten, dass die Ukraine wieder zum zuverlässigen Partner Russlands wird. Selbst nach dem Debakel bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 17. Januar 2010, als der amtierende ukrainische Präsident Juschtschenko als Verfechter eines schnellen NATO-Beitritts der Ukraine mit etwa 5 % der Wählerstimmen nicht einmal unter die beiden Erstplatzierten für die Stichwahl am 7. Februar kam und nun die Gefährtin von Juschtschenko, Frau Timoschenko, als verdeckte NATO-Befürworterin in der Endrunde, Viktor Janukowitsch gegenüberstand, wagte kaum jemand an den Wahlsieg von Janukowitsch zu glauben. Der innere und äußere (westliche) Propagandaapparat lief heiß, um auf Biegen und Brechen nach dem Debakel von Juschtschenko, Frau Timoschenko zum Sieg zu verhelfen. Doch es kam so, wie es den realen Mehrheitsverhältnissen der Wähler entsprach. Trotz Stimmenmanipulationen und sogar Wahlfälschungen des Timoschenko-Lagers siegte laut ermittelten Ergebnis der Zentralen Wahlkommission Janukowitsch mit über 3 Prozentpunkten Vorsprung. Hysterisches Geschrei und Gezeter von Frau Timoschenko, die das Wahlergebnis sogar gerichtlich anfocht, und auch Aufrufe zu Massenprotesten der Bevölkerung sowie im letzten Moment gar zu einem Staatsstreich, wie anno 2004, halfen ihr nicht mehr, um Präsidentenamt und Macht im Staate zu erringen, wie es von ihr ihre westlichen Auftraggeber forderten. Auch Anstrengungen ihrerseits, sowie des westlichen Lagers, die ukrainische Armee zu einem Militärputsch zu veranlassen, scheiterten. Derartiges wurde von der großen Mehrheit der Generäle und Offiziere strikt abgelehnt.

Die patriotischen Kräfte der Ukraine, die keinen Ausverkauf der Ukraine an die westliche Finanzoligarchie wollen, erwiesen sich letztlich als stärker. So konnten auch alle Tricks und Raffinessen der Feinde der Ukraine konterkariert werden.

Natürlich kam Janukowitsch zu Gute, dass sich Juschtschenko als ukrainischer Präsident und Frau Frau Timoschenko als Premierministerin und potente Oppositionsführerin in einer Dauerrivalität befanden. Juschtschenko wollte Präsident bleiben, Frau Julija Timoschenko unbedingt Präsidentin der Ukraine werden. Als Juschtschenko seine Weggefährtin 2005 zum ersten Mal zur Premierministerin ernannte, lag Streit zwischen beiden schon in der Luft. Frau Timoschenko erkannte die führende Stellung des Präsidenten im Staate nicht an, sie zeigte aber auch selbst erhebliche Schwächen als Premierministerin, Schwächen, die schließlich in einem chaotischen Regierungsstil ausarteten. Juschtschenko setzte deswegen Frau Timoschenko im September 2005 kurzerhand ab. Nachdem Juschtschenko nach einer Zwischenperiode unter der Regierung von Jenachurow, die kaum Erfolge brachte, im August 2006 Janukowitsch, den Führer der Partei der Regionen, der Mehrheitspartei im Parlament, zum Premierminister ernennen musste, währte dessen Amtsdauer nur etwa ein Jahr. Frau Timoschenko gab als Führerin des nach ihr benannten politischen Blocks "Block Julija Timoschenko", bestehend aus den drei Parteien Allukrainische Vereinigte Vaterlandspartei, Ukrainische Sozialdemokratische Partei und Partei Reformen und Ordnung, nicht auf. Sie drang auf vorgezogene Neuwahlen, die im Spätherbst 2007 stattfanden. Der Block von Frau Timoschenko rückte nun wesentlich gestärkt mit 155 Mandaten an zweite Stelle hinter der Partei der Regionen von Janukowitsch (172 Mandate) in das Parlament (die Werchowna Rada) ein. Jetzt verlangte Frau Timoschenko erneut den Premierministerposten und bekam ihn auch, indem sie "Unsere Ukraine", dem Block des Präsidenten Juschtschenko, der nur 60 Abgeordnetensitze erhalten hatte, mit Hilfe einer Gruppierung von Luzenko, genannt Selbstverteidigung des Volkes, die im Wahlbündnis mit "Unsere Ukraine" 10 Sitze erhalten hatte, dazu brachte, mit ihr zu koalieren. Frau Timoschenko schaffte das mit einem kleinen Mehrheitsverhältnis von 227 Mandaten im 450-köpfigen Parlament. (155 Abgeordnetensitze des Blocks Julija Timoschenko und 72 Abgeordnetensitze des Blocks Unsere Ukraine-Selbstverteidigung des Volkes).

Nach Ausbruch der Wirtschaftskrise, die auch die Ukraine mit voller Wucht traf, infolge des schlechten Führungsstils seitens des damaligen ukrainischen Präsidenten, Juschtschenko sowie der Ministerpräsidentin Frau Timoschenko, der fortbestehenden Kontroversen zwischen beiden, aber vor allem wegen der Nichtbeachtung der Interessen des ukrainischen Volkes, schlitterte die Ukraine in den wirtschaftlichen Abgrund. Janukowitsch erschien wie ein Retter der Nation, zumal er den ukrainischen Wählern auch die Führungsqualitäten eines Staatspräsidenten überzeugend vermitteln konnte. Das Staatsstreichszenario, an dem Juschtschenko mit ideeller und finanzieller Unterstützung des Westens fünf Jahre gearbeitet hatte, konnte somit nicht zum Tragen kommen, und das auch deswegen, weil auch Frau Timoschenko dieses, sein Vorgehen, als gegen sie selbst gerichtet, empfinden musste. Sie hielt deswegen die Kräfte des Innenministeriums, das von ihrem Gespons vom Flügel "Selbstverteidigung des Volkes", Luzenko, geleitet wurde, gegen Machenschaften Juschtschenkos ständig in Wachsamkeitsposition.

Wichtig zur Erreichung des Zieles, die Ukraine wieder in das GUS-Lager zurückzuführen, war es, die bestehenden Rivalitäten und Gegensätze zwischen Juschtschenko und Frau Timoschenko auszunutzen. Das gelang.

Und dann gab es Uneinigkeit zur Frage der schnellen Aufnahme der Ukraine in die NATO und EU auch im westlichen Lager. Das zeigte sich z. B. bei der NATO-Konferenz in Bukarest, als man sich trotz Drängens der damaligen Bush-Regierung nicht darauf einigen konnte, dem Wunsch von Juschtschenko zu entsprechen und der Ukraine ein kurzfristiges Angebot zur NATO-Mitgliedschaft zu machen. Frau Timoschenko nahm zudem zu dieser Zeit auch noch mehr Rücksicht auf die NATO-feindliche Stimmung bei der überwiegenden Mehrheit der Ukrainer. Man fürchtete dabei durchaus auch die Auffassung Russlands und wollte sich mit der Aufnahme der Ukraine nicht ein zusätzliches Sicherheitsrisiko aufhalsen, zumal Moskau gegenüber dem Westen einige Trümpfe in der Hand hält (z. B. die Möglichkeit der Blockierung der Nachschubwege nach Afghanistan, sowie ein stärkeres Engagement im Iran und im Mittleren Osten). Auch bahnte sich dann schon die große Finanz und Wirtschaftskrise im Westen an, als über diese Fragen auf der NATO-Tagung in Bukarest beraten wurde. Die Frage in der EU stand, ob das Bündnis die Ukraine als neues westliches EU-Mitgliedsland und NATO-Mitglied "verkraften" konnte, zumal es bereits schon in den langjährigen EU-Mitgliedsländern gefährlich kriselte und sich solche Erscheinungen wie das Griechenland-, Portugal- und Spaniendesaster deutlich abzeichneten, und die Krise in Irland gerade mal noch überstanden werden konnte.

Ein kardinaler Fehler in der Politik von Juschtschenko, aber auch von Frau Timoschenko, als sie Premierministerin war, bestand darin, dass sie um das Wohlwollen der Bush-Administration zu gewinnen, die über Jahrhunderte gewachsenen nicht nur kulturellen sondern auch Wirtschaftsbeziehungen, zu Russland und Belorussland und in den asiatischen Raum ab 2005 zu kappen begannen. Frau Timoschenko hat durch die Ermahnungen ihrer Berater im letzten Jahr vor der Präsidentschaftswahl diesen Kardinalfehler erkannt und versucht, ihn wiederum gegen den Widerstand von Juschtschenko zu korrigieren. Das war aber bereits Wahltaktik, weil sie fest entschlossen war, Juschtschenko als ukrainischen Präsidenten abzulösen. Das erweckte teilweise in Moskau den Eindruck, als könne man auch mit einer Frau Timoschenko als ukrainische Präsidentin einen modus vivendi finden. Dieser Eindruck täuschte aber, weil es ihr hier nur um die Gewinnung von Wählerstimmen und nicht um ein echtes Anliegen ging. Sie blieb ihrer Westhörigkeit weiter verhaftet. Und sie nährte teilweise bestehende Meinungen im ukrainischen Volk, man brauche nur der EU und NATO beizutreten und das sei wie ein Füllhorn, bei dem man nur die Hand aufhalten bräuchte, um reichen Geldsegen und. Wohlstandssegen aus den Kassen von Brüssel, Washingtons oder Berlin und Paris zu erhalten.

Die Wahlagitation von Janukowitsch war so angelegt, dass er die Ukrainer in ihrer Mehrheit überzeugte, dass das so nie funktionieren könne und die Zeiten des Marschallplans und auch die Zahlmeisterzeiten westlicher Regierungen längst vorbei sind. Bei aller Bedeutung auch guter Wirtschaftbeziehungen zum Westen setzte sich die Erkenntnis durch, Wohlstand kann nur aus guten Beziehungen, vor allem zu Russland und zum Osten, kommen, wo die reichen Rohstoffquellen liegen, und dieser erwächst natürlich auch aus guten Beziehungen u.a. zur VR China.

Zu Gute kam Janukowitsch für seinen Wahlsieg am 7. Februar 2010 auch, dass der Nimbus der schönen Julia zunehmend verblasste und der unberechenbare, teils sprunghaft launenhafte Charakter dieser alternden Frau immer mehr sichtbar wurde. Auch ihr Mitstreiter wie Mikola Tomenko, Stellvertreter des Parlamentsvorsitzenden, wirbt heute trotz seiner kritischen Distanz zu Janukowitsch z. B. in der Frage der vollständigen Durchsetzung der ukrainischen Sprache und des russischen Flottenstützpunkts in Sewastopol, den er ab 2017 endgültig beseitigt haben will, dennoch für eine sachliche Oppositionspolitik und generell für ein realistisches Herangehen in der Politik. Trotzdem erklärt er laufend, offensichtlich im Auftrag von Frau Timoschenko, dass die Auflösung des Flottenstützpunkts Sewastopol allein die Blockfreiheit der Ukraine sichern würde.

Darin liegt sicherlich der nächste Pferdefuß. Bei der geografischen und der wirtschaftlichen Lage der Ukraine wird der ukrainische Staat sicherlich in der einen oder anderen Form gezwungen sein, sich entweder nach Russland oder in Richtung NATO und EU zu orientieren. Janukowitsch will gute Kooperationsbeziehungen nach allen Seiten, aber er weiß auch, dass sich die Ukraine nicht im luftleeren Raum bewegen kann und das trotz des erklärten blockfreien Status der Ukraine. Auf neuer Basis beginnt sich nun eine strategische Partnerschaft zwischen Russland und der Ukraine zu entwickeln, deren Bedeutung u.a. bei dem Treffen zwischen den beiden Präsidenten Medwedjew und Janukowitsch am 17. September 2010 an der russisch-ukrainischen Grenze im Gebiet Sumy unterstrichen wurde. Politik ist nun mal ein Machtspiel, d.h. wenn Russland die Ukraine machen lässt, was sie will, was einige Politiker wie Juschtschenko beabsichtigen, dann greifen eben die USA als Weltherrschaftsaspirant Nummer 1 gnadenlos zu, was sie in Zeiten der sog. "orangenen Revolution" im Jahre 2004 schon unter Beweis gestellt haben haben.

Bei dem Treffen beider Staatsoberhäupter der Ukraine und Russlands im September 2010 wurden auch Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine im Grenzgebiet unterzeichnet.

Russland hat vor den Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 verschiedene Schritte unternommen, um seinen Erzfeind Juschtschenko in Kiew von den Hebeln der Macht zu entfernen.

So schickte der russische Präsident Medwedjew schon im August 2009 an Juschtschenko einen Brief, der alle für Moskau sensiblen Fragen im Verhältnis zur Ukraine berührte. Es war eine präzedenzlos scharfe Auflistung aller wunden Punkte der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine. Medwedjew bezichtigte die offiziellen ukrainischen Politiker, eine offene antirussische Politik durchzuführen und er listete alles auf, was Moskau in der Amtsführung von Präsident Juschtschenko zu beanstanden hatte. Das betraf den direkten Kurs der Ukraine zum Beitritt in die NATO entgegen der überwiegenden Mehrheits-Willen des ukrainischen Volkes, die Komplizierung der Lage der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol entgegen dem Vertrag, der bis 2017 galt. Außerdem warf Medwedjew Juschtschenko vor, Nazikollaborateure der Ukraine zu heroisieren wie z. B. Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch, denen zu Ehren er sogar Denkmäler zu errichten beabsichtigte. Außerdem führte Medwedjew an, dass Juschtschenko den sog. ukrainischen Hungerholocaust von 1932/1933 einseitig als Genozid am ukrainischen Volk für die Schürung antirussischer Stimmungen instrumentalisiert hatte, obgleich aufgrund von Missernten und offensichtlicher Sabotageakte von Großkulaken gegen die Sowjetmacht Hunger zu dieser Zeit auch in Gebieten Russlands geherrscht hatte. Er bezichtigte Juschtschenko einer Politik der Unterdrückung der russischen Sprache und einer verderblichen Einmischung der Staatsmacht in die Belange der russisch-orthodoxen Kirche.

Auf den genannten Gebieten kam es nach dem Machtantritt von Janukowitsch im März 2010 zu wesentlichen Veränderungen.

Janukowitsch ergriff sofort nach seinem Amtsantritt als neuer ukrainischer Präsident die Chance, die antirussische Politik seines Vorgängers zu korrigieren. So versprach Janukowitsch z. B., Stephan Bandera und Roman Schuchewitsch, den ihnen unter Juschtschenko verliehenen Titel "Held der Ukraine" zu entziehen. Einen Monat später hob ein Donetzker Gericht entsprechende Gesetzeserlasse des Vorgänger-Präsidenten Juschtschenko auf. Zum angeblichen Genozid am ukrainischen Volk durch den sog. Hungerholocaust 1932/1933 erklärte Janukowitsch Ende April 2010 bei einem Besuch in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßbourg, dass der Hunger der 30er Jahre den Fakt eines Genozides in Bezug auf nur ein bestimmtes Volk nicht erfülle und es falsch und ungerecht sei, vom Genozid an einem Volk , dem ukrainischen Volk, zu sprechen.

Janukowitsch, selbst ein gläubiger orthodoxer Christ, sorgte dafür, die Beziehungen zur russischen orthodoxen Kirche zu normalisieren. Mehrfach hat er bereits den Patriarchen von Moskau und ganz Russlands, Kiril, empfangen. Der letzte Besuch des Moskauer Patriarchen in der Ukraine fand in der zweiten Julihälfte 2010 statt. Bei einem Empfang bei Präsident Janukowitsch überreichte der Moskauer Patriarch Janukowitsch den höchsten Kirchenorden der russisch-orthodoxen Kirche.

Auch die Auslandbeziehungen wurden unter der neuen ukrainischen Regierung neu gestaltet.

Janukowitschs erste Auslandreise führte ihn zwar nach Brüssel, wo diplomatische Nettigkeiten ausgetauscht wurden, aber dann ging es schon nach Moskau, auch nach Minsk und nach Astana (Kasachstan). Am 21. April 2010 verhandelten Medwedjew und Janukowitsch in Charkow, wo der Vertrag über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts der russischen Schwarzmeerflotte auf russischem Boden bis zum Jahre 2042 unterzeichnet wurde. In der Außenpolitik wurde unter Janukowitsch eine komplette Kehrtwendung vollzogen. Die Gewährung eines Rabatts von 30 % auf die Preise für russische Erdgaslieferungen war ein wirtschaftliches Entgegenkommen Moskaus, das vor allem langfristig den relativ billigen Bezug von Erdgas garantiert. Damit konnte die Ukraine mit der Einsparung von rund 40 Mrd. US-Dollar auch den Würgegriff des IWF konterkarieren. Das bedeutet, dass Kiew mit diesem freier verhandeln und bessere Kreditkonditionen erwirken konnte. Was die Zusammenarbeit mit dem IWF angeht, so ist diese internationale Wirtschaftsorganisation unter Führung der USA, dafür berühmt berüchtigt, Ländern, denen sie Kredite gewährt, unsoziale Bedingungen aufzuzwingen, die diese Länder in den finanziellen Ruin treibt, Bürgerkriege in diesen Ländern entfesseln hilft und schließlich und endlich diese Länder der ökonomischen und politischen Diktion der USA und anderen NATO-Staaten unterwirft. Die besten Beispiele dafür sind die ehemaligen sozialistischen Länder Ruanda und Jugoslawien. So sollte die Ukraine z. B. auf Anraten der IWF zu kapitalgedeckten Renten übergehen, obwohl bekannt ist, dass das die Renten von der Entwicklung der Geld- und Kapitalmärkte abhängig und damit total unsicher sind. Diese sog. Austeritätsbedingungen gibt es bei russischen und chinesischen Krediten nicht. Auch die Herumreiterei auf der sog. Korruption, die man im Westen merkwürdigerweise immer denen unterstellt, die nicht dem Westen botmäßig sind, ist sehr bedenklich. Man vergisst gerne, dass Korruption dem Kapitalismus per se systemimmanent ist.

In der Energiepolitik geht die Ukraine aber auch eigene Wege, z. B. indem sie nach wie vor auf südliche Routen für Erdgas- und Erdöllieferungen und damit auch auf eine Diversifizierung von Energielieferungen setzt. Die ukrainische Regierung strebt auch ungeachtet des Abkommens von Charkow über Gaslieferungen, eine formalrechtliche Revision des Abkommens an, dass noch im Januar 2009 die damalige Premierministerin Timoschenko mit Moskau für eine Dauer von 10 Jahren abgeschlossen hatte. Dieses Abkommen von 2009, das formalrechtlich noch nicht außer Kraft gesetzt ist, sieht einen Basispreis für Erdgas von 450 US-Dollar je 1000 Kubikmeter vor.

Groß war im Westen die Enttäuschung über die Verlängerung des ukrainisch-russischen Flottenvertrages und die wieder aufgenommene militärische Zusammenarbeit mit Russland und Belorussland. Das wird in bestimmten westlichen Kreisen als schwerer Rückschlag, sogar als eine schwere Niederlage, betrachtet. Um so größer ist das Geschrei über angeblich Demokratie- und Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine, über den 'Übergang der Ukraine zu einem autokratischen Präsidialregime unter dem neu gewählten Präsidenten Janukowitsch' usw. Als Juschtschenko zu autokratischen Methoden der Machtausübung übergehen wollte, um die Ukraine NATO- und EU-kompatibel zu machen, wurde das in den westlichen Mainstream-Medien nicht beanstandet und westliche Regierungen ermutigten Juschtschenko eher zu diktatorischen Maßnahmen, wobei es seinerzeit auch darum ging, dass sich Juschtschenko gegen Frau Timoschenko als seine Hauptrivalin durchsetzt.

Dass unter Janukowitsch Präsidialamt und Regierung sowie Parlament harmonisch zusammenarbeiten, kann man wohl schlecht einem autokratischen Führungsstil zuschreiben. Im Allgemeinen zeigt der ukrainische Präsident Janukowitsch eine rege außen- und innenpolitische Aktivität. Das hat nichts mit autokratischen Gehabe zu tun, sondern dient den Interessen des ukrainischen Volkes. Dabei geht Janukowitsch auch in seiner Westpolitik sehr klug vor.

Die Pressionen des IWF auf die ukrainische Wirtschaft konnten in ihrer Wirkung wesentlich abgeschwächt werden. Zum anderen dehnt die Ukraine ihre Beziehungen außer zu Russland und Belorussland auch zu den mittelasiatischen Republiken, in die Türkei und den Iran sowie zur VR China aus. Janukowitsch erkannte, dass die Ukraine künftig günstig Erdgas und Erdöl auch im Iran einkaufen kann. Die dennoch weiter auch von Janukowitsch angestrebten Assoziierungsabkommen mit der EU und Abkommen zu Schaffung von Freihandelszonen aber werden von der EU zunehmend blockiert. So legt die EU in Fragen der Visafreiheit die Bestimmungen des Schengener Abkommens seit dem Machtantritt von Janukowitsch gegenüber der Ukraine verschärft aus. Anvisierte Abkommen über Visafreiheit werden mit zunehmendem Misstrauen betrachtet

In Kiew erkannte man inzwischen: den westlichen Regierungen geht es gar nicht um gutnachbarliche Beziehungen und Kooperation zum gegenseitigen Vorteil, ihnen geht es um die Ausübung von Vormacht. Janukowitsch versucht jetzt auf bilateraler Basis insbesondere die Beziehungen zu den benachbarten Staaten zu verbessern wie z.B. zu Litauen, der Slowakei, Tschechien und Polen, aber auch zu Rumänien und Moldawien.

Die ersten hundert Tage der Amtszeit von Janukowitsch waren geprägt von Staatsbesuchen nicht nur in Brüssel, Moskau, New York und bei der UNO, sondern auch in Astana (Kasachstan) und Minsk, in Istanbul, sowie durch die Teilnahme an der CICO (Konferenz über Zusammenarbeit und Vertrauensmaßnahmen in Asien) in Istanbul. Auf der CICA-Konferenz in Istanbul waren u.a. vertreten: der russische Premierminister Putin, der kasachische Präsident Nazarbajew, der aserbaidschanische Präsident Alijew, der pakistanische Präsident Ali Zardari und der Sonderemissär des chinesischen Präsidenten, Staatsberater Dai Bingguo. Es ging für Janukowitsch um die Sicherung der Zukunftsmärkte der Welt auch für die Ukraine. Und hier in Istanbul wurde auch mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad verhandelt. . Was die Zusammenarbeit im europäischen Raum betrifft, so strebt die Ukraine, wie gesagt, den Status eines assoziierten Mitglieds der EU an. Das zeigte sich u.a. bei dem Treffen von Präsident Janukowitsch mit dem Präsidenten des Europäischen Rats ,Herman van Rompuy, am 9. Juli 2010. Die Ukraine orientiert sich real aber stärker auf die Zusammenarbeit im Rahmen der GUS-Staaten, wie erneut ein Treffen in Jalta auf der Krim am 10. Juli zeigte. Dort gab es eine wichtige Beratung der Staatsoberhäupter der Ukraine, Janukowitsch, der Russischen Föderation Medwedjew, von Belorussland, Lukaschenko, von Kasachstan Nazarbajew, der Aserbaidschanischen Republik. Alijew und der Republik Armenien Sargasjan. Dabei wurden die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionstätigkeit, sowie Projekte der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Touristik diskutiert. Ferner vertieft die Ukraine die Zusammenarbeit im Rahmen der Shanghai-Pakt-Staaten sowie mit den Staaten im asiatischen Raum, mit Südamerika und mit den Islamischen Staaten, hier auch mit den D-8 Staaten, die den Sitz ihrer Organisation in Istanbul hat. Den D-8 gehören an: Bangladesch, Ägypten, Indonesien, der Iran, Malaysia, Nigeria, Pakistan und die Türkei mit insgesamt 930 Mio. Menschen.

Das krisengeschüttelte Westeuropa wird für die Ukrainer zunehmend weniger interessant. Die Wiederannäherung an Russland hat dazu geführt, dass sich die westliche Propaganda gegen Janukowitsch, das sei hier nochmals festgestellt, verstärkt. Ihm wird ein autoritärer Regierungsstil unterstellt. Ihm wird vorgeworfen, er hätte ein "Donetzker Regime" eingeführt, was so viel wie Russenregime heißt. Er wolle mit einer undemokratischen Verfassungsänderung seine persönliche Macht stärken, obwohl es bei dieser Verfassungsänderung genauso genommen um eine klarere Kompetenzabgrenzung gegenüber der Regierung geht, die vorher auch Juschtschenko anstrebte. Das zeigt, dass der Westen keine Regierung dulden will, die gute Beziehungen zu Russland anstrebt, obgleich das dem europäischen Frieden und der Friedenssicherung dient. Man will eine ukrainische Regierung, die gegenüber Russland einen Konfrontationskurs fährt und eine NATO-Mitgliedschaft anstrebt. Das zeigte sich jüngst wieder im August 2010 beim Besuch von Präsident Janukowitsch in der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde zwar von Frau Merkel, Bundespräsident Wulf und Bundesaußenminister Westerwelle nach den diplomatischen Gepflogenheiten empfangen, aber man kritisierte die Ukraine wegen der angeblichen Nichteinhaltung von demokratischen Rechten (Einschränkung der Presse- und Medienfreiheit sowie Versammlungsfreiheit, Behinderung von Stiftungen und NGO's in ihrer prowestlichen Subversionsarbeit usw.). Es wurden in diesem Zusammenhang keine Zusagen zu einem Assoziierungsabkommen mit der EU gemacht. Ein solches, auch von Janukowitsch gewolltes Assoziierungsabkommen, aber reicht der EU nicht aus. Man will den Unterwerfungsakt unter die EU-Vollmitgliedschaftsverträge, was dann das Überwechseln der blockfreien Ukraine ins westliche Lager und die Frontstellung gegen Russland und die GUS bedeuten würde. Heuchlerisch wurde bei diesen Treffen auf die Frage der angeblichen ungenügenden Presse- und Medienfreiheit der derzeitigen Ukraine verwiesen.

Aber das, was man der Ukraine vorwirft, z. B. die Beeinflussung der Presse und des Fernsehens sowie des Internets durch staatliche Organe, die Tätigkeit von Medienräten, die Überwachung von Medien und auch einzelner Journalisten in Bezug auf Finanzströme u. a. mehr, gibt es gerade und besonders ausgeprägt, in Deutschland. Deutsche Politiker begründen ihre Forderung gegenüber der Ukraine damit, dass man die "verfassungsmäßige Ordnung sichern und sich gegen Terrorismus schützen müsse". Wie man weiß, werden in westlichen Ländern Presseorgane und Journalisten dahingehend überwacht, ob sie z. B. aus Russland sowie islamischen Staaten wie den Iran und Syrien usw. Geldmittel erhalten. In diesem Zusammenhang regnet es auch heftige Medienschelte bis zu Verboten, wenn ukrainische Artikel erscheinen, die das herrschende politische System in Deutschland in Frage stellen. Auch bestimmte Kontrollfunktionen des ukrainischen SBU (Inlandgeheimdienstes) werden kritisiert, die vom bundesdeutschen Verfassungsschutz im eigenen Lande selbstverständlich wahrgenommen werden. Während dieser dem Schutz der inneren Sicherheit dienen soll, wird das gleiche Recht dem ukrainischen Inlandgeheimdienst nicht zugestanden!

Ein Vergleich der Presse- und Medienfreiheit zwischen Deutschland und der Ukraine z. B. bezüglich der Vielfalt und Breite der Berichterstattung, bzw. der Aussagefähigkeit politischer Kommentare zeigt übrigens, dass die Ukraine einen wesentlich besseren Standard als Deutschland und die USA aufzuweisen hat. Das gilt auch für das in dieser Hinsicht ständig kritisierte und geschmähte Russland. Es soll darüber hinweggetäuscht werden, dass auch für die Herrschenden in Deutschland der eigentliche Maßstab dessen, was man Presse- und Medienfreiheit nennt, nur die Frage ist, ob man bedingungslos für den Westen und sein Wertesystem eintritt oder nicht.

Deswegen ließ sich Janukowitsch durch die verschiedenen Anwürfe, auch aus Berlin, nicht beirren. Er erklärte, dass die Partnerschaft der Ukraine zu Deutschland innerhalb der EU von strategischer Bedeutung ist und der Freundschaftsgedanken und die enge Zusammenarbeit im Vordergrund stehen müssen.

Eine vorrangige Stellung nehmen für die Ukraine auch die Beziehungen zur VR China ein. Am 2. September 2010 fand ein bedeutender Staatsbesuch von Präsident Janukowitsch in der VR China und in der Sonderverwaltungszone Hongkong statt. Es kam in der VR China zu Treffen mit dem chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao, Ministerpräsidenten Wen Jiabao, und dem Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (des allchinesischen Rats der Volksvertreter) Wu Banguo. Präsident Janukowitsch besuchte mehrere chinesische Unternehmen und Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Er trat auch auf dem ukrainisch-chinesischen Wirtschafsforum auf. Neben einer gemeinsamen Erklärung über die allseitige Erhöhung des Niveaus der chinesisch-ukrainischen Beziehungen der Freundschaft und Zusammenarbeit wurden ein Vertrag über die strategische Partnerschaft und die Aktivierung der bilateralen Kontakte auf höchster Ebene sowie bedeutende Verträge und Wirtschaftsabkommen, ferner ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bildungswesen unterzeichnet. Die VR China brachte zum Ausdruck, dass die Ausgestaltung der allseitigen Beziehungen zur Ukraine seit dem Amtsantritt von Präsident Janukowitsch Prioritätsrang erlangt hat. Im ersten Halbjahr 2010 wuchs der Warenaustausch beider Länder gegenüber dem Vergleichszeitraum 2009 um 22,3 % . Der Abschluss des China-Besuchs von Janukowitsch fand in Shanghai statt, wo er mit dem Sekretär der Kommunistischen Partei von Shanghai zusammentraf und der Expo einen Besuch abstattete. Am 5. September kehrte Janukowitsch nach Kiew zurück.


Die Blockfreiheit der Ukraine ist in den "Richtlinien über die Innen- und Außenpolitik der Ukraine" festgelegt. Dafür gilt das am 15. Juli 2010 von Präsident Janukowitsch unterzeichnete Gesetz über die Grundzüge der Innen- und Außenpolitik der Ukraine. Dort ist die Blockfreiheit der Ukraine gesetzlich festgeschrieben. Man kann aber dennoch feststellen, dass die Ukraine sich wieder de facto in einem Militärbündnis mit Russland befindet und Blockfreiheit nur die Absage an die NATO-Mitgliedschaft bedeutet, was wesentlich zur Stärkung des russischen Vektors in der internationalen Politik beiträgt. Das strahlt jetzt auf den Shanghai-Pakt ab, denn es festigt sich auch die strategische Partnerschaft Russlands mit der VR China, den mittelasiatischen Staaten, aber auch mit solchen Staaten wie der Mongolei, Indien, den Iran und nunmehr wieder der Ukraine. Die ukrainische Außenpolitik zeigt aber dennoch Züge der Selbständigkeit z. B. in der Georgienfrage. So hat Kiew die Unabhängigkeit von Südossetien und von Abchasien nicht anerkannt. Es sucht gute Beziehungen zu Georgien. Am 11. Juni 2010 empfing der ukrainische Präsident Janukowitsch den georgischen Außenminister in Kiew zu einem konstruktiven freundschaftlichen Gespräch. Im Verhältnis zu Georgien zeigen sich Parallelen zur Politik von Lukatschenko in Belorussland. Der ukrainische Präsident Janukowitsch und der belorussische Präsident Lukaschenko halten hier auch nach außen eng zusammen. Das findet zwar offiziell nicht die Zustimmung Moskaus, ist aber höchstwahrscheinlich als taktisches Manöver zur Diversifizierung der Außenpolitik mit der Kreml-Führung abgestimmt.

Falsch ist es, wenn behauptet wird, dass sich die Ukraine wieder vorbehaltlos der russischen Politik und russischen Interessen unterworfen hat. Die Zusammenarbeit mit Russland wird als Schlüsselfrage der Entwicklung des Landes angesehen. Trotzdem versucht die Ukraine, wie gesagt, weiterhin eine strategische Partnerschaft zur EU und zu den USA aufzubauen. Das wurde auch beim Besuch der US-Außenministerin Clinton in Kiew zum Wochenende vom 2.-3. Juli 2010 und bei ihrem Staatsempfang durch die ukrainische Präsidentenadministration deutlich. Frau Clinton stattete allerdings auch der scharfen prowestlichen Gegnerin von Janukowitsch, Frau Timoschenko, einen Besuch ab und sagte dieser Unterstützung in ihrem scharfen Oppositionskampf zu, was nicht unterschätzt werden sollte, da die USA-Politik immer auf Möglichkeiten aus ist, Umstürze zu organisieren, die in Staaten zu einem proamerikanischen Regime führen, wenn ein solches noch nicht besteht.

Janukowitsch kommt es auf die Friedenssicherung, die Konfliktvermeidung der NATO mit Russland an. Er hat dem NATO-Beitritt eine langfristige Absage erteilt, hat aber eine Zusammenarbeit mit der NATO nicht eingestellt. So hat er den NATO-Ländern angeboten, auch weiter auf ukrainischem Territorium mit ihnen Truppenübungen, auch Seeübungen, durchzuführen. Der Unterschied zur Juschtschenko-Ära besteht darin, dass ukrainische Streitkräfte jetzt auch mit russischen und belorussischen Streitkräften , bzw. Streitkräften der mittelasiatischen Staaten Militärübungen durchführen. Es besteht hier also mehr Gleichgewichtigkeit. Die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine wird zügig gestärkt, besondere Aufmerksamkeit hat Janukowitsch der Armee, besonders den See- und Luftstreitkräften, dem Grenzschutz, den Zollorganen, dem Geheimdiensten und anderen bewaffneten Organen gewidmet.

Man ist im Westen verblüfft, mit welcher Schnelligkeit Janukowitsch auch personalpolitisch seine Machtbasis gefestigt hat. In der Tat hat er schnell seine verfassungsmäßigen Befugnisse genutzt, um neue Gesetze des Vorgänger-Präsidenten aufzuheben, neue Chefs der Gebiete und Rayons, neue Chefs der bewaffneten Organe und der Geheimdienste usw. einzusetzen. Richtig ist deswegen die Feststellung, dass Janukowitsch in seiner Regierungszeit umfassende Kaderrevirements eingeleitet hat.

Präsident Janukowitsch hat diese unverzüglich nach seiner Amtsübernahme auf allen Ebenen des Staatsapparats vorgenommen.

Am Anfang stand die Erneuerung der Präsidentenadministration und deren Neuernennung. Janukowitsch berief neben fast allen der 24 Gebietsgouverneure und der meisten Rayonvorsitzenden per Erlass auch einen neuen Rektor der Nationalen Akademie für die staatliche Verwaltung, einer wichtigen Kaderschmiede für den Staatsapparat der Ukraine.

Die Führung solcher Organe wie des Inlandsgeheimdienstes und Auslandsgeheimdienstes, der Grenztruppen usw. wurden komplett ausgetauscht. Neu besetzt wurden auch die meisten Posten der regionalen Geheimdienstchefs. Die vom früheren Präsidenten Juschtschenko angeordnete besondere Überwachung von Geheimdienstaktivitäten der russischen Geheimdienste wurde beendet. Der Präsident ernannte u.a. einen Bevollmächtigten des Präsidenten für die Kontrolle des Sicherheitsdienstes.

In den Streitkräften erfolgte u.a. die Ablösung von Admiral Tenjuch als Chef der Schwarzmeerflotte und Stellvertretenden Verteidigungsminister. Damit wurde ein exponierter Befürworter des NATO-Beitritts der Ukraine aus den bewaffneten Organen entfernt.

Am 29. Mai 2010 trat der Generalstabschef und militärischer Befehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Armeegeneral Iwan Swida, von seinem Posten zurück. Er war vom Vorgängerpräsidenten Juschtschenko noch im November 2009 in dieses hohe Amt berufen worden, weil er als Nato-kompatibel galt. Iwan Swida begründete seinen Rückritt mit seinem Dissens bezüglich der Militärpolitik des neuen Präsidenten Janukowitsch. Abgelöst wurde auch der ukrainische Luftwaffenchef Iwan Rusnak.

Neu ernannt wurden Grigori Pedtschenko zum Generalstabschef und Armeeoberbefehlshaber, Viktor Maximow zum Marinechef und Sergej Onischtschenko zum Luftwaffenchef. Janukowitsch hat damit neue Personen in die Führung der Streitkräfte gebracht, die auf Distanz zur NATO stehen. Im August 2010 wurde der frühere Verteidigungsminister unter Timoschenko, Valerij Iwanschtschenko, (er amtierte von Juni 2009 nach dem Rücktritt von Grizenko bis März 2010) verhaftet. Das stand nicht nur im Zusammenhang mit dem ihm vorgeworfenen Missbrauch der Dienstbefugnisse bei der Privatisierung des Schiffsmechanikwerkes Fedosi. Abgelöst wurde auch der Kommandierende der Truppen des Innenministeriums, General Kichtenko. Zum Leiter der Hauptverwaltung und Kommandierenden der Truppen des Innenministeriums ernannte Präsident Janukowitsch General Worobjow.

Janukowitsch hat ferner Kaderneubesetzungen im diplomatischen Dienst vorgenommen. Eine Reihe von Botschafterposten wurde neu besetzt, so der Botschafterposten in Großbritannien.

Jetzt steht in der Ukraine eine Justizreform an, die eine Entpolitisierung des Justizwesens einleiten und zur Herstellung echter Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte von Parteieneinflüssen führen soll.

Es gab auch schon zahlreiche neue Richterbesetzungen. Zu den Kaderrevirements im Justizwesen gehört auch die Wahl von Anatol' Golowin zum neuen Präsidenten des Verfassungsgerichts.

Noch im Amt ist Generalstaatsanwalt Med'wedko. Er war zu Juschtschenkos Zeiten einer der führenden Juristen, die sich für die strenge Einhaltung der Regeln der Verfassung, bisweilen auch gegen Anweisungen von Juschtschenko, eingesetzt haben. Med'wedko hat sich in der Tat z. B. immer für Legitimität der Partei der Regionen eingesetzt. Ein entgegengebrachter Vertrauensbeweis ist beispielsweise, dass Med'wedko am 20. Juli 2010 von Janukowitsch persönlich bei einem Empfang in der Präsidentenadministration beauftragt wurde, den Vorwurf der Durchführung politischer Prozesse zu prüfen, die der frühere Präsident Krawschuk erhoben hatte. Auch der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Wassil' Oponenko, der früher als ausgewiesener Anhänger von Frau Timoschenko galt, befindet sich noch im Amt.

Letzteren empfing Janukowitsch am 13. August 2010 zu einer ausführlichen Unterredung. Kritisiert worden war Oponenko u.a. wegen ungenügender Korruptionsbekämpfung.

Janukowitsch entfaltet eine große Arbeitsintensität und bewältigt täglich ein großes Arbeitspensum. Fast täglich führt er Unterredungen mit Vertretern der Regierung, Vertretern der Gebiete und Rayons und der kommunalen Organe, Repräsentanten ausländischer Staaten und internationaler Organisationen durch. Er empfängt ebenso Vertreter der ukrainischen Bevölkerung, um sich ein Stimmungsbild von der Meinung des ukrainischen Volkes machen zu können. Unter seiner Leitung werden Kommissionssitzungen durchgeführt, z. B. des Komitees für Wirtschaftsreformen oder der Justizreform. Janukowitsch empfängt Richter und Staatsanwälte. So führte er z.B. am 11. 8. 2010 Unterredungen mit dem Leiter der ukrainischen Zollverwaltung, Igor Kalstnik, und dem Minister für Bildung und Wissenschaft, Dmytri Tabatschnik und am 13. 8. 2010 mit dem Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Wasil' Oponenko, sowie dem Leiter der Staatlichen Steuerverwaltung, Oleksandre Papajko. Er ließ sich von ihnen berichten und gab ihnen wichtige Weisungen. Persönlich kümmerte er sich in den kritischen Augusttagen um die Brandvorbeugung und Brandbekämpfung.


Versuche einer Neuauflage der "orangenen Revolution" gab es durchaus

Man hat im Westen alles versucht, nochmals so etwas wie eine "orangene Revolution" auf die Beine zu bringen und Frau Timoschenko war auch bereit, erneut die Rolle einer "Jungfrau von Orleans" zu spielen. Nur hatte sie übersehen, dass dem ukrainischen Volk inzwischen die Augen über ihre betrügerische Rolle aufgegangen sind und dass sie auch nicht mehr so jungfräulich wirkt wie noch vor 5 Jahren, zumal sie inzwischen die 50 überschritten und sich zudem sich noch nie durch besondere Intelligenz hervorgetan hat. Sie ist im Grunde eine geistig primitive Demagogin.

Was sie reichlich besitzt, ist ein ausgeprägter persönlicher Ehrgeiz und eine starke Geltungssucht. Frau Timoschenko trägt inzwischen Lockenpracht statt Haarkranz, aber auch das wird ihr nicht wieder zur Macht verhelfen.

Es gab sowohl seitens von Frau Timoschenko als auch des führen Präsidenten Juschtschenko mehrere Versuche, das Wahlergebnis gerichtlich anzufechten. So gab den massiven Versuch von Frau Timoschenko, den Wahlsieg von Janukowitsch vor dem Obersten Verwaltungsgericht und den gleichen Versuch Juschtschenkos, datiert vom 13. Februar, vor dem Verfassungsgericht anzuzweifeln. Bei der Abwehr einer Neuauflage der "orangenen Revolution" mit Straßenaufläufen, Straßenkrawallen und Blockaden von Regierungsgebäuden spielte eine große Rolle, dass die nationalistischen Kräfte der Ukraine ihre Illusionen verloren haben, dass für sie der Westen hilfreich sein könnte. Insbesondere auch die westukrainischen Nationalisten um Oleg (Oleh) Tjanybok haben erkannt, dass ihnen schon bei einem EU-Beitritt der Ukraine gewaltige Restitutionsforderungen ins Haus stehen. Die ukrainischen Nationalisten waren aber die Hauptstütze der sog. "orangenen Revolution" gewesen. Ohne sie wäre auch im Jahre 2004 nichts gelaufen.


Zur Frage von Kommunalwahlen

Nach einem Beschluss des Parlaments wird es am 31. Oktober 2010 freie demokratische Kommunalwahlen geben (in bestimmten Beiträgen werden sie auch Regionalwahlen genannt). Sie finden nach der Festigung der Führungsstrukturen in der Autonomen Republik Krim, in den Gebieten und Rayons sowie in Kiew statt. Es sind Wahlen, die alle Führungsebenen unterhalb der Zentralregierung betreffen. Es sind somit Wahlen zu den Gebiets-, Rayon-, Stadt- und Ortsparlamenten und dem Parlament der Autonomen Republik Krim. Gewählt werden dabei auch die Ratsvorsitzenden. Diese Wahlen werden ein erster Stimmungstest für Janukowitsch sein. In Oppositionskreisen hofft man, dass sie gegen Janukowitsch und die ihn unterstützenden politischen Kräfte ausfallen werden. Allerdings fehlt es den Gegnern von Janukowitsch jetzt an Potenz, nachdem die vom Parlament Ende August 2010 mit 264 Stimmen beschlossene neue Wahlgesetzgebung ihnen verbietet, in Wahlblöcken anzutreten und auch nur Parteien zur Wahl antreten dürfen, die mindestens ein Jahr vor dem Wahltermin zugelassen wurden. Das dient dem Zweck, Parteienwildwuchs zu verhindern, der nur demagogischen Zwecken dienen kann.

Das Verbot, in Parteienblöcken anzutreten, ist ein empfindlicher Schlag gegen Frau Timoschenko und dem ehemaligen Präsidenten Juschtschenko, der ebenfalls von einem politischen come back träumt.

Der Block von Frau Timoschenko, jetzt Bjut-Batkivschtschina genannt, besteht aus den Parteien Allukrainische Vereinigte Vaterlandspartei, Ukrainische Sozialdemokratische Partei und Partei Reformen und Ordnung. Beim Block des früheren Staatspräsidenten, Unsere Ukraine, Volksverteidigung verhält es sich noch vielfältiger. Er besteht aus der Volksunion "Unsere Ukraine", die auch wieder einen Parteienblock darstellt, und den Parteien Vorwärts Ukraine, Volksbewegung der Ukraine Ruch, Ukrainische Nationalpartei, Ukrainische Republikanische Partei Sobor, Christlich-Demokratische Partei, Europäische Partei der Ukraine, Bürgerpartei "PORA".und Partei Vaterlandsverteidigung. Getrennt sind diese Parteien relativ schwach, und sie sind oft nur regional präsent. Diese müssen nun getrennt zur Wahl antreten, wie das auch in jeder echten Demokratie üblich ist und müssen getrennt die Wahlhürden für den Einzug in die Parlamente überwinden. Verschärft wurden auch die Bedingungen für die Zulassung neuer Parteien. So können sich Parteien auch nicht kurzfristig neu bilden oder vereinigen, um ein bestimmtes Wahlziel zu erreichen. Die Wahlmanipulationsmöglichkeiten wurden damit erheblich eingeschränkt.


Warum wirken die Vektoren der powestlichen Politik nicht mehr?

Das hat mehrere Ursachen:

1. Der Westen verliert seine Vorbildfunktion als Wohlstandsmodell für alle. Dazu klaffen die Gegensätze zwischen Reich und Arm in den westlichen Ländern zu sehr auseinander und die Krisenerscheinungen dort nehmen dramatisch zu. Mit westlicher Propaganda kann man da wenig wettmachen.

2. Das westliche Demokratiemodell ist von der Bevölkerungsmehrheit der Ukraine als das erkannt worden, was es real ist, als Attrappenmodell zur Tarnung der wahren Machtverhältnisse der Klasse der Großbourgeoisie, als Tünche der Diktatur der Großbanker und Megaspekulanten über das Volk, der Diktatur der Superreichen über die Volksmassen. Auch die Freiheitsrechte dienen unter diesen Machtverhältnissen nur der Täuschung der Volksmassen, denen real die Ausübung dieser Freiheitsrechte verwehrt ist. Sie verstehen,dass den Volksmassen wird in den westlichen Ländern Demokratie nur vorgegaukelt wird, in Wirklichkeit sind sie machtlos.

3. Man hat gelernt, mit westlicher Unterwanderungspolitik umzugehen und deren Fallstricke rechtzeitig zu erkennen. Das ukrainische Volk hat schnell dazugelernt, was der westliche Segen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten wirklich bedeutet. Man hat das auch in der Ukraine genauer analysiert und kann jetzt besser darauf reagieren. Für Finanzoligarchen des Westens gehen die Massen nicht mehr begeistert auf die Straße und besteigen auch keine Barrikaden mehr. Man fällt nicht mehr auf Slogans rein, die nur auf Volksverdummung und Volksbetrug hinauslaufen. Das Volk vergießt sein Blut nicht für de westliche Freiheit, die dem Wesen nach nur die Freiheit der zügellosen Ausbeutung des Volkes bedeutet und für superprofitgierige Banker und Börsianer will auch keiner mehr kämpfen. "Wir vergießen nicht Schweiß und Blut, damit sich gierige Finanzoligarchen exorbitant bereichern können", erklärte auch der Führer der ukrainischen Nationalisten Oleg (Oleh) Tjanybok.

4. Westliche Ablenkungstricks vom Verbrechertum der Welt der Banken und Börsen, vom Yankeyismus ziehen nicht mehr. Wenn auch von westlichen Propagandisten ständig auf die pro-russischen Oligarchen der Ukraine verwiesen wird, die angeblich zügellos das ukrainische Volk ausbeuten, so ist festzustellen, dass ihnen das durch die Sozialpolitik von Janukowitsch und der Parlamentsmehrheit sehr erschwert wird. In der Ukraine wird im Gegensatz zu allen neoliberalen westlichen Ländern eine Politik der konstanten Wohlstandssteigerung für das gesamte Volk durchgeführt, die real z. B. in der Realeinkommensteigerung und anderen Wohlstandsparametern messbar ist. Die orthodoxe Kirche spielt ebenfalls eine bedeutende moralisierende Rolle, auch in der Wirtschaft, insbesondere bei der Durchsetzung von Solidarität. Die Welt der Ostslawen ist da auch grundsätzlich anders zu bewerten als die westliche yankeiamerikanisierte Welt, in die man jetzt seitens des Westens versucht, die westslawischen und südslawischen Völker einzubeziehen.

Die Vorwürfe des Westens gegenüber Janukowitsch, er würde die Presse, Rundfunk und Fernsehen mit einer angeblich selbst verordneten Selbstzensur knebeln, sind ein Eigentor. Wer die Verhältnisse, z.B. in Deutschland kennt und mit denen in der Ukraine vergleicht, weiß, dass es in der Ukraine nach wie vor in reichlicher Zahl Zeitungen und Rundfunk- bzw. Fernsehsendungen der Opposition gibt. Ja, Frau Timoschenko durfte darin sogar Hetztiraden verbreiten, dass Janukowitsch ein Tyrann sei, der die Demokratie und das Ukrainertum abschaffen will.

Dass man heute in der Ukraine weniger Kotaus vor dem USA sowie der EU und NATO vernimmt, hängt einfach damit zusammen, dass westliche Propaganda kritischer analysiert wird. So finden jetzt auch Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan oder das Kapern der Gaza-Rettungsflotte Widerhall in den Medien. Intensiv wird die über sich zuspitzenden Krisenerscheinungen des westlichen Finanz- und Wirtschaftsystems und den drohenden Verfall des Euro berichtet. Kritisch wurde in der ukrainischen Presse auch über die Einschränkungen der Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland z. B. im Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buches von Sarrazin "Deutschland schafft sich ab" berichtet. Man sollte die Grundthesen von Sarrazin zurückweisen, aber dass jemand sein Amt wegen einer freien Meinungsäußerung, die konträr zur amtlichen Meinung steht, verliert, kann in der Tat als typische Erscheinung des Unterdrückungsmechanismus einer Diktatur hingestellt werden, heißt es da beispielsweise in ukrainischen Presseartikeln. Zitiert wird auch folgende Aussage von Sarrazin am 9. September 2010: "Ich habe in den vergangenen 14 Tagen massiven Druck gespürt. Das war für mich nicht einfach. Ich habe mir überlegt, ob ich es mir leisten kann, mich mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen, mich aber dagegen entschieden. Diese Situation hält keiner durch". Das wird als ein deutliches Zeichen für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, auch in Deutschland, gewertet. Bekanntlich hat Sarrazin sein Amt als Mitglied des Vorstands der Bundesbank, wenn auch von sich aus, gezwungenermaßen aufgeben müssen.

Und dass in den ukrainischen Medien jetzt keine Loblieder auf Juschtschenko oder Frau Timoschenko mehr gesungen werden, ergibt sich logisch als Konsequenz ihrer Bankrottpolitik.

Wenn der Westen von Zensur redet, dann drückt er allgemein auch nur seine Enttäuschung darüber aus, dass er mit seinen Propagandaslogans nicht überall durchkommt und dass diese nicht die Medien und damit die öffentliche Meinung beherrschen. Er muss akzeptieren, dass es in anderen Ländern, so z. B. in der Ukraine, eben auch andere, darunter auch antiwestliche Meinungen gibt, die verbreitet werden dürfen, ohne dass eine Gesinnungsstrafjustiz eingreift. In der Ukraine können andere Meinungen ungehindert übers Internet verbreitet werden, ohne dass eine Zensur eingreift und die Verfasser Nachteile, z. B. im beruflichen Leben, erleiden müssen, wie das auch in Deutschland der Fall ist.

Was in der ukrainischen Öffentlichkeit ebenfalls nicht mehr geglaubt wird, ist die Auffassung ukrainischer Oppositioneller, der Westen hätte sie im Kampf um die Durchsetzung westlicher Demokratie und um die NATO-Zugehörigkeit im Stich gelassen. Die Bevölkerung hat mehrheitlich erkannt, dass die vom Westen versprochenen reichen Geldflüsse aus westlichen Finanzquellen schließlich nur der Bereicherung einzelner führender Oppositioneller dienen. Als Juschtschenko noch an der Macht war, erwartete dieser oft für seine Avancen an westliche Länder sofort reiche Geldspritzen. Er übersah aber, dass auch Länder wie Deutschland nicht mehr Zahlmeisterfunktionen erfüllen können, ohne sich selbst ernsthaft zu schaden. Das sieht man jetzt sehr deutlich an den geschnürten Hilfspaketen für überschuldete Euro-Länder. Man jammert und stöhnt hier schon. Was würde erst sein, wenn da Dutzende oder gar Hunderte von Milliarden Euro auch noch in die Ukraine fließen müssten, damit die Versprechungen eines Juschtschenko oder einer Frau Timoschenko an das ukrainische Volk erfüllt werden könnten.

Nun, Janukowitsch geht da anders heran. Er erwartet keine reichlichen westlichen Hilfen, er sagt, damit es uns besser geht, müssen wir die Ärmel schon selber hochkrempeln. Und er hat natürlich auch erkannt, dass die Zukunftsmärkte gar nicht mehr so sehr im Westen liegen, dass diese sich in Asien, im Mittleren Osten, in Afrika und Südamerika entwickeln. Die größten Entwicklungsreserven liegen auch in den Synergieeffekten einer Zusammenarbeit mit Russland und Belorussland und den asiatischen Nationen.

Janukowitsch jetzt westlicherseits die Errichtung einer autokratischen Präsidentenherrschaft vorzuwerfen, obwohl die Zusammenarbeit mit der derzeitigen ukrainischen Regierung reibungsloser funktioniert, als zwischen dem ehemaligen Präsidenten Juschtschenko und der früheren Premierministerin Frau Timoschenko, ist völlig verlogen.

Natürlich pickt man im Westen diejenigen Dinge heraus, die das Image des derzeitigen ukrainischen Präsidenten beschädigen könnten. So verweist man z. B. darauf, dass eine angeblich mangelnde Demokratie in der Ukraine darin bestehe, dass das ukrainische Versammlungsrecht jetzt längere Anmeldefristen vorsieht als vorher und somit spontane Kundgebungen verboten sind. Man "übersieht" hierbei geflissentlich, dass auch die Gesetze über Versammlungen im Westen spontane, nicht angemeldete Kundgebungen, verbieten. Es sei, so der Westen, auch nicht demokratisch, wenn ein neues ukrainisches Gesetz über die Durchführung von Referenden mindestens 4 Millionen Unterschriften vorschreibt und solche Referenden nur im Zusammenhang mit Verfassungsänderungen, Außerkraftsetzung von Verfassungsbestimmungen sowie der Außerkraftsetzung bzw. Änderung von Gesetzten stehen dürfen. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang daran, wie hoch die Hürden allein in Deutschland, für Volksabstimmungen gesteckt sind und daran, dass das deutsche Volk, im Unterschied zu den Niederlanden, Frankreich oder Irland, nicht darüber entscheiden durfte, ob es der EU beitreten will oder nicht!!

Dass man in der Ukraine wieder eine verstärkte Russifizierung eingeleitet hat, ist nach westlicher Ansicht auch falsch. Dabei wird bewusst verschwiegen, dass Ukrainer, die überragende Verdienste für das ukrainische Volk geleistet haben, auch entsprechend gewürdigt werden. So ehrten Janukowitsch, Asarow, Litwin und andere hochrangige ukrainische Politiker am 25. Juni 2010 beispielsweise den Historiker Michailo Gruschewskij und den Dichter und Publizisten Taras Schewtschenko anlässlich des Tages der ukrainischen Verfassung in einer speziellen Feier mit Ansprachen und Kranzniederlegungen an den Gräbern dieser herausragenden Vertreter des Ukrainertums. Auch wird offiziell immer wieder erklärt, dass die wieder aufgenommene Kooperation mit Russland keineswegs eine Absage an die Integration der Ukraine in Richtung Westeuropa bedeutet.

Die Freundschaft zu Russland hat in der Ukraine eine lange Tradition. So ließen sich die Heldentaten von ukrainischen Nazi-Kollaborateuren in der Ukraine durch den vormaligen ukrainischen Präsidenten Juschtschenko auch schwer verkaufen. Dazu ist der Antifaschismus zu fest im gesamten ukrainischen Volk verwurzelt.

In der Sprachenpolitik ist Janukowitsch im Gegensatz zur rigiden Ukrainisierungspolitik von Juschtschenko wieder auf den Boden der Realität zurückgekehrt und diese Realität ist, dass ca. 50 % der ukrainischen Bevölkerung heute noch vorwiegend Russisch statt ukrainisch spricht. Es ist nicht unbedingt vorgesehen, Russisch zur zweiten Amtssprache zu erheben, denn das würde eine Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit erfordern, man stellt mehr auf die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen ab. So ist z. B. in der Autonomen Republik Krim Russisch wieder zur Sprache amtlicher Dokumente erhoben worden. Auch das Krimtatarische wurde als Regional- und Minderheitensprache aufgewertet. Das gilt übrigens auch für das Ungarische und Polnische in einigen Regionen der Westukraine.

Richtig war auch, die einseitige Fixierung auf die ukraino-ethnische Geschichtsinterpretation zurückzunehmen. Unter Juschtschenko hat diese Geschichtsinterpretation praktisch zur Heroisierung von Kollaborateuren mit dem Nazi-Okkupanten während des 2. Weltkrieg wie von Bandera und Schuchewitsch oder des Kosakenverräters Mazeppa, der mit dem Schwedenkönig Karl XII. de facto die Unterwerfung der Ukrainer unter Schwedenherrschaft bewirkt hat, geführt, was das Gegenteil von Kosakenfreiheit gewesen wäre, hätte diese Politik Erfolg gehabt. In der Schlacht bei Poltawa wurden dann bekanntlich die Eroberungspläne Karls XII. zunichte gemacht. Und der Begriff "Großer Vaterländischer Krieg" für den 2. Weltkrieg, den Tabatschnyk im Schulunterricht wieder eingeführt hat, wird auch dem damaligen Kampf der Ukrainer gegen die Hitler-Okkupanten gerecht.

Was die Bildungs- und Geschichtspolitik anbelangt, so wirft man dem neuen Minister für Bildung und Wissenschaft, Dmytro Tabatschnyk, vor, eine ukrainophobe Politik zu betreiben und das Geschichtsbild der Ukraine wieder zu resowjetisieren. Dieser Vorwurf ist grundsätzlich falsch. Wenn er eingeführt hat, dass Prüfungen an Schulen und Universitäten jetzt auch außer in Ukrainisch wieder in Russisch, aber auch in Ungarisch, Polnisch und Krimtarisch, Moldawisch und Rumänisch abgelegt werden können, dient das der ethnischen Gleichberechtigung und nicht der Unterdrückung des Ukrainischen. Tabatschnyk setzt sich auch für einen Verzicht auf das Bologna-System ein, das Bachelor- und Masterabschlüsse vorsieht.

Dimitrij Tabatschnik bezog Positionen gegen die Neuschreibung der ukrainischen Geschichte, gegen die Verklärung solcher Gestalten wie Petlura, Bandera und Schuchewitsch. Deswegen lief gegen ihn am 30. März im Parlament (der Werchowna Rada) ein Misstrauensantrag, der von Frau Timoschenko gestellt worden war. Der Misstrauensantrag erhielt jedoch nicht die erforderliche Stimmenzahl der Abgeordneten.

Was den von Juschtschenko zum "absichtlich herbeigeführten Genozid am ukrainischen Volk" hochstilisierten Holodomor, die Hungersnot der Jahre 1932/1933 betrifft, so war es eine der ersten Amtshandlungen von Janukowitsch, diesen in eine richtige Relation zur Realität zu stellen. Wenn es in einigen Regionen der Sowjetunion in Gefolge der Kollektivierung Hungersnot und Menschenopfer gab, so betraf das neben der Ukraine auch andere Gebiete der UdSSR in der damaligen Sowjetunion. Die zeitweilige Hungersnot war auch nicht absichtlich von der Sowjetregierung inszeniert worden, wie man mit dem Begriff Genozid unterstellt. Sie entstand durch mehrere Faktoren wie Sabotageakte von kollektivierten Bauern vor allem seitens von Kulaken, Missernten infolge ungünstiger Wetterbedingungen, den Ausbruch von Seuchen wie Typhus. In der Westukraine kamen noch subversive Akte von polnischen Agenten hinzu. In einer Rede vor der parlamentarischen Versammlung des Europarats sprach sich Janukowitsch gegen die Bezeichnung dieser Hungersnot als Genozid am ukrainischen Volk aus, was auch in Russland begrüßt wurde, da man dort den hochgespielten Genozid zurecht als eine gegen Russland gerichtete Aktion betrachtet hatte. Dennoch wurde das sog. Holodomor-Denkmal in Kiew nicht geschleift, da es eine Hungersnot gab, die regional für die Bevölkerung durchaus tragische Folgen hatte, bis ab 1933/1934 die normale Versorgung durchgängig wieder hergestellt werden konnte. Allein dieses Ereignis mit dem Genozid an den Juden auf eine Stufe zu stellen, ist unangemessen und mehr als eine historische Übertreibung, es ist Geschichtsfälschung!

In der westlichen Propaganda gegen Janukowitsch und die Asarow-Regierung werden auch Vorgänge hochgespielt, die eine sehr marginale Rolle spielen, wie der Fakt, dass bei einer Kranzniederlegung zusammen mit dem russischen Präsidenten, von einem Windstoß ein aufgelegter Kranz wieder umfiel und Janukowitsch traf, was zufällig mal vorkommen kann oder dass es im ukrainischen Parlament, ausgelöst von Abgeordneten des Blocks Timoschenko auch mal eine kurze Schlägerei gab, als der neue Flottenvertrag mit Moskau im Parlament ratifiziert wurde.

Solches und ähnliches kann das Ansehen, welches der jetzige ukrainische Präsident Janukowitsch in der Ukraine genießt, keineswegs schmälern.


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Quelle:
Copyright 2010 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2010