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USA/382: Bei den USA besteht in den Beziehungen zu Kuba noch Lernbedarf (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 1 vom 2. Januar 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Illusionslos und angstfrei
Auf Seiten der USA besteht noch Lernbedarf

von Günter Pohl



Das Jahr hätte für Kuba kaum besser enden können. Die Freilassung der drei noch in US-Haft verbliebenen "Helden der Republik" Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero löste auf Kuba und bei der weltweiten Solidaritätsbewegung für die Befreiung der "Miami 5" eine wahre Welle der Freude und Genugtuung aus.

Freude für und mit den Angehörigen, von denen Adriana Pérez in den 16 Jahren seit der Inhaftierung am 12. September 1998 nicht ein einziges Mal zu ihrem Ehemann Gerardo in die USA reisen durfte. Genugtuung, dass sich die Gerechtigkeit durchsetzen kann. Das umso mehr, wenn man bedenkt, dass von der damaligen Verhaftung der Beteiligten des "Wasp Networks" zehn Männer betroffen waren und fünf von ihnen die Stärke nicht besaßen, sich für Jahre einsperren zu lassen, sondern gegen geringe Strafen mit den US-Behörden kooperierten. Das "Wasp Network" hatte sich in antikubanische Gruppen eingeschleust und Informationen über geplante Anschläge gegen kubanische Einrichtungen und Personen gesammelt. Diese waren Mitte Juni 1998 an die US-Regierung übergeben worden -aber statt gegen die Terrorgruppen vorzugehen, wurden die zehn Männer inhaftiert. Fünf von ihnen - auch René González und Fernando González, die nach vollständiger Verbüßung ihrer Strafen im Mai 2013 bzw. Februar 2014 nach Kuba zurückkehrten - blieben fest. Gewiss hätte jeder von ihnen in all den Jahren die Möglichkeit gehabt, seine Strafe durch ein öffentliches Bekenntnis gegen Kuba erheblich abzukürzen, aber die Gewissheit auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, war stärker. Auch hier zeigt sich, wie die Erziehung durch die Kubanische Revolution Menschen zu gesellschaftlichen Wesen macht.

Dass es in den USA letztlich zu einem Umdenken kam, hat mit mehreren Faktoren zu tun. Einer der subjektiven Faktoren war dabei die gleichzeitige Freigabe des zu fünfzehn Jahren Haft verurteilten US-Agenten Alan Gross und eines weiteren US-Spions sowie anderer Personen mehr. Namhafte Zeitungen hatten sich allein aufgrund seines Falls nach jahrelangem Verschweigen der "Miami 5" erst in den letzten Monaten dazu bequemt, über sie zu berichten und vorzuschlagen sie gegen Gross auszutauschen. Der innenpolitische Druck war also gegeben. Da die Gespräche zwischen den USA und Kuba jedoch bereits monatelang liefen, bevor am 17. Dezember Barack Obama und Raúl Castro parallel vor die Presse traten, kann aber davon ausgegangen werden, dass dieser Druck durch gezielte Indiskretion seitens der Obama-Regierung künstlich erzeugt wurde, um das Terrain diesbezüglich vorzubereiten.

Ein anderer subjektiver Faktor ist das bevorstehende Ende der Regierungszeit Obamas. Da er keine Wiederwahl zu gefährden hatte, war der Zeitpunkt nun gut gewählt. Dass das Zugehen auf das sozialistische Kuba aber keine grundsätzliche Einsicht ist, zeigte sich schon tags darauf, als Obama - sicher als Hinweis Richtung Republikanischer Partei und Militärisch-Industriellem Komplex - in Sachen Sony-Film ohne jeden schlüssigen Beweis für deren Verwicklung in die Drohungen gegen die Filmvorführung verbale Stärke gegen die Koreanische Demokratische Volksrepublik zeigte. Denn für die Obama-Regierung dürften sich die Unterschiede zwischen Kuba und der KDVR in äußerst überschaubaren Grenzen halten. Auch angesichts der täglichen Mordbefehle im Rahmen der weltweiten Drohneneinsätze der USA gibt es keinen Grund den Friedensnobelpreisträger als in irgendeiner Art bekehrt anzusehen, wie es aus manchen Kommentaren durchschimmert.

Denn letztlich - und das ist ein objektiver Grund - war der Druck aus dem nicht mehr gar so willfährigen Hinterhof "Lateinamerika/Karibik" in den letzten Jahren immer größer geworden. Nicht nur, dass es kaum eine staaten- oder parteienübergreifende Erklärung aus der Region gab, in der nicht die unverzügliche Freilassung der Miami 5 gefordert worden war, sondern vor allem die allseits geforderte Einbeziehung Kubas in die OAS und ein Ende der Blockade, zeigte die zunehmende Isolierung der Vereinigten Staaten. Hier scheint sich tatsächlich der Pragmatismus durchgesetzt zu haben.

Dass hier dennoch eine Menge Lernlücken bestehen, beweisen die Reaktionen auf Raúl Castros Bemerkung, dass "wir tiefe Meinungsverschiedenheiten haben, hauptsächlich in den Bereichen nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik" - dass es nämlich in allen vier Bereichen erheblich mehr Probleme auf Seiten der USA gibt als bei Kuba, scheint nicht bei jedem bürgerlichen Kommentator so verstanden worden zu sein wie bei der Politologin Sarah Ganter, die im von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen "IPG-Journal" unter der Überschrift "Wir sind doch alle Amerikaner"[1].

auf die Frage "Castro hat Obama gegenüber angekündigt, er sei auch zu einem Dialog über Demokratie und Menschenrechte bereit. Was ist da zu erwarten?" antwortet: "Wenn Havanna von Dialog spricht, dann ist in jedem Fall ein Dialog auf Augenhöhe gemeint. Das heißt, Kuba würde sich dessen Bedingungen nicht einfach diktieren lassen, auch die Menschenrechtslage in den USA auf den Prüfstand stellen und möglicherweise Fragen wie Guantánamo, Flüchtlingspolitik, Polizeigewalt und Rassismus zum Gegenstand machen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die USA an dieser Art von Austausch interessiert sind." Darauf ließe sich aufbauen.

Selbstredend ist mit den Erklärungen Obamas die feindliche Haltung des US-Imperialismus gegenüber der Revolution und ihrer Führung nicht aufgehoben. Im Gegenteil, sie ist nun auf einer anderen Ebene angekommen. Kaum war Obamas Rede verklungen, meldeten sich US-Senatoren zu Wort, unter anderem mit dem Hinweis auf Willy Brandts Politik gegenüber der DDR. Wandel durch Annäherung - damit ist der irrationalste Teil der US-Politik zwar überwunden, aber das Ziel bleibt: die Vernichtung der Kubanischen Revolution.

Die Bedingungen dazu können sich durch die bevorstehende Welle von Besuchen von Bürger/innen der USA auf Kuba in der Tat verbessern, denn es wird gewiss nicht leichter, die damit verbundene Unterwanderung auf kulturellem und ideologischem Gebiet zu beherrschen. Andererseits sind die Kommunistische Partei Kubas und die kubanische Regierung da gewiss illusionslos und angstfrei: Sie setzen zu Recht auf den Grad an Bewusstsein, der seit 1959 geschaffen wurde. Die fünf Männer sind der beste Beweis.


Anmerkung:
[1] www.ipg-journal.de/kurzinterview/artikel/wir-sind-doch-alle-amerikaner-724

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 1 vom 2. Januar 2015, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2015


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