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USA/291: Washingtons Frieden (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 5. Februar 2010

Washingtons Frieden

Aufrüstung zur »Förderung des Gemeinwohls«.
Die Quadrennial Defense Review des Pentagon untermauert globale US-Kriegsstrategie

Von Rainer Rupp


Vor allem müssen wir uns darüber klar sein, daß wir uns im Krieg befinden - mit diesem Satz beginnt die am 1. Februar vorgestellte Quadrennial Defense Review (QDR) des Pentagon an den US-Kongreß. Bei dem Papier handelt es sich um eine alle vier Jahre zu erstellende, umfassende Überprüfung der Sicherheits- und Militärstrategie der Vereinigten Staaten und ihrer Umsetzung mit Hilfe von Rüstungsprogrammen und entsprechenden Umstrukturierungen in den Streitkräften. Vom »Change«-Faktor des US-Präsidenten Barack Obama ist in der neuen QDR außer Tünche wenig zu entdecken. Zwar wurde die aggressive Rhetorik abgeschwächt, in der Sache bleibt Washington hart. Die USA bereiten sich auch weiterhin darauf vor, weltweit Kriege zu führen und zu intervenieren.

Neben der fortdauernden Anforderung an die US-Streitkräfte, gleichzeitig zwei große konventionelle Kriege in unterschiedlichen Weltregionen führen zu können, setzt die neue Defense Review die bereits unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush begonnene Umorientierung und Umstrukturierung fort. Diese ist darauf ausgerichtet, in einer ungenannten Zahl von »Konflikten unterhalb der Kriegsschwelle« rund um den Globus simultan zu kämpfen und zu gewinnen. Diesem weltweiten, »facettenreichen, politischen und moralischen Kampf« gegen das »Al-Qaida-Netzwerk und dessen Verbündeten« gilt die höchste Priorität. Im Klartext heißt das Niederschlagung von Aufständen und Bekämpfung von »Terroristen«, die sich gegen US-Besatzer oder deren autokratischen Marionettenregime auflehnen.

Auf dem Spiel steht für die herrschende Klasse nicht weniger als »die Stärke und der Einfluß der Weltmacht USA in dem System der Allianzen und Partnerschaften, die Washington in den letzten 60 Jahren aufgebaut hat«, wie es in der Quadrenniel Defense Review heißt. Um diesen »Einfluß«, d.h. die globale US-Dominanz zu erhalten, »muß das amerikanische Militär darauf vorbereitet sein, auch mit tödlicher Gewalt in Schlüsselregionen für Stabilität und Frieden zu sorgen, notleidenden Nationen zu helfen und das Gemeinwohl zu fördern« - wie dies offensichtlich unter großen US-amerikanischen Opfern im Irak und in Afghanistan bereits geschehen ist.

Überhaupt ist in der QDR viel von der Herstellung von »Frieden« und »Stabilität« die Rede, wobei schnell deutlich wird, daß beides als Synonym für den Erhalt der globalen Pax Americana dient. Allerdings räumt der Bericht ein, daß das globale Umfeld zu deren Durchsetzung erheblich schwieriger geworden ist; erstens, weil die USA »mit einer zunehmend komplexen und ungewissen Sicherheitslandschaft konfrontiert sind, in der sich das Tempo des Wandels ständig beschleunigt«, und zweitens, weil die »Verteilung der globalen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht immer diffuser geworden ist«, wofür vor allem der Aufstieg Chinas und Indiens verantwortlich gemacht wird. In dieser neuen Welt blieben zwar die USA weiterhin der »mächtigste Akteur«, aber zugleich müßten sie stärker mit ihren wichtigsten Verbündeten zusammenarbeiten, um Frieden und Stabilität aufrechtzuerhalten.

Zur rechten Motivierung für den weiteren Kampf wird erneut das bewährte Schreckensszenario einer Al-Qaida mit Zugang zu Massenvernichtungswaffen an die Wand gemalt. Dies könne durch den »Zusammenbruch eines Atomwaffenstaates«, gemeint ist Pakistan, begünstigt werden. Die Tatsache, daß Washington im Rahmen seiner sogenannten AfPak-Politik, seiner Intervention in Afghanistan und Pakistan, als Hauptakteur die Destabilisierung dort befördert, findet in dem Pentagon-Bericht allerdings keine Erwähnung.

Weiterhin wird die Versorgungssicherheit der USA mit Energie (Öl und Gas) vom Verteidigungsministerium als strategische Priorität gesehen, wobei dieses Mal jedoch eingeräumt wird (der Obama-Faktor), daß die Förderung von »grüner« Energie zur Deckung des Bedarfs beitragen könnte. Zugleich wird jedoch »die zunehmende Nachfrage nach Ressourcen« (Öl und Rohstoffe aller Art) als einer der »mächtigen Trends« identifiziert, der in Zukunft globale Konflikte hervorrufen könnte. In diesem Zusammenhang gibt die Tatsache zu denken, daß David Shear, Staatssekretär für ostasiatische und pazifische Angelegenheiten im US-Außenministerium, jüngst vor dem Streitkräfteausschuß des Kongresses erklärt hat, die Obama-Administration habe sich in Peking beklagt, weil China rund um die Welt »mit langfristigen Verträgen Ölreserven für sich reserviert«. Zuvor hatte der republikanische Abgeordnete Roscoe Bartlett den Chinesen vorgeworfen, »rund um die Welt aggressiv Öl aufzukaufen«, und die Volksrepublik verdächtigt, es in Zukunft nicht mit den USA zu teilen.

Wie bei derlei Dokumenten der amerikanischen Regierung üblich, so trieft auch der QDR-Bericht des Pentagon von Selbstgerechtigkeit und Heuchelei. So macht sich das US-Verteidigungministerium »große Sorgen« um die Rüstungsanstrengungen anderer Länder, weil diese Washingtons »Bemühungen um den Erhalt des Friedens und der Verhinderung eines schädlichen Wettrüstens erschweren«. Dabei sind es die USA, die für fast zwei Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben verantwortlich sind. Sie werden bei den Militärausgaben in diesem Jahr einen neuen Rekord aufstellen und auch eine neue Rekordsumme für die Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals ausgeben, obwohl Präsident Obama überall verkündet, er wolle alle Nuklearwaffen abschaffen.


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Quelle:
junge Welt vom 05.02.2010
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010