Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

USA/315: Stets zu Diensten - USA erwarten von EU Willfährigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2010

Politik: Stets zu Diensten - USA erwarten von EU Willfährigkeit

Von David Cronin


Brüssel, 22. Dezember (IPS) - In einem Kommentar über die transatlantischen Beziehungen hatte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter 2008 erklärt, die Europäische Union sei kein US-Vasall, sondern mit den USA auf gleicher Augenhöhe. Die in den letzten Wochen von WikiLeaks veröffentlichten US-Dokumente zeichnen jedoch ein anderes Bild.

In einem Anfang Dezember fertig gestellten Bericht unterstreicht die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, dass im internatonalen Kontext die Hauptaufgabe der Europäischen Union darin besteht, Washington dabei zu "helfen", seine globalen Ziele zu erreichen. Etwa zur gleichen Zeit zeigen die von WikiLeaks in Umlauf gebrachten Geheimdepeschen US-amerikanischer Botschaften, dass die USA von den Europäern vor allem Willfährigkeit erwarten.

Dies legt etwa ein 2005 vom damaligen US-Botschafter in Paris William Leach bestätigtes Memo nahe. Es nimmt Bezug zur ablehnenden Haltung Frankreichs gegenüber dem Krieg im Irak. Darin hob Leach hervor, dass Ex-Präsident Jacques Chirac mit seiner Anti-Kriegshaltung bei etlichen prominenten Parteigenossen auf Widerspruch stieß.

Das Dokument fasst einen Besuch des ehemaligen französischen Außenministers Hervé de Charette zusammen, der zum Zeitpunkt des Gesprächs Beauftragter der Chirac-Partei UMP für internationale Beziehungen war. Er soll Chiracs Haltung zum Irakkrieg als "peinlich" bezeichnet haben.

De Charette, der den Eindruck vermittelte, im Namen des damaligen Parteivorsitzenden und heutigen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zu sprechen, nannte eine solide Beziehung zu den USA "als die Basis der französischen Auslandsbeziehungen". Ferner beschrieb er den israelisch-palästinensischen Konflikt als "wichtigste Angelegenheit" sowohl der EU als auch der USA und widersprach der allgemeinen Auffassung, dass Frankreich mehr mit den Palästinensern als mit Israel sympathisiere.

In einem anderen Kabel aus dem Jahre 2005 wurden Großbritannien und die Niederlande als die verlässlichsten US-Alliierten Westeuropas dargestellt. Darin empfahl der damalige US-Gesandte für Den Haag, Clifford Sobel, die Niederländer als die richtigen Ansprechpartner in Konflikten zwischen EU und NATO. So hätten sie dazu beigetragen, französische und deutsche Plänen abzuwehren, Europa unabhängig von der US-dominierten NATO militärfähig zu machen.

Sobel lobte die Niederländer zudem für ihre "zeitnahe logistische Unterstützung" im Irakkrieg. Sie hätten den US-amerikanischen Streitkräften beispielsweise erlaubt, Rotterdam zu passieren. Die Nutzung anderer europäischer Häfen für militärische Zwecke war den US-Militärs untersagt worden. Auch würdigte die Depesche die Bereitschaft der niederländischen Diplomaten, als "Augen und Ohren" der USA zu fungieren.

Zudem enthielt das Dokument die Empfehlung, den Niederländern als ehemaligen Kolonialherren der Karibik eine Rolle im Kampf gegen linksgerichtete Politiker Lateinamerikas zuzuweisen. Sobel zufolge waren die Niederländer "zutiefst besorgt" über die "Einmischung" des venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez in der Region.

Nach Ansicht der New Yorker Anwältin Eva Golinger, die etliche Bücher über Chávez geschrieben hat, erinnern US-Äußerungen, die venezolanische Regierung sei von Kuba infiltriert, an Warnungen aus der Zeit des Kalten Krieges.

Golinger wirft US-Diplomaten auf ihrer Internet-Plattform 'Postcards from the Revolution' vor, das Bild von Venezuela zu verfälschen. Obwohl unter Chávez Milliarden US-Dollar in den öffentlichen Gesundheitssektor gepumpt wurden, der allen Bürgern eine kostenfreie Versorgung garantiert, ist in einem Kabel zu lesen, dass die Qualität der venezolanischen Krankenhäuser unter dem linkspopulistischen Staatschef gelitten habe.


Provokation

Die Depeschen zeigen auch, dass zwei Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg in Europa noch immer mindestens 200 US-Atomwaffen stationiert sind. Darüber hinaus offenbaren sie Pläne der NATO, gezielt auf Konfrontationskurs mit Russland zu gehen. Ein Dokument vom Januar 2010 belegt, dass die NATO-Bündnispartner einem Plan zugestimmt haben, ihre Operation 'Eagle Guardian' durchzuführen - Vorbereitungen für mögliche Kämpfe gegen Russland auf polnischem und baltischem (Lettland, Litauen und Estland) Boden.

Der NATO-Vorschlag folgte den Bemühungen der letzten Jahre, die russischen Nachbarländer zu NATO-Bündnispartnern zu gewinnen. Dabei steht die Pakterweiterung im Widerspruch zu dem Versprechen des ehemaligen US-Außenministers James Baker (1989-1992) gegenüber Moskau, das Militärbündnis nicht Richtung Osten auszudehnen. Als Mitglieder der NATO stellen die baltischen Staaten seit 2004 ihre Militärbasen für die USA und für die Ausbildung von Soldaten für den Einsatz in Afghanistan bereit.

Im September hatte Rick Rozoff, ein Blogger der Kampagnen-Webseite 'Stop NATO' kritisiert, dass Kriegsflugzeuge aus verschiedenen NATO-Mitgliedstaaten "rund um die Uhr" im Luftraum der drei baltischen, an Russland angrenzenden Staaten unterwegs seien. Seiner Ansicht nach dienen diese Operationen dazu, Spannungen zwischen Russland und der NATO aufzubauen.

"Die neuen NATO-Mitgliedsländer am Baltischen Meer erfüllen die Forderungen, die ihnen aus dem Zugang zum Bündnis erwachsen sind", schreibt der Blogger. "Sie beherbergen die NATO- und insbesondere US-Soldaten, Militärbasen, Kriegsflugzeuge und -schiffe sowie Raketen. Sie stellen Truppen für Kriege im fernen Ausland. Sie bieten Teilnehmern des Afghanistan-Krieges und anderer Konflikte Trainingsmöglichkeiten. Und sie leisten ihre mannigfaltigen Dienste nahe der russischen Westgrenze." (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.chavezcode.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53931

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2010