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OZEANIEN/034: Pazifik - Inselstaaten fordern neue Ansätze bei Umsetzung der Post-2015-Entwicklungsziele (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2015

Pazifik: Inselstaaten fordern neue Ansätze bei der Umsetzung der Post-2015-Entwicklungsziele

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Organisationen in den Pazifikinselstaaten messen der richtigen Umsetzung der Post-2015-Ziele große Bedeutung bei
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Sydney, 20. Januar 2015 (IPS) - Wenn Ende des Jahres die Frist für die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen abläuft, werden die Länder eine Bestandsaufnahme ihrer Erfolge und Misserfolge vornehmen. Das gilt auch für die pazifischen Inselstaaten. Klar ist schon jetzt, dass ihre Bilanz durchwachsen sein wird.

Im Kampf gegen die Kindersterblichkeit haben sie einige bemerkenswerte Fortschritte gemacht, fallen jedoch bei den Zielen, die Armut zu verringern und Geschlechtergleichheit zu erreichen, zurück.

Die Cook-Inseln und Niue sind bisher die einzigen der 14 Pazifikforum-Mitgliedstaaten, die aller Voraussicht nach alle acht MDGs bis Ablauf der Frist im Dezember erreichen werden: die Halbierung von Armut und Hunger, Grundschulbildung für alle, die Stärkung der Rolle der Frau, die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit, die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.

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Obwohl vom weltgrößten Ozean umgeben, fehlt es den Pazifikinselstaaten an adäquaten Frischwasserquellen und Infrastrukturen
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Regionale Entwicklungsorganisationen sind der Meinung, dass die UN-Nachhaltigkeitsziele, die nahtlos an die MDGs anschließen sollen, eher dazu geeignet sind, um die einzigartigen Herausforderungen der kleinen Inselentwicklungsstaaten zu bewältigen. Allerdings müssten die Industriestaaten in den Prozess einbezogen und besonderer Nachdruck auf Umsetzung gelegt werden.

"Die Hauptkritik an den MDGs entzündete sich vor allem an dem Mangel an Rücksprache. Deshalb wurde ein Satz neuer Ziele entwickelt, die auf die Entwicklungsbedürfnisse von Subsahara-Afrika abgestimmt waren und später auf andere Entwicklungsländer übertragen wurden", erläutert Derek Brien vom 'Pacific Institute of Public Policy' (PIPP) in Vanuatu.


Inselbewohner fühlen sich von Nachhaltigkeitszielen angesprochen

Im tropischen Pazifik liegen, verteilt über ein Gebiet, das 15 Prozent der Erdoberfläche entspricht, 22 Inselstaaten und -territorien - Heimat von zehn Millionen Menschen. Die meisten leben weit von den globalen Märkten entfernt in einem ländlichen Umfeld. Viele sind arm und ohne Jobs. Auch die Arbeitslosigkeit junger Menschen, die die Hälfte der lokalen Bevölkerung stellen, ist ein ernstes Problem.

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Kinder vor einer Baracke in einer Armensiedlung in Vanuatu
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"Aus pazifischer Sicht sind besonders die Ziele zum Klimawandel, zum Schutz der Meere und Meeresressourcen, zum Wirtschaftswachstum, zur Förderung friedlicher und inklusiver Gesellschaften und zum Aufbau staatlicher Institutionen besonders geeignet, um auf die künftigen Herausforderungen der Region reagieren zu können", sagt Brien.

Die meisten unabhängigen Staaten Ozeaniens sind vergleichsweise jung. Sie entstanden in den letzten 45 Jahren. Laut PIPP wird der Erfolg der Entwicklungsfortschritte in diesem Zusammenhang besonders von dem Aufbau wirksamer Staatsinstitutionen, guter Regierungsführung und der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen abhängen. Weitere globale Ziele, die sich gegen Bestechung und Korruption richten und die Justiz stärken sollen, können hier Unterstützung leisten.

In Anbetracht der Tatsache, dass elf pazifische Inselstaaten die Gleichheit der Geschlechter nicht erreichen werden, sind die Post-2015-Nachhaltigkeitsziele zur Ausrottung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, ein Ende von Frühehen und Zwangsheiraten und gleiche Erbrechtsansprüche für Frauen äußerst willkommen.

In Papua-Neuguinea kommt Gewalt in zwei Drittel aller Familien vor. Bis zu 86 Prozent der Frauen dieser größten Pazifikinsel machen im Verlauf ihrer Schwangerschaften Erfahrung mit körperlicher Gewalt, wie der 'ChildFund Australia' herausgefunden hat.

Verhindert wird Gleichheit der Geschlechter nicht zuletzt durch stereotype Rollenbilder. Frauen wird nach wie vor der Platz am heimischen Herd zugewiesen. Die Diskriminierung der Frau am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit. In den meisten Pazifikentwicklungsstaaten liegt die Beschäftigung von Frauen außerhalb des Agrarsektors bei unter 48 Prozent.

Die größte Herausforderung für diese Länder besteht darin, einer sich zunehmenden Verschlechterung des Lebensstandards entgegenzuwirken. Ungleichheit und Exklusion sind auf den Pazifikinseln auf dem Vormarsch. Dafür sorgt auch der Druck auf die traditionellen Subsistenzsysteme durch die globale Marktwirtschaft, wie das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) im letzten Jahr berichtet hatte.


Armut betrifft ein Fünftel der Inselbewohner

Nach Angaben der Weltbank sind mehr als 20 Prozent der pazifischen Inselbewohner nicht in der Lage, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Gleichzeitig liegt die Beschäftigung der Bevölkerung von Mikronesien, der Fidschi-Inseln, von Kiribati, der Marshall-Inseln, von Nauru, Samoa, Tonga und Tuvalu bei 30 bis 50 Prozent.

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Dieses Paar in Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu, lebt wie viele Landsleute in einer informellen Siedlung
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Auch Rex Horoi, Leiter der 'Foundation of the Peoples of the South Pacific', einer fidschianischen Nichtregierungsorganisation, ist der Ansicht, dass die SDGs die Entwicklungsbedürfnisse der lokalen Gemeinschaften widerspiegeln. Doch um sie tatsächlich erreichen zu können, seien innovative Denkweisen erforderlich.

Was die nachhaltige Nutzung der terrestrischen und marinen Ökosysteme angeht, fehlt es Horoi zufolge an einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit. Es sei wichtig, dass sich Meeresbiologen, Artenvielfaltsexperten und Umweltschützer ergänzten, anstatt getrennt voneinander zu arbeiten. "Ohne ganzheitliche Entwicklungsansätze werden wir bei der Lösung der menschlichen Probleme nicht weit kommen", meint Horoi.

Seiner Meinung nach müssen zudem überprüfbare Implementierungspläne für alle Ziele geschaffen werden, die, verbunden mit nationalen Entwicklungsstrategien und integrativen Partnerschaften zwischen allen gesellschaftlichen Akteuren die Umsetzung der SDGs ermöglichen.

Gleichzeitig bedeuten die breiter angelegten Post-2015-SDGs eine weitere Belastung für die kleinen Inselentwicklungsstaaten. "Viele haben schon jetzt alle Hände voll zu tun, um ihren internationalen Vertragsbedingungen und politischen Verpflichtungen sowie den damit verbundenen Berichtspflichten nachzukommen." Es gelte diese vielen Parallelprozesse zu rationalisieren und zu kombinieren. "Im SDG-Prozess müssten die vorhandenen bürokratischen Verfahren gestrafft und neue vermieden werden", fügt Brien hinzu.

PIPP zufolge sollten auch die Industriestaaten in die Pflicht genommen werden. Die Organisation betont, dass die "vielen transnationalen Auswirkungen wie der Ausstoß der Treibhausgase, die Überfischung durch ausländische Trawler und Steuerhinterziehung durch multinationale Konzerne die Entwicklungschancen in Ländern niedriger Einkommen verringern.

Brien zufolge sind mit Blick auf die SDGs rhetorisch gesehen, alle Register gezogen worden. "Allerdings bleibt unklar, wie diese Ziele am Ende umgesetzt werden sollen. Fest steht, dass es die Kluft zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten auch weiter geben wird. Zudem sollte mehr von Entwicklung und weniger von Hilfe gesprochen werden", sagt Brien. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/pacific-islands-call-for-new-thinking-to-implement-post-2015-development-goals/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2015


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