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USA/320: High-Tech-Militärposten an mexikanischer Grenze - Drohnen gegen Migranten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Februar 2011

USA: High-Tech-Militärposten an mexikanischer Grenze - Drohnen gegen Migranten

Von Kanya D'Almeida


New York, 8. Februar (IPS) - In der Wüstenortschaft Nomirage in 20 Kilometer Entfernung zur US-amerikanischen Stadt San Diego herrscht himmlische Ruhe - noch. Denn ausgerechnet hier entsteht derzeit eine High-Tech-Garnison, die Lateinamerikanern ohne Papiere und Drogendealern den Grenzübergang in Richtung USA erschweren soll.

Ausgestattet mit einem Budget von 100 Millionen US-Dollar und einem 405 Hektar großen Wüstengebiet treibt Brandon Webb, ehemaliges Mitglied einer US-amerikanischen Marine-Eliteeinheit und Geschäftsführer der Firma 'Wind Zero' das Projekt voran. Einmal fertig gestellt besitzt es die Kapazitäten, jeden Tag 57.000 Kugeln abzufeuern.

Wie der Korrespondent der 'Narco News', Bill Conroy, berichtet, wurde die Entscheidung des zuständigen 'Imperial County Board of Supervisors' Ende Dezember gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung mit vier zu eins Stimmen beschlossen. Auch Menschenrechtsorganisieren protestieren.

Mit modernsten Feuerwehrübungshäusern, Hubschrauberlandepisten, Flugzeugstart- und Landebahn kann sich das Wind-Zero-Vorhaben durchaus mit den US-Militärzentren in Kriegsgebieten wie in Kirkush 112 Kilometer östlich von Bagdad messen. Darüber hinaus hat die Fazilität Ähnlichkeiten mit einem Projekt, dass das paramilitärische Privatunternehmen 'Blackwater' 2006 auf Druck der Öffentlichkeit wieder aufgeben musste.


Überwachung durch Drohnen

Auch wenn Webb Anfang Februar in einem Zeitungsinterview Ähnlichkeiten mit diesem Projekt kategorisch zurückwies, ist nach Ansicht des Grenzexperten Conroy nicht zu übersehen, dass das Unternehmen, Wind Zero und ihr stärkster Verbündeter John Birkler von dem internationalen Konzern RAND durchaus gemeinsame Interessen verfolgen. Sie alle wollen an der Drohnen-Kriegsführung mitverdienen.

"Das Heimatschutzministerium (DHS) setzt derzeit ein halbes Dutzend Predator-B-Drohnen an der US-Südgrenze zu Mexiko ein", erläuterte Conroy im IPS-Gespräch. "Diese Drohnen besitzen tödliche Fähigkeiten, werden aber offenbar derzeit ausschließlich für Überwachungszwecke genutzt." Neben dem DHS setzt auch das US-Militär die unbemannten Flugzeuge ein. Allerdings ist nicht klar, ob sie ebenfalls in den Grenz- und Küstengebieten zum Einsatz kommen. Die US-Militärbasen längst der südlichen US-Grenze werden als Landeplätze genutzt.

Für die Pläne der USA, ihre Überwachungstechnologien massiv auszubauen, spricht die Tatsache, dass die Garnison in Nomirage mit dem Nötigen ausgestattet sein wird, um Anweisungen an unbemannte Flugsysteme zu geben. Dass die Anlage in der Nähe von San Diego und dem mexikanischen Tijuana entsteht, unterstreicht Conroy zufolge die Bedeutung, die dem Kampf gegen den Drogenhandel an der Westküste zukommt.

Für die Mexikaner, die vor Übergriffen der Rauschgiftmafia fliehen, ist die zunehmende Militarisierung der US-mexikanischen Grenze eine Hiobsbotschaft. Allein im letzten Jahr fielen in dem lateinamerikanischen Land 15.000 Menschen der Gewalt des organisierten Verbrechens zum Opfer.

"Bilder dieser teuren Drohnen, die über die Wüste hinwegfliegen, in der Migrantinnen mit ihren Kindern durch die Hitze laufen, erinnern an Filme wie 'Terminator'. Und doch sind sie längst Realität", meint der Regisseur Alex Rivera, der die Krise im Grenzgebiet in seinen Filmen thematisiert. Die Überwachungsdrohnen seien allerdings nur ein Element vieler Technologien und Maßnahmen, um die Grenze zu kontrollieren. Dazu gehörten Wärmesuchgeräte und Bodensensoren ebenso wie die tausenden patrouillierenden Grenzbeamten.


Migration und Drogenhandel als ein Problem behandelt

DHS-Zahlen aus dem letzten Jahr zeigen, dass die Zahl der Grenzbeamten seit 2004 von 10.000 auf 21.000 aufgestockt wurde. "Grenzpatrouillen wurden schon immer von der Logik beherrscht, dass das Drogen- mit dem Flüchtlingsproblem verquickt", erläutert Rivera.

Die 'American Science and Engineering (AES) Inc.', die die Geräte entwickelt hat, um Passagiere und Gepäck auf internationalen Flughäfen zu durchleuchten, hat den Begriff 'organic contraband' (organisches Schmuggelgut) geprägt, der sowohl Drogenhändler als auch Grenzgänger meint. Wird ein Mensch im Kofferraum eines Autos über die Grenze geschafft, würde er als 'organische Schmuggelware' bezeichnet.

Organisationen wie 'No More Deaths' (Keine Toten mehr) führen einen erbitterten Krieg gegen die entwürdigende Sprache, die sie für die Verabschiedung unmenschlicher Gesetze verantwortlich machen. "Der zunehmende Einsatz von Überwachungstechnologien in den letzten zehn Jahren ging mit einer zunehmenden Zahl von Todesopfern an der Grenze einher", so Geoffrey Boyce, der Pressesprecher von No More Deaths mit Sitz in Tucson, Arizona.

"Menschen werden in noch entlegenere und schwierigere Gebiete abgedrängt", kritisierte er. "Um die Grenze zu überqueren, brauchen Migranten inzwischen nicht mehr nur ein bis zwei, sondern sechs Tage - bei Sommertemperaturen von 100 bis 120 Grad Fahrenheit (39 bis 49 Grad Celsius) jeden einzelnen Tag."

Boyce zufolge geht die Rechnung der US-Strafverfolgungsbehörden nicht auf, die Zahl der unerwünschten Grenzgänger durch immer größere Hindernisse zu senken. "Wir haben in den letzten zehn Jahren beobachtet, dass das Gegenteil der Fall ist", meint Boyce. "Vielmehr erwies sich der Marsch durch die Wüste als immer tödlicheres Risiko." Allein für den Süden von Arizona dokumentiert die Menschenrechtsorganisation jedes Jahr mehr als 200 Todesfälle. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2011