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USA/280: Schluß mit Schmusekurs? - Analyse zum Verhältnis der USA zu Israel (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 3. Juni 2009

Schluß mit Schmusekurs?

Analyse. Blankes Entsetzen in Israel: Die USA wollen anscheinend den starken Einfluß Tel Avivs auf ihre Politik für den Mittleren und Nahen Osten zurückdrängen

Von Rainer Rupp


Im Vorfeld des Treffens des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama am 18. Mai hatte es eine Reihe Indikatoren gegeben, daß in etlichen Kernfragen die neue US-Administration von der israelischen Nah- und Mittelostpolitik erheblich abweicht. Dennoch war in den Berichten der renommierten und von ausländischen Journalisten bevorzugt gelesenen New York Times (NYT) über das weltweit mit Spannung erwartete Treffen in Washington nur von der Freundschaft und Übereinstimmung der beiden Politiker die Rede.

Waren die ungewöhnlich scharfen Schüsse, die Washington in den letzten Monaten vor den Bug der rechtsextremistischen israelischen Palästina- und Iran-Politik gefeuert hatte, nur ein Strohfeuer gewesen? Die NYT ließ keinen anderen Schluß zu, und dies konnte nur bedeuten, daß Obama unter dem intensiven Druck der zionistischen Lobby eingeknickt und bei den Gesprächen auf Netanjahus Linie eingeschwenkt war.

Wer jedoch über das Internet die Pressekonferenz von Obama und Netanjahu verfolgt hatte, dem bot sich ein ganz anderes Bild als das von der NYT vermittelte. Alle Passagen, die nicht in das gewünschte Bild der israelisch-amerikanischen Harmonie paßten, hatte die Zeitung einfach ausgeblendet, offensichtlich darum bemüht, die öffentliche Wahrnehmung von dem Treffen zu manipulieren. Denn wenn es um den Nahen und Mittleren Osten geht, hat die NYT ihre eigene politische Agenda, was sie bereits mit ihrer aktiven medialen Beihilfe zum Irak-Kriegsverbrechen unter Beweis gestellt hat. Hier sei nur an den Fall der NYT-Starreporterin Judith Miller erinnert, die sich im Vorfeld des Irak-Krieges wiederholt mit dem neokonservativen Lewis Libby, damals Stabschef des Vizepräsidenten Dick Cheney, getroffen hatte, um anschließend dessen Lügen über die angebliche Bedrohung durch Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen als das Ergebnis unabhängiger Recherchen zu veröffentlichen.


Wendevorzeichen in der US-Politik

Bereits zwei Wochen vor dem Treffen in Washington, so klagte Caroline Glick am 18. Mai in der Jerusalem Post, habe CIA-Direktor Leon Panetta bei einem Besuch in Israel der Netanjahu-Regierung klargemacht, daß die Vereinigten Staaten die Regierung in Tel Aviv für die schweren Folgeschäden verantwortlich machen würde, die ein militärischer Alleingang Israels gegen den Iran nach sich zöge. Statt ein unsinkbarer Flugzeugträger im Nahen Osten zu sein, ist Israel für Washington offensichtlich zu einer sicherheitspolitischen Belastung geworden. Der Obama-Administration warf Glick daher vor, »angesichts der (angeblich - R.R.) existentiellen Bedrohung durch den Iran Israel zur Untätigkeit verurteilt« zu haben. Nur gut, daß Netanjahu sich beim Treffen mit Obama dennoch das Recht vorbehalten habe, allein gegen den Iran vorzugehen und auch »keine substantiellen Zugeständnisse in der Palästina-Frage gemacht« habe.

Verglichen mit den letzten acht Jahren der Bush-Administration hat sich mit Obama das Blatt gewendet. Unter Bush hatten neokonservative Zionisten die wichtigsten Schaltstellen der US-Regierung besetzt und koordinierten jeden Schritt der USA mit den rechtsextremen Hardlinern in Tel Aviv. Im Washingtoner Politestablishment hatte ihnen das den Spitznamen »Israel Firsters« (Die, für die Israel zuerst kommt) eingebracht. Aber nachdem Bushs Mißerfolg in Irak nicht mehr zu verheimlichen war, die arabische und muslimische Welt gegen die USA aufgebracht und das Prestige der einzigen Supermacht im Keller war, entschloß sich Washingtons außenpolitische Elite auf überparteilicher Basis, George W. Bush, der angeblich von seinen neokonservativen Einflüsterern irregeleitet worden war, eine goldene Brücke zu bauen, um ihn ohne Gesichtsverlust für das Amt des US-Präsidenten und für die US-Regierung wieder in den Schoß der Politik des Mainstreams zurückzuholen.

James Baker, der alte Freund und ehemalige Außenminister von Bush senior, hatte gemeinsam mit Lee Hamilton am 15. März 2006 vom US-Kongreß den Auftrag erhalten, diese Brücke in Form der »Iraq Study Group« für Bush junior zu konstruieren. Dazu empfahl Bakers Irak-Studiengruppe eine Verhandlungslösung, sogar unter Einbeziehung der »Schurkenstaaten« Iran und Syrien, um die USA aus dem Irak-Desaster zu führen. Aber starrköpfig wie ein Esel weigerte sich Bush junior, über diese Brücke zu gehen. Statt dessen setzte er auf eine weitere militärische Expansion und Intensivierung der Kämpfe in Irak. Dennoch nötigte das Establishment George W. ein wichtiges Zugeständnis ab: Auf dem Posten des Verteidigungsministers wurde der manipulative Donald Rumsfeld, der Bush Juniors christlichen Fundamentalismus schamlos für seine politischen Zwecke ausgenutzt hatte, Mitte Dezember 2006 durch Robert Gates ersetzt.

Gates, ehemaliger CIA-Chef und engster Vertrauter von Bush senior, verkörpert wie kaum ein anderer den überparteilichen, außenpolitischen Konsens im Weißen Haus. Das dadurch untermauert wird, daß der Demokrat Obama den Republikaner Gates als Verteidigungsminister beibehalten hat. Mit Gates als Chef des Pentagon hatte bereits in der Bush-Ära, wenn auch nur zaghaft, die Trendwende begonnen - weg von neokonservativen Abenteuern und zurück zu einer pragmatischen, rein von US-amerikanischen Interessen diktierten Außenpolitik. Es war klar, daß die Likudniks und die anderen Rechtsextremisten in der israelischen Regierung mittelfristig die Verlierer dieser Entwicklung sein würden, in der wieder mehr Politiker vom Schlage Gates und Baker in Washington den Ton angeben.


Obamas Personaländerungen

Für die Vertreter des Washingtoner politischen Establishments liegt es nicht im sicherheitspolitischen Interesse der USA, wenn sie im Mittleren Osten den Eindruck erwecken, Israel ohne Rücksicht auf die Probleme der arabischen Staaten bedingungslos zu unterstützen. Daher verlangte der 2006 ausgearbeitete Plan der von Baker angeführten »Iraq Study Group« im Rahmen einer Zweistaatenlösung von Israel bezüglich der Rückgabe der besetzten Gebiete die Einhaltung des Völkerrechts. Zu derartigen Konzessionen sind die Hardliner in Tel Aviv jedoch noch nicht bereit. Allerdings ist mit Baker nicht zu spaßen, zumal er nicht vor einem Zusammenstoß mit der jüdischen und zionistischen Lobby zurückschreckt. Als Außenminister hatte er z.B. kurzerhand die Finanzhilfen für Israel um den Betrag gekürzt, den die israelische Regierung für den Bau von illegalen Siedlungen ausgegeben hatte.

Ebenfalls 2006 fand in den USA der erste gewichtige mediale Angriff gegen die zionistische Lobby im Land statt. Unter dem Titel »Die Israel-Lobby« veröffentlichen die beiden renommierten US-Professoren John Mearsheimer und Stephen Walt eine Studie über den verheerenden Einfluß dieser Lobby auf die Mittelostpolitik der USA. Die Kombination der kompromißlosen Unterstützung Israels und die US-amerikanische militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten der arabischen Staaten in der Region habe die arabische und islamische Öffentlichkeit entflammt und gefährde daher die nationale Sicherheit der USA. In der gesamten politischen Geschichte der Vereinigten Staaten gebe es keinen vergleichbaren Fall wie Israel, so die beiden Professoren. Dies trifft insbesondere auf die letzte Administration zu, denn Präsident Bush fühlte sich aufgrund seiner fundamentalistischen, religiösen Endzeitvorstellungen besonders eng mit Israel und dessen radikal-zionistischer Führung verbunden.

Welche Ausmaße der israelische Einfluß auf die US-Regierung erreicht hatte, wurde der Weltöffentlichkeit vorgeführt, als der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert in seiner Rede in der israelischen Stadt Aschkelon am 12. Januar 2009 damit prahlte, wie er George W. Bush seine Order zum US-Abstimmungsverhalten über die Resolution des UN-Sicherheitsrat vom 9. Januar für eine sofortige Feuereinstellung in Gaza erteilt hatte. Die Agenturberichte meldeten folgende Äußerung: »Ich sagte: 'Ich will mit Präsident Bush sprechen'. Sie sagten, er halte gerade in Philadelphia eine Rede. Ich sagte, das sei mir egal: 'Ich brauche ihn jetzt.' Er kam vom Podium und sprach mit mir.« Dann - so Olmert weiter - habe der US-Präsident seiner Außenministerin Condoleezza Rice entsprechende Order gegeben. »Das hat sie (Rice - R.R.) ziemlich in Verlegenheit gebracht«, so Olmert weiter. Natürlich dementierte ein Sprecher des US-Außenministeriums umgehend, die israelische Regierung formuliere »nicht die Politik der Vereinigten Staaten«. Unter Berufung auf Aussagen britischer und französischer UN-Diplomaten bekräftigten US-Medienberichte jedoch das Gegenteil.

Mit dem Amtsantritt Obamas am 20. Januar 2009 kam der überparteiliche Pragmatismus in der US-Mittelostpolitik wieder stärker zur Geltung, zuerst mit der Bestellung des Exsenators George Mitchell zu Obamas mit allen Vollmachten ausgestattetem Nahostsondergesandten. Als Friedensstifter für in Nordirland ist Mitchell international hoch angesehen, nicht zuletzt wegen seiner Fairneß und Unparteilichkeit. In Israel fand man seine Ernennung dagegen »äußerst beunruhigend«. Auch für den Vorsitzenden der radikalzionistischen Antidiffamierungsliga (ADL), Abe Foxman, war Mitchell »viel zu fair und unparteiisch«. Bisher habe Washington stets »Partei für Israel ergriffen«, nun aber müsse man mit der Aufweichung der Unterstützung rechnen.

Als nächster Schritt kamen die Ernennungen von Dennis Blair zum neuen CIA-Direktor und General Michael Maples zum Chef des militärischen Nachrichtendienstes DIA. Beide sind über jeglichen Verdacht erhaben, unter dem Einfluß der zionistischen Lobby zu stehen. Am 10. März dieses Jahres erklärten sie vor dem US-Kongreß, daß der Iran über kein hochangereichertes Uran verfüge und somit auch auf absehbare Zeit keine Atombombe bauen könne. Damit konterkarierten sie die rechtsextremen Kriegshetzer in Israel wie den Geheimdienstgeneral Amos Yadlin. Der hatte am Wochenende zuvor behauptet, der Iran sei längst in der Lage, die Bombe zu bauen. Deshalb stimmte er in den Chor derer ein, der alltäglich in Tel Aviv zum Krieg gegen die angeblich »Israels Existenz bedrohende Gefahr« aufruft. Dagegen hatte Pentagon-Chef Gates seinen ranghöchsten Offizier, Admiral Mike Mullen, Anfang März zurückgepfiffen, nachdem dieser die zionistische Kriegspropaganda von der iranischen Bombe nachgeplappert hatte.


US-Israellobby lenkt gegen

Die zionistische Lobby gab sich jedoch längst nicht geschlagen, und sie konnte mit der Blockade der Ernennung des ehemaligen US-Botschafter in Saudi-Arabien, Chas Freeman, zum nachrichtendienstlichen Topberater Obamas erneut ihren Einfluß in Washington unter Beweis stellen. Weil Freeman die Aggressivität der israelischen Regierung in Gaza scharf kritisierte, machte die Lobby ihn zur Hauptzielscheibe ihrer Angriffe. Mit Verleumdungen, Unterstellungen und Antisemitismusvorwürfen mobilisierte sie über drei Dutzend Senatoren beider Parteien gegen Freeman, so daß dieser am 10. März entnervt das Handtuch warf.

Die Verhinderung von Freemans Ernennung war für die Lobby jedoch ein Pyrrhussieg, denn der im US-Politestablishment fest verankerte und in der Bevölkerung bekannte und beliebte Freeman ließ sich nicht von den Antisemitismusvorwürfen einschüchtern, sondern schlug zurück. Diese Schlacht mit der Lobby wurde erstaunlicherweise landesweit in den US-Medien geführt. Die inzwischen weitverbreitete Debatte über den unzulässigen, politischen Einfluß der zionistischen Lobby fand schon bald neue Nahrung. Mitte April 2009 wurde im Rahmen einer FBI-Ermittlung gegen israelische Spionageaktivitäten in den USA bekannt, daß die führende Abgeordnete der Demokraten im Geheimdienstausschuß des Kongresses, Jane Harman, mit einem israelischen Geheimagenten gemauschelt hatte: Wenn sich Harman für zwei führende, unter Spionageverdacht für Israel stehende Mitarbeiter, Steven Rosen und Keith Weissman, von AIPAC einsetzen würde, dann könnte die Israel-Lobby sicherstellen, daß Harman bei der nächsten Gelegenheit zur Vorsitzenden des US-Geheimdienstausschusses gemacht würde, so der vom FBI abgehörte Deal, der landesweite Empörung über die Arroganz der Lobby hervorrief.


Israels Atomwaffen

Zum Schrecken der Führung in Tel Aviv zeichnet sich derweil auch auf strategischer Ebene eine Entwicklung ab, welche die Beziehungen zwischen den USA und Israel auf ihren Ausgangspunkt zurückführen könnte: nämlich auf die der US-Supermacht mit ihrem Klientenstaat, dessen Interessen hinter denen der Supermacht zurückstehen müssen. Nirgendwo wird das deutlicher als in der Frage der israelischen Atomwaffen.

Anfang März hatte eine Studie des Oberkommandos der Vereinten US-Streitkräfte (US Joint Forces Command, JFCOM) mit einem bisher strengst gehüteten Tabu gebrochen und Israel ganz offen als eine bedeutende militärische Nuklearmacht benannt. Der nächste Kinnhaken folgte auf dem Fuß. Am 5. Mai erklärte die Staatssekretärin im US-Außenministerium, Rose Gottemoeller, vor den Vereinten Nationen, daß es das »fundamentale Ziel« der Obama-Regierung sei, jedes Land, einschließlich Israel, Indien und Pakistan dazu zu bewegen, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten.

Gottemoellers Vorstoß traf in Tel Aviv auf blanke Nerven. Das israelische Außenministerium bat in den USA um Klarstellung, da man nicht glauben wollte, daß Vertreter der US-Regierung auf eine solche Idee kommen konnten. Aber in Washington bekräftigte man lediglich Gottemoellers Erklärung, von der, so klagten die Israelis, sie erst aus den Medien erfahren hätten. Überhaupt sei es mit dem vertrauten Umgang miteinander, den man von der Bush-Administration gewöhnt sei, vorbei, berichteten israelische Medien.

Mit der Atomwaffenfrage hat die Obama-Administration das auf 1969 zurückgehende Geheimabkommen zwischen Tel Aviv und Washington aufgekündigt, nämlich die Existenz der israelischen Atomwaffen zu verschweigen. Der damalige US-Präsident Richard Nixon hatte seinerzeit beim Treffen mit der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir auf Anraten seines Sicherheitsberaters Henry Kissinger zugestimmt, das israelische Atomwaffenarsenal davor »zu beschützen, eine internationale Angelegenheit zu werden«.

Über die neue Entwicklung ist die israelische Führung zutiefst verwirrt. Sie befürchtet, so der jüdische Nachrichtendienst Jewish Telegraphic Agency vom 12. Mai, daß Israel zu einem Bauernopfer der neuen US-amerikanischen Mittelostpolitik gemacht werden könnte. In dem einen Fall könnte Washington Teheran den Vorschlag machen: »Wenn Ihr keine Atomwaffen entwickelt, dann werden wir auf Israel Druck ausüben, sein nukleares Arsenal zu verschrotten.« Anderenfalls werde die Atomwaffenfrage von den USA benutzt, um Israel zu mehr Flexibilität für die von Obama angestrebte Zweistaatenlösung zu zwingen. Die israelische Führung denkt allerdings nicht daran, durch einen Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag das nukleare Arsenal des Landes unter internationale Aufsicht zu stellen. Aber die entsprechende US-Aufforderung dazu untergräbt Israels Position, ein hartes Vorgehen gegen Iran zu fordern, obwohl Teheran bisher in jeder Beziehung den Atomwaffensperrvertrag erfüllt hat.


Erst Palästina, dann Iran

Vor diesem Hintergrund war das Treffen zwischen Obama und Netanjahu vom 18. Mai mit besonderer Spannung erwartet worden. Aber statt auf die Widersprüche einzugehen, fabrizierte die New York Times aus dem Treffen Kriegspropaganda gegen den Iran.

Dabei ignorierte sie die sorgfältig abgewogenen Erklärungen Obamas und unterstellte ihm ausgerechnet die kriegerischen Absichten gegen den Iran, gegen die er sich zuvor mit großer Deutlichkeit gerichtete hatte.

»Obama sagt Netanjahu, daß er den Iran eine Frist gesetzt hat«, titelte die NYT und gab damit weltweit für viele Blätter den Ton vor. Tatsächlich aber hatte Obama in der Pressekonferenz auf eine entsprechende Frage gesagt: »Ich will keine künstliche Frist setzen.« Schließlich stünde Iran vor den Wahlen. Erst müßte man eine neue Regierung abwarten, danach könne man mit den Diskussionen beginnen. »Gegen Ende des Jahres« dürfte man dann »ein ziemlich gutes Gespür dafür haben, ob sie (die Iraner - R.R.) sich in die richtige Richtung bewegen«. Das bedeute jedoch nicht, »daß bis dahin bereits alle Differenzen geklärt sein müssen«, so Obama weiter. Und was, wenn es am Ende doch nicht zu dem von den USA gewünschten Ergebnis kommt? Dann werde er sich bei der internationalen Staatengemeinschaft um eine Verschärfung der gegen den Iran verhängten Sanktionen bemühen. Anders gesagt: kein Wort über die von Israel dringend geforderten Kriegsvorbereitungen.

An anderer Stelle kritisierte Obama für einen US-amerikanischen Präsidenten ungewöhnlich scharf die israelische Regierung: »Die Siedlungen müssen gestoppt werden.« Dann sprach er die »humanitäre Situation in Gaza« an. Tatsache sei, daß die Menschen dort »nicht einmal sauberes Wasser bekommen können«. »Wenn die Grenzen so dichtgemacht werden, daß weder humanitäre Hilfe noch der Wiederaufbau möglich sind«, dann sei das »weder ein konstruktiver Beitrag für die Friedensbemühungen noch ein Rezept für Israels langfristige Sicherheit«. Auf die Position des israelischen Ministerpräsidenten angesprochen, daß Israel nur gewillt sei, in der Palästina-Frage Zugeständnisse zu machen, wenn die iranische Bedrohung zuerst gelöst sei, sagte Obama: »Wenn es eine Koppelung zwischen dem Iran und dem israelisch-palästinensischen Friedensprozeß gibt, dann glaube ich, daß das genau andersherum geht. Je größer die Fortschritte beim Frieden zwischen Palästinensern und Israelis, umso stärker wird unsere Position in der internationalen Gemeinschaft, um mit der potentiellen iranischen Bedrohung fertigzuwerden«.

Während Netanjahu versuchte, das Treffen in einen Kriegsrat gegen den Iran umzufunktionieren, hat Obama die Bedeutung des Friedens in Palästina für den ganzen Mittleren Osten unterstrichen. Israel komme dabei die Schlüsselrolle zu, weshalb Obama von Netanjahu forderte, sich an die bereits geschlossenen Abkommen zu halten, die Siedlungen zu stoppen und ehrlich und aufrichtig zu verhandeln, um die Zweistaatenlösung herbeizuführen.

Vergangene Woche war der palästinenische Präsident Mahmud Abbas in den USA. Bei seinem Treffen mit der US-Außenministerin Hillary Clinton am 27. Mai stellte diese in Richtung Israel fest: »Wir wollen einen Stopp der Siedlungen sehen. Nicht einmal einige wenige Siedlungen, keine Außenposten, keine Ausnahmen durch natürliches Wachstum.« Einen Tag später ergänzte Obama im Gespräch mit Abbas im Oval Office: »Ich glaube ganz eindeutig an eine Zweistaatenlösung.«

Netanjahu versuchte zwischenzeitlich zu feilschen: Am 26. Mai trafen sich in London seine Berater Dan Meridor und Uzi Arad mit dem US-Sondergesandten George Mitchell. Israel erklärte sich in diesen Gesprächen bereit, 22 nach dem März 2001 aufgebauten kleineren Siedlungen zu zerstören, man wolle aber dafür die großen Siedlungsblöcke im Westjordanland behalten. Mitchell wollte von einem solchen Kompromiß nichts wissen.


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Quelle:
junge Welt vom 03.06.2009
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2009