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USA/300: Menschenrechte - Nicht nur die anderen, USA erstmals auf dem Prüfstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2010

Menschenrechte: Nicht nur die anderen - USA erstmals auf dem Prüfstand

Von Gustavo Capdevila


Genf, 4. Oktober (IPS) - Jahr für Jahr haben die USA seit 1976 durch ihr Außenministerium die Menschenrechtslage in 190 Staaten der Erde beurteilt. Die insgesamt 5.000 Seiten starken Berichte gehen dem US-Kongress immer im März zu. Ebenso regelmäßig ernten sie heftige Reaktionen aus einigen der untersuchten Länder. Doch in diesem Jahr ist etwas anders: Am 5. November werden sich die Vereinigten Staaten erstmals selbst einer "allgemeinen regelmäßigen Überprüfung" durch den UN-Menschenrechtsrat stellen müssen.

Als die UN-Vollversammlung den Rat 2006 ins Leben rief, verlieh sie ihm die Befugnis, alle vier Jahre zu überprüfen, wie es um die Einhaltung der Menschenrechte in den 192 UN-Mitgliedsstaaten bestellt ist. In bislang acht Sitzungen wurde die Situation in fast zwei Dritteln der Staaten analysiert.

Das Echo auf die Funktionsweise des Mechanismus fällt ganz unterschiedlich aus. So äußerte Russland im September im Menschenrechtrat Kritik an angeblich rein politisch motivierten Beurteilungen. Kuba wiederum monierte, dass die Selektivität und Doppelmoral, die die Entscheidungen der UN-Menschenrechtskommission geprägt hätten, in der Nachfolgeinstanz UN-Menschenrechtsrat fortbestünden. Von der ungarischen Delegation war zu hören, dass miteinander befreundete Staaten sich darin unterstützten, für sie heikle Fragen von der Agenda fernzuhalten.


Vor eigener Tür kehren

Die USA äußerten sich zwar grundsätzlich positiv zu den regelmäßigen Überprüfungen, sahen jedoch Verbesserungsbedarf. Bei der Übergabe des US-Berichts an den UN-Menschenrechtsrat in Genf am 20. August hatte die US-Regierung erklärt, stolz auf ihren Einsatz für die Menschenrechte zu sein, die sie auch in die Welt hinaus getragen habe.

Doch das Eigenlob ließen viele Menschenrechtsorganisationen nicht unkommentiert stehen. Wie Ajamu Baraka vom 'U.S. Human Rights Network' (USHRN) erklärte, haben die USA selbst echte Menschenrechtsprobleme. Wer als glaubwürdiges Mitglied des UN-Menschenrechtsrats bestehen wolle, müsse erst einmal vor der eigenen Haustür kehren.

Dem USHRN gehören mehr als 300 Organisationen an, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Zum ersten Mal ist ein derart breites Bündnis in Genf vertreten. Bislang reisten immer nur Vertreter von Organisationen, die gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Rasse kämpfen, in die Schweiz.

Sorgen bereiten den Menschenrechtsaktivisten nach wie vor die Auswirkungen des "Kampfes gegen den Terrorismus", unter denen in den USA vor allem Muslime und Bürger arabischer Herkunft zu leiden haben. Mehrere Staaten brachten in Genf Bedenken vor, was den Umgang der US-Behörden mit illegalen Arbeitsmigranten angeht.


Traditionelle Vertragsscheu

Die USHRN-Expertin Sarah Paoletti sieht in der Überprüfung der USA durch den UN-Menschenrechtsrat die große Chance, einmal grundsätzlich die Frage wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte in den USA aufzuwerfen. Ihr Land habe sich bisher nicht durch die Ratifizierung internationaler Verträge hervorgetan, so die Rechtsprofessorin an der Universität von Pennsylvania.

Washington hat zwar den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet, die Ratifizierung ist jedoch seit 33 Jahren überfällig. Der Vertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten unter anderem dazu, ihren Bürgern das Recht auf Bildung und Unterkunft ebenso zu garantieren wie Chancengleichheit und den Zugang zu Sozialleistungen. Doch in der Realität sind Schwarze, Immigranten und sozial schwache US-in vielen Bereichen benachteiligt.

Wie der USHRN-Direktor Ajamu Baraka betonte, wurde die US-amerikanische Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung auf die allgemeine regelmäßige Überprüfung vom US-Außenministerium hinzugezogen. Allerdings gebe es zwischen beiden Seiten etliche Differenzen zu klären. Die Menschenrechtsaktivisten fordern die Gründung eines speziellen US-Menschenrechtsgremiums. Von der Überprüfung der USA am 5. November versprechen sie sich Empfehlungen, die von Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam umgesetzt werden können. (Ende/IPS/bs/2010)


Links:
http://www.state.gov/documents/organization/146379.pdf
http://www2.ohchr.org/spanish/bodies/hrcouncil/
http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/
http://www.ushrnetwork.org/
http://www2.ohchr.org/spanish/law/cescr.htm
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96535

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010