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OSTEUROPA/350: Moldawien - Wahl des Staatspräsidenten und Regierungsbildung (Falkenhagen/Queck)


Moldawien: Parlamentspräsident und designierter Staatspräsident wurde Marian Lupu, Regierungschef ist wieder Vlad Filat

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 31. Januar 2011


Am 30. Dezember 2010 wurde Marian Lupu mit 57 Abgeordnetenstimmen im 101-köpfigen moldawischen Parlament zum Parlamentspräsidenten gewählt. Da nach wie vor kein Staatspräsident gewählt werden konnte (die dafür von der moldawischen Verfassung geforderte Dreifünftelmehrheit - mindestes 61 Abgeordnetenstimmen von insgesamt 101 - war nicht erreichbar), nimmt Lupu auch das Amt des Interimspräsidenten der Moldawischen Republik wahr. Herr Lupu ist als Führer der Demokratischen Partei (15 Abgeordnetensitze) nach wie vor als Kandidat für die Funktion des Staatpräsidenten designiert. Mit der von ihm jetzt mit getragenen Koalition (32 Abgeordnetensitze für die Liberaldemokratische Partei, 15 für die Demokratische Partei und 12 für die Liberale Partei, insgesamt 59 Abgeordnetensitze) schafft er das aber nicht. Von den 42 Abgeordneten der Kommunistischen Partei müssten mindestens zwei auch für Marian Lupu votieren.

Nun hat Marian Lupu in seiner Eigenschaft als amtierender Interimspräsident der Republik Moldawien erst einmal Vlad Filat (Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei) mit der Regierungsbildung der Dreierkoalition beauftragt und diese Regierungsbildung ist im Januar 2011 erfolgt. Vlad Filat wurde mit 59 Abgeordnetenstimmen zum Premierminister gewählt.

Marian Lupu, der nach Aufkündigung der Vereinbarung mit der Kommunistischen Partei zur Regierungsbildung noch wortstark verkündet hatte, dass er bei einer Neuauflage der westlich orientierten "Allianz für Europäische Integration" für seine Partei folgende Ministerposten beansprucht: den des Innenministers oder Verteidigungsministers und des Finanzministers, ferner den Posten des Generalstaatsanwalts, des Vorsitzenden der Antikorruptionsbehörde und der Zollverwaltung, hat nachgegeben. 7 Ministerposten darunter den Posten des Innenministers und Finanzministers erhielten die Liberaldemokraten. Marian Lupu konnte im Parlament zwar relativ unkompliziert die Bildung von 10 parlamentarischen Kommissionen durchsetzen, in denen viele seiner Parteifreunde vertreten sind, von den Machtministerien erhielt er aber kein einziges und auch das Finanzministerium besetzte ein Liberaldemokrat.

Die Liberale Partei von Mihai Ghimpu bekam auch den Posten des Verteidigungsministers, des Generalstaatsanwalts und der sog. Antikorruptionsbehörde.

Die Liberaldemokraten besetzten folgende 7 Ressorts: Auswärtiges Amt, Inneres, Justiz, Finanzen, Bildung und Wissenschaft, Gesundheit und Landwirtschaft. Die Liberale Partei erhielt vier Ministerposten, darunter den des Verteidigungsministers. Verteidigungsminister ist wieder Vitalie Marinuta, der wie der Parteivorsitzende der Liberalen Partei, Mihai Ghimpu, als Anhänger eines Anschlusses von Moldawien an NATO-Rumänien gilt.

Die Demokratische Partei wurde mit fünf Ministerposten abgespeist, die machtpolitisch aber nur eine geringere Rolle spielen. Jeder der Koalitionspartner erhielt einen Vizepremierministerposten.

Was die Wahl des moldawischen Staatsoberhauptes anbelangt, so können dazu in kürzester Zeit maximal zwei Wahlversuche unternommen werden. Dafür ist, wie gesagt, Marian Lupu designiert. Scheitern diese, beiden Versuche, kann Marian Lupu erneut für maximal 60 Tage als Interimsstaatspräsident fungieren. Dann müssten Parlamentsneuwahlen ausgeschrieben werden, und zwar genau genommen noch im ersten Halbjahr 2011.

So schreibt es Artikel 90 der moldawischen Verfassung vor, der bestimmt, "dass innerhalb von 60 Tagen nach Vakanz des Amtes des Staatspräsidenten im Parlament die Wahl des Staatpräsidenten entsprechend Artikel 78 der Verfassung erfolgreich abgeschlossen sein muss, die bei Scheitern nur einmal wiederholt werden kann."

Der Posten des moldawischen Staatspräsidenten ist seit dem Rücktritt von Staatspräsident Woronin im September 2009 vakant und wurde zwischenzeitlich von Mihai Ghimpu wahrgenommen, der in Personalunion in seiner Eigenschaft als Parlamentspräsident bis Ende 2010 auch als moldawischer Interimspräsident fungierte. Er hatte sich schon ein Mal über die Verfassung in diesem Punkt hinweggesetzt, indem er fast anderthalb Jahre auch als Interimspräsident fungierte. Da Ghimpu aber ein Mann des Westens ist, sahen die EU-Staaten großzügig über diese "Lapalie" in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hinweg!

Marian Lupu (der Renegat der Kommunisten) ist als Politiker bekannt, der seine Versprechen gerne bricht. Auf sein Wort kann man nicht zählen. Seine Wortbrüchigkeit mussten die Kommunisten, die im Parlament mit 42 Abgeordneten Mehrheitspartei sind, erst Ende 2010 erneut erfahren, hatte er ihnen doch in Verhandlungen eine Koalition zugesagt ! Dann schwenkte er aber doch zu den Liberalen ab.

Da es zweifelhaft ist, ob Lupu doch noch mindestens zwei kommunistische Abgeordnete für seine Wahl zum Staatspräsidenten gewinnen kann, könnte diese noch lange vor sich her geschoben werden, was wieder auf einen Verfassungsbruch, wie schon unter Ghimpu, hinauslaufen könnte. Es sei denn, im Jahre 2011 werden zum dritten Mal in drei Jahren Parlamentsneuwahlen angesetzt. Normalerweise wird das moldawische Parlament alle vier Jahre gewählt.

Eine Verfassungsänderung, nach der der Staatspräsident direkt durch das Volk zu wählen wäre, steht in den Sternen. Die dazu notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament laut Verfassung lässt sich bei dieser Kräftekonstellation nicht durchsetzen. Lupu selbst aber würde schwerlich durch eine solche Direktwahl zum Staatspräsidenten gewählt werden.

Der starke Mann Moldawiens wird, wenn Marian Lupu scheitert, Vlad Filat, der alte und neue Premierminister, bleiben.

Vlad Filat wurde in der früheren Sowjetrepublik Moldawien 1969 im Dorf Lâpusna, Rayon Hincesti, geboren. Nach der erweiterten Oberschule diente er zu Sowjetzeiten als junger Mann im KGB. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. 1990 ging er nach Rumänien und studierte an der Rechtsfakultät in Iasi Jura. Nach Erwerb des Juristendiploms im Jahre 1994 wurde er in Moldawien Jungunternehmer. 1998 bis 1999 übte er das Amt des Direktors des Departements für Privatisierung und der Verwaltung für Staatsvermögen aus 1999 war er Staatsminister der moldawischen Regierung für Privatisierungsfragen. Nachdem die Kommunisten im Jahr 2000 auf Grund ihres Wahlsieges die Regierung übernahmen, war er erneut als Unternehmer tätig. Im Jahre 2005 gelang es ihm, zum Abgeordneten im moldawischen Parlament gewählt zu werden. Er war zunächst Stellvertreter des Vorsitzenden der Demokratischen Partei, überwarf sich jedoch mit deren Führung und gründete darauf seine eigene Partei die Liberaldemokratische Partei Moldawiens. Seitdem ist er Vollblutpolitiker und wurde nach den Juli-Wahlen 2009 Ministerpräsident einer damals schon so genannten Regierung der Europäischen Integration, jetzt nennt sie sich Regierung der Europäischen Integration-Freiheit-Demokratie-Wohlstand. Das sind die üblichen Schlagworte der Neoliberalen, die alle nur auf Täuschung des Volkes basieren, denn ihre Politik bedeutet weder Freiheit für das Volk, noch Demokratie im Sinne von Volksherrschaft, sprich Wohlstand, für die breiten Volksmassen. Nach den Worten von Filat sind Prioritäten des Regierungsprogramms: die Entwicklung der Wirtschaft, Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze, Stärkung des Rechtsstaats, Wachstum der Investitionen und Abschaffung der Visapflicht gegenüber den EU-Staaten. Vorgesehen ist eine sog. Demilitarisierung, Umstrukturierung und Entpolitisierung der Rechtsschutzorgane und der Justiz, die Entmonopolisierung und Deregulierung des Binnenmarktes, die Exportförderung, die besondere Förderung der Klein- und Mittelbetriebe.(Letzteres ist, wie man auch in anderen westlichen Ländern sieht, nur ein Propagandaschlagwort der Liberalen, die in Wirklichkeit für Großunternehmer und Finanzmagnaten stehen).

In der Außenpolitik plant die neue Regierung, eine strategische Partnerschaft mit der Europäischen Union, mit Rumänien, der Ukraine und der Russischen Föderation zu entwickeln. Zur Regelung des Dnjestr- oder Transnistrienkonflikts setzt man auf den Abzug der in der Dnjestr-Republik stationierten russischen Truppen und die Wiederaufnahme von Verhandlungen darüber nach der Formel "2+5" (Moldawien, Dnjestr-Republik sowie OSZE, Russland, die Ukraine und Beobachter aus der USA und der EU.


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Quelle:
Copyright 2011 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011