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USA/317: Obama setzt in der Afrikapolitik auf die militärische Karte (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, September/Oktober 2010

Wiedervorlage

Obama setzt in der Afrikapolitik wie sein Vorgänger
auf die militärische Karte

Von Daniel Volmar


Als Barack Obama 2008 zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, traf er allenthalben auf enthusiastische Zustimmung, auch in Afrika. Man erwartete von ihm einen radikalen Kurswechsel gegenüber der Politik seines Vorgängers George W. Bush. Nicht zuletzt dessen militärpolitischen Abenteuer haben die USA in eine außenpolitische Isolierung gebracht. Auf Bush geht die Bildung eines einheitlichen Militärkommandos Africom für den Kontinent zurück. Africom nahm im Oktober 2007 seine Arbeit auf. Nach dem Amtswechsel in Washington konnte man erwarten, dass Obama diese Militärpolitik gegenüber Afrika zurück fahren und zu einer mehr politischen Zusammenarbeit übergehen würde. Doch auch Obama setzt verstärkt auf militärische Lösungen in Afrika. Die Vereinigten Staaten binden sich damit immer fester an instabile, repressive und undemokratische Regime.


Als Barack Obama im Januar 2009 zum Präsidenten der USA vereidigt wurde, erwartete man allgemein einen drastischen Wechsel, wenn nicht eine Umkehrung der militärischen und einseitigen Sicherheitspolitik gegenüber Afrika, wie sie Amtsvorgänger Bush betrieben hatte. Doch im zweiten Jahr seiner Amtsführung zeigt sich, dass Obama im wesentlichen die gleiche Politik fortführt, die das US-Militär seit einem Jahrzehnt verfolgt. Es zeichnet sich sogar ab, dass Präsident Obama das militärische Engagement in Afrika ausweiten und intensivieren will.

So sieht der Haushalt des Auswärtigen Amtes für das Finanzjahr 2010 deutliche Mehrausgaben für Waffenlieferungen und Militärausbildung für afrikanische Staaten, aber auch für Regionalprogramme vor. Für das Jahr 2011 werden weitere Erhöhungen erwartet. Die Militärausgaben für Afrika südlich der Sahara sind um das Dreifache gestiegen, von 8,2 auf 25,5 Mio. US-Dollar. Dazu kommen noch die Ausgaben für die nordafrikanischen Staaten. Hauptempfänger sind der Tschad, die DR Kongo, Dschibuti, Äthiopien, Kenia, Liberia, Marokko, Nigeria und Südafrika.

Für internationale Militärausbildung und Trainingsprogramme in subsaharischen Ländern sind 16 Mio. US-Dollar vorgesehen, zwei Millionen mehr als im Vorjahr; dazu kommen die Ausgaben für Nordafrika. Von den Erhöhungen profitieren vor allem Algerien, Tschad, DR Kongo, Dschibuti, Äthiopien, Äquatorial-Guinea, Ghana, Liberia, Libyen, Mali, Marokko, Niger, Nigeria, Ruanda, Senegal, Südafrika und Uganda.

Weitere Ausgaben fließen in verschiedene Sicherheitsprogramme in Afrika wie das African Contingency Operations and Training Assistance Programme (96,8 Mio. US-Dollar), in die internationale Drogenkontrolle und Law Enforcement-Programme in Algerien, Kapverde, DR Kongo, Äthiopien, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Marokko, Nigeria, Sierra Leone, Sudan und Uganda, in Anti-Terrorismus-Programme in Kenia und Südafrika und in regionale Sicherheitsprogramme.

Weitere Gelder für Afrika wurden im Haushalt des Verteidigungsministeriums eingestellt. Sie betreffen Finanzierungen des neuen Africa Command (Africom), der seit 2008 voll arbeitet, und der Combined Joint Task Force-Horn of Africa (CJFT-HOA), die seit 2002 auf dem US-Militärstützpunkt in Dschibuti stationiert ist. Für die Operationen von Africom und die vom Africom-Hauptquartier in Stuttgart aus geleitete Operation Enduring Freedom-Trans-Sahara Counter-Terrorism Partnership hat die Obama-Regierung 278 Mio. US-Dollar vorgesehen. Mit weiteren 60 Mio. US-Dollar sollen im laufenden Jahr Operationen von CJFT-HOA finanziert werden. Für den Unterhalt der Lemonier-Militärstützpunktes in Dschibuti werden 249 Mio. US-Dollar aufgebracht, zusätzlich 41,8 Mio. US-Dollar für Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen der Militärbasis. Die US-Regierung erwägt zudem den Aufbau einer 1.000 Mann starken Einsatztruppe der Marine in Europa, die Africoms Interventionsfähigkeit in Afrika stärken soll.


Sorge vor Terrorismus

Die Kontinuität der Bush-Politik auch unter Obama zeigt sich in mehreren Kernbereichen. In Somalia etwa hat die Obama-Regierung Waffen im Wert von 20 Mio. US-Dollar an die Übergangsregierung geliefert. Somalische Truppen erhalten Ausbildung im US-Militärlager von Dschibuti. Ferner setzt Präsident Obama ein weiteres Programm seines Vorgängers fort. George W. Bush hatte seinerzeit die Ermordung des mutmaßlichen Al Kaida-Führers in Somalia angeordnet. Im August 2009 genehmigte Obama einen Anschlag von Sondereinheiten, bei dem Saleh Ali Saleh Nabhan getötet wurde. Ihm wurde eine Beteiligung bei den Bombenanschlägen der Al Kaida im August 1998 auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania unterstellt.

Auch im Sahel werden die Gelder für das Trans-Sahara Counter-Terrorism Programme auf 20 Mio. US-Dollar aufgestockt. Mali erhält im Rahmen eines Sicherheitsprogrammes Geländefahrzeuge und Funkausrüstungen im Wert von fünf Mio. US-Dollar. Regierungsbeamte rechtfertigen die Ausweitung des militärischen Engagement in der Transsahara-Region mit den zunehmenden Aktivitäten von Al Kaida in den islamischen Maghreb-Staaten (Entführungen gegen Lösegeld und Drogenschmuggel), die eine wachsende Bedrohung der US-Interessen in der an Ressourcen reichen Region darstellten.

In Nigeria, das zehn Prozent der Ölimporte der USA liefert, wird die Obama-Regierung die militärische Unterstützung für die nigerianischen Streitkräfte ausweiten - trotz Bedenken wegen der Sicherheitslage im Nigerdelta, des islamischen Extremismus im Norden und der insgesamt fragilen demokratischen Institutionen. Im August 2009 reiste Außenministerin Hillary Clinton nach Nigeria. Dort versicherte sie der Regierung, die US-Regierung werde jede Anfrage Nigerias nach militärischer Unterstützung wohlwollend prüfen, sofern sie der Unterdrückung der bewaffneten Milizen in der Delta-Region gelte. Die nigerianische Regierung hat es unterlassen, ihr Amnestieprogramm in diesem Erdöl-Fördergebiet anzuwenden, was zu erneuten gewalttätigen Zwischenfällen und Angriffen auf Ölanlagen im Nigerdelta geführt hat.

In Zentralafrika und am Horn von Afrika erhöht die Obama-Regierung den Sicherheitsbeistand für Uganda, Ruanda, Kenia, Äthiopien und andere Länder der Region. Verstärkt wurde die Ausbildung für die neue East African Standby Force (EASF) in Uganda und Dschibuti. Die EASF besteht aus einem Bataillon, das von der Afrikanischen Union für unabhängige afrikanische friedenssichernde und andere Missionen bewilligt wurde. Doch die Truppe bleibt abhängig von ausländischer Unterstützung - vor allem von den USA. Auf absehbare Zeit wird sie nicht in der Lage sein, eigenständig zu operieren.

Das wachsende Militär-Engagement der USA reflektiert die ernsthafte Sorge der Obama-Regierung vor einer Bedrohung durch den islamistischen Extremismus und die Instabilität in ressourcenreichen Regionen Afrikas sowie ein den USA eigenes Sendungsbewusstsein, bei der Lösung von Konflikten in allen Teilen des Kontinents beizutragen. Doch alle getroffenen Maßnahmen erhöhen nur die Militarisierung Afrikas und binden die Vereinigten Staaten immer fester an instabile, repressive und undemokratische Regime. Das wiederum fördert den Extremismus, Instabilitäten und Konflikte in Afrika.

Für die DR Kongo hat die Obama-Regierung erst unlängst die Aufstellung von Sondereinheiten genehmigt, die ein Infanterie-Bataillon in einem Militärlager bei Kisangani ausbilden soll. Das Lager war zuvor von den USA modernisiert und ausgebaut worden. Die Obama-Regierung hat sich für dieses Ausbildungsprogramm entschlossen, obwohl bekannt ist, dass kongolesische Truppen sich immer noch an schweren Verstößen gegen Menschenrechte beteiligen (Vergewaltigungen, Mord an Zivilisten) und sich an der illegalen Ausbeutung mineralischer Rohstoffe bereichern.


Sendungsbewusstsein der USA

Das ist der Hauptgrund dafür, dass die Obama-Regierung diplomatische und wirtschaftliche Konzepte vernachlässigt. Das Außenamt und die Entwicklungshilfeorganisation USAID werden diesbezüglich finanziell und anderer Mittel auf Jahre hin geradezu ausgetrocknet. Es fehlt mittlerweile einfach an Kapazitäten, sich in Afrika in einer Weise zu engagieren, die mehr Erfolg verspricht. Es wird Jahre und substanzielle Mittelerhöhungen brauchen, um diese Kapazitäten aufzubauen. Die einzige neue Initiative Obamas ist das Programm zur Ernährungssicherung. Und das ist hoch umstritten, setzt es doch auf teure, aus Öl gewonnene Kunstdünger, die Mechanisierung der Agrarproduktion auf großen Flächen und den Einsatz von genmanipuliertem Saatgut.

Präsident Obama sieht offensichtlich keine andere Option, als vornehmlich zu militärischen Instrumenten zu greifen, und darauf zu hoffen, dass auf diese Weise die Interessen der USA in Afrika zumindest kurzfristig geschützt werden, auch wenn damit das Risiko eingegangen wird, dass der militärische Einsatz die bestehenden Gefahren anheizt. Die Obama-Regierung wäre wohl beraten, ihren Militäreinsatz in Afrika zu drosseln. Sie sollte statt dessen größere Aufmerksamkeit auf diplomatische und wirtschaftliche Konzepte lenken, um Afrikas eigentliche Probleme zu lösen. Dabei wäre eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, China und anderen interessierten Staaten im Sinne eines kooperativen Engagements mit Afrika zu wünschen. Das könnte dazu führen, dass Afrikas Sicherheit nicht weiter unterhöhlt würde und auch die langfristigen Interessen der Vereinigten Staaten auf dem Kontinent sichern.


Aus Pambazuka News 478, 22. April 2010
Der Autor leitet das African Security Research Project in Washington.
Er ist Spezialist für die US-Militärpolitik in Afrika und für afrikanische Sicherheitsfragen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 4, September/Oktober 2010, S. 34 - 36
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2011