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USA/411: Trump »mauert« und aktualisiert die Monroe-Doktrin (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Trump »mauert« und aktualisiert die Monroe-Doktrin
Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den USA

von Wolf Grabendorff, April 2018


• Lateinamerika hat keine außenpolitische Priorität für die Trump-Administration, da dort im Gegensatz zu anderen Weltregionen kaum strategische Interessen der USA betroffen sind. Dennoch sind Rücksichtnahmen auf innenpolitische Interessengruppen für das außenpolitische Profil gegenüber Kolumbien, Kuba, Mexiko und Venezuela deutlich erkennbar. Eine hemisphärische Strategie, wie sie frühere US-Präsidenten zur Absicherung der eigenen Weltmachtrolle entwickelt haben, ist angesichts des America first-Konzepts von Präsident Trump nur in Ansätzen als Abwehrstrategie erkennbar.

• Trotz der aggressiven und rassistischen Rhetorik von Präsident Trump ist die effektive US-Außenpolitik in der Region von Kontinuität hinsichtlich der bilateralen und multilateralen Maßnahmen der Obama-Administration geprägt. Die konservativen Entwicklungsmodelle in vielen Staaten Lateinamerikas erlauben den USA die Fortführung traditioneller Beziehungsmuster.

• Der Verlust an internationaler Glaubwürdigkeit und politischer Berechenbarkeit der USA ist in Lateinamerika seit dem Amtsantritt von Präsident Trump deutlich spürbar. Abwehrreaktionen sind in der Region bisher nur bei der Migrations- und der Handelspolitik sowie hinsichtlich der Interventionsandrohung in Venezuela erkennbar. Demgegenüber hat die Bereitschaft, in allen Bereichen der öffentlichen Sicherheit enger mit den USA zusammenzuarbeiten, drastisch zugenommen.

• Lateinamerikas geopolitische Situation hat sich im letzten Jahrzehnt erheblich verändert. Die Orientierung nach Asien hat zu einem offensichtlichen Modellverlust für die westliche Staatengemeinschaft geführt, von dem nicht nur die USA, sondern vor allem auch die EU betroffen sind. Neben dem drastisch gestiegenen Einfluss transnationaler Akteure sind es insbesondere China und Russland, die deutlich an politischem Gewicht gewonnen haben.


Inhalt

Das gewandelte Gesicht und Gewicht Lateinamerikas gegenüber den USA

Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten in der nationalen Politik gegenüber den »südlichen Nachbarn«?

Geopolitischer Druck auf wichtige Staaten im Karibischen Becken?
- Mexiko - gravierende Nachbarschaftsprobleme
- Kolumbien - Strategischer Partner trotz Druck aus Washington
- Kuba - wenig Spielraum nach innen und außen
- Venezuela - ein lange unterschätztes Regionalproblem

Hegemonieverlust der USA und geopolitische Spannungen in Lateinamerika
- China - der neue Elefant in der Region?
- Russland - ein wiederentdecktes Feindbild

Kann die EU ihre traditionellen Perzeptionen von Lateinamerika aktualisieren?

Ausblick

*

Das gewandelte Gesicht und Gewicht Lateinamerikas gegenüber den USA

Die Beziehungen der USA zu ihren südlichen Nachbarn gehören zu den schwierigsten Feldern ihrer internationalen Präsenz. Neben den augenfälligen Asymmetrien an politischer Macht und gesellschaftlichem Wohlstand sind es vor allem die sehr unterschiedlichen politischen Kulturen in den beiden Amerikas, welche die Nachbarschaftsbeziehungen zu einem besonders komplizierten Politikfeld gemacht haben. Nicht nur gegenüber den direkten Nachbarn wie Mexiko und den karibischen Staaten, sondern auch gegenüber der ganzen Region haben sich innenpolitisch motivierte Politikansätze immer mit außen- und sicherheitspolitischen Strategien vermischt und damit schwer regulierbare intermestic effects in den sehr unterschiedlichen Gesellschaften hervorgerufen. Verstärkt wurden diese Effekte noch durch die jeweiligen politischen Eliten der lateinamerikanischen Staaten, von denen die einen den US-Führungsanspruch akzeptieren, die anderen diesen Einfluss hingegen reduzieren möchten (Merke 2011: 21). Gerade die für Lateinamerika zentralen Politikbereiche wie Handels-, Umwelt- und Migrationspolitik sind auch für US-Präsident Trump die bestimmenden Themen - sowohl gegenüber seinen Wähler_innen als auch in seiner internationalen Positionierung (Samper 2017: 2). Dadurch ist ein permanenter Interessenkonflikt in der westlichen Hemisphäre geradezu unvermeidbar.

Aufgrund seiner geografischen Nähe wird Lateinamerika häufig als wichtigste Region für den Wohlstand und die Sicherheit der USA angesehen (Ellis/Ortiz 2017: 1). Die mit dieser Nähe verbundenen Migrationswellen haben schon lange vor Präsident Trump zu einer besonderen geopolitischen Sensibilität in den USA gegenüber Lateinamerika geführt. Die jüngste Phase dieser schwierigen Beziehungen fällt zusammen mit dem Führungsverlust der USA auf globaler Ebene und den Abschottungstendenzen der bisherigen Führungs- und Vormacht der liberalen Weltordnung, deren Präsident deutlich herabsetzende und rassistische Charakterisierungen für die Bewohner_innen südlich des Rio Grande gefunden hat.

Diese Entwicklung hat sowohl die eher kritischen als auch die positiv gegenüber den USA gesinnten Lateinamerikaner_innen außerordentlich verunsichert, sodass die Präsidentschaft Trumps in der Region vielfach als historische Wende betrachtet wird, obwohl sich in den wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen bisher eher wenig verändert hat. Die von verschiedenen US-Administrationen beschworenen »hemisphärischen Gemeinsamkeiten« wurden von der Trump-Regierung bisher nur wenig betont. Stattdessen wurde zunächst einer unilateralen Politik vor einem multilateralen Ansatz - selbst in der dramatischen Venezuela-Krise - der Vorzug gegeben. Auch die Aktivitäten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurden bisher weder ausreichend unterstützt noch wurde die interamerikanische Organisation in ihren Bemühungen zur Konfliktbeilegung politisch gestärkt.

Es passt in die America first-Strategie von Präsident Trump, die vor allem auf Bilateralismus ausgerichtet ist, dass mit einer umfangreichen Regionalstrategie wie der »Allianz für den Fortschritt« zu Zeiten von Präsident Kennedy, dem »Krieg gegen die Drogen« von Präsident Nixon oder der Ankündigung einer gesamtamerikanischen Freihandelszone von Präsident Bush während der derzeitigen Präsidentschaft nicht zu rechnen sein dürfte. Wichtige Elemente der traditionellen Lateinamerikapolitik der USA, wie die Förderung von Freihandelsabkommen, die Unterstützung von multilateralen Organisationen oder die Förderung demokratischer Prozesse, werden von Präsident Trump sogar weltweit als außenpolitische Strategien abgelehnt. Sie kommen in Lateinamerika aber dennoch zumindest teilweise zur Anwendung, da sie als Basis für eine erfolgversprechende Zusammenarbeit zumindest mit einigen Staaten der Region dienen sollen, vor allem zur Isolierung von Venezuela und Kuba sowie als Abwehr des gestiegenen geopolitischen Gewichts von China und Russland.

Gerade die schroffe Ablehnung des Multilateralismus durch US-Präsident Trump dürfte auf die Haltung einiger lateinamerikanischer Regierungen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und damit die ohnehin stagnierenden regionalen Integrations- bzw. Kooperationsbemühungen weiter schwächen. Stattdessen wollen die USA den Rückgang der wirtschaftlichen Beziehungen, der zum Teil mit dem Ende des Rohstoffbooms im Zusammenhang steht, durch eine Überprüfung der multilateralen (Mexiko und Zentralamerika) sowie der bilateralen Freihandelsabkommen (Chile, Peru, Kolumbien) aufhalten bzw. umkehren. Die Kriterien dafür hat Trump sehr präzise formuliert: Der Außenhandelsüberschuss solle nun aufseiten der USA anfallen.

Trumps Konzept des America first bezieht sich aber keinesfalls nur auf nationale Interessen, sondern durchaus auch auf die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Unternehmen mit direktem Zugang zum Präsidenten oder seinen Berater, wie eine Reihe von außenwirtschaftlichen Einzelentscheidungen in den letzten Monaten gezeigt hat. Da der nordamerikanische Markt für viele lateinamerikanische Staaten weiterhin von zentraler Bedeutung ist, werden alle regionalen Handelspartner nun versuchen, durch Deals, also einem Entgegenkommen in anderen Politikfeldern, die der Regierung Trump wichtig sind, Handelsvorteile zu erreichen bzw. zu verteidigen.

Trotz der Absicht des ehemaligen US-Außenministers Rex Tillerson, sich stärker in Lateinamerika zu engagieren und eine regionale Allianz gegen Venezuela und Kuba zu schmieden, überlässt das State Department die Regionalkompetenz in Washington weitgehend dem Stabschef im Weißen Haus, dem früheren Kommandanten des für Lateinamerika zuständigen U.S. Southern Command, General John F. Kelly. Seine Erfahrungen in der regionalen Sicherheitskooperation, auch während seiner Zeit als Chef des Heimatschutzministeriums, prägen zahlreiche bilaterale Initiativen der Trump-Regierung. So sind die USA in der Region nicht auf Partnersuche für gemeinsame Entwicklungsprogramme, sondern versuchen für ihren Kampf gegen Drogen und Terrorismus - oft ohne Rücksicht auf endogene Modelle -, vor allem Militär, Polizei und Geheimdienste der einzelnen Länder für eine intensivere Zusammenarbeit zu gewinnen.


Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten in der nationalen Politik gegenüber den »südlichen Nachbarn«

Aus Sicht der Trump-Regierung steht die »Chaosmacht« Lateinamerikas im Vordergrund aller politischen Überlegungen. Seit dem Beginn des Wahlkampfs war die Eindämmung der Migration das zentrale Thema, das bereits von der Obama-Regierung weitgehend geprägt worden war und seither zu millionenfachen Abschiebungen - vor allem nach Mexiko und Zentralamerika - sowie in 2017 zu einem Rückgang von etwa 30 Prozent der illegalen Einwanderung an der Grenze mit Mexiko geführt hat. Eine massive Rückführung des als illegal bezeichneten Teils der sogenannten Hispanics, die mit 18 Prozent die größte und am schnellsten wachsende Minderheit der US-Bevölkerung darstellen (Grabendorff 2016: 2), gilt für Trump als Maßnahme der nationalen Sicherheit. Ebenso soll der von ihm pausenlos geforderte Bau einer Mauer entlang der Grenze zu Mexiko dazu dienen, die »offene Grenze« nach Süden nicht nur gegen Migrant_innen, sondern auch gegen Drogenschmuggel dauerhaft zu sichern. So steht die Furcht vor dem »Überschwappen« der in der Region weit verbreiteten organisierten Kriminalität, der damit verbundenen Zunahme an Gewalt sowie der reduzierten Staatlichkeit, die dann wiederum zu erhöhtem Migrationsdruck führen würde, im Mittelpunkt der wenigen Lateinamerika-Initiativen in Washington.

Aus Sicht der betroffenen Staaten Lateinamerikas handelt es sich dabei freilich auch um ein zentrales Problem des jeweiligen Finanzhaushalts. So betrugen allein 2017 die Rücküberweisungen der lateinamerikanischen Migrant_innen in ihre Ursprungsländer etwa 75 Mrd. US-Dollar. Für Mexiko machen diese Zahlungen zwar nur 2,7 des BNE aus, für einige Staaten Zentralamerikas aber zwischen 10 und 20 Prozent; für Haiti sogar 33 Prozent (Orozco 2018: 1). Die verschiedenen Ausweisungsandrohungen der Trump-Regierung aufgrund der angekündigten Beendigung spezieller Schutzprogramme für Migrant_innen aus El Salvador, Nicaragua, Honduras und Haiti im Laufe von 2018/19 könnten neben dem zukünftigen Ausbleiben dieser privaten Finanzströme vor allem die fragile wirtschaftliche und soziale Situation in den betroffenen Staaten erheblich gefährden und damit den Anstieg von Gewalt und organisierter Kriminalität zusätzlich ausweiten (Feinberg 2017).

Wie verantwortungslos US-Präsident Trump mit dem Schicksal von mehreren hunderttausend Menschen umgeht, wenn es sich um Migrant_innen handelt, lässt sich auch an der hitzigen innenpolitischen Diskussion um die Zukunft der sogenannten Dreamers ablesen. Das Schicksal dieser etwa 800.000 als Kinder in die USA gelangten Migrant_innen, die inzwischen zumeist in Ausbildung bzw. Arbeit sind und von Präsident Obama unter besonderen Schutz vor der Ausweisung gestellt worden waren, hat Präsident Trump im Januar 2018 erfolglos als Faustpfand für einen großen Deal mit dem US-Kongress zu benutzen versucht, um die Finanzierung seines Mauerprojekts an der Grenze mit Mexiko zu realisieren, sofern der US-Kongress diesem fragwürdigen, aber zentralen Projekt seiner Amtszeit zustimmen sollte.

Das damit verbundene Konzept der Abschottung widerspricht nicht nur der noblen Tradition der USA, ein Einwanderungsland zu sein, sondern stellt auch die ganze Region - keineswegs nur Mexiko - unter »Unterwanderungsverdacht« und sieht damit in der Nachbarschaftsregion eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Diese Gefahrenperzeption beruht einerseits auf dem zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Gewicht der Hispanics in den USA, andererseits aber auch auf den neuen politisch geprägten Wanderungsbewegungen aus Zentralamerika und Venezuela sowie auf der zu erwartenden »Umweltmigration« von den Karibischen Inselstaaten.

Während die historische »Arbeitsmigration« aus Mexiko in den letzten Jahren eher rückläufig war, besteht in der Trump-Administration nun die Furcht vor neuen Einwanderungswellen, die Kriminelle, Drogenhändler_innen und vielleicht sogar Terrorist_innen umfassen könnten. Dies entspricht der traditionellen Sichtweise zahlreicher republikanischer Präsidenten auf Lateinamerika, die vor allem drei Gefahren für die USA betont: eine sich über den Drogenhandel hinaus etablierende organisierte Kriminalität, eine begrenzte Staatlichkeit, die diese Entwicklung erleichtert, wenn nicht sogar fördert, und das mögliche Szenario eines transnationalen Terrorismus (Russell/Tokatlian 2009: 236).

Dass die organisierte Kriminalität vor allem auf Grund der Drogennachfrage in den USA, über den Drogenanbau und den Drogenhandel erst zu einer wirklichen Gefahr für die staatliche Stabilität in einigen Teilen Lateinamerikas werden konnte, bleibt in diesen Bedrohungsszenarien freilich unerwähnt. Gleichzeitig dürfte dieser immer wieder betonte Generalverdacht gegenüber den Nachbarn im Süden zu einer Dauerbelastung der regionalen Beziehungen führen - weitgehend unabhängig von notwendigen Anpassungsprozessen und möglichen Verbesserungen in einigen der bilateralen Beziehungen.

Die Hispanics werden vor allem von den weißen Wähler_innen Präsident Trumps für die extrem hohen Arbeitsplatzverluste im letzten Jahrzehnt verantwortlich gemacht, obwohl der Hauptteil dieser Verluste freilich auf die bewusste Verlagerung der Arbeitsplätze durch US-Unternehmen zurückgeht. Darin liegen die beiden Hauptgründe von Trumps Angriff auf das Konzept des Freihandels, das von der Republikanischen Partei immer hochgehalten und von US-Gewerkschaften sowie auch von der Demokratischen Partei als Ursache für die Arbeitsplatzverlagerungen aus den USA in Länder mit erheblich geringeren Arbeitskosten wie Mexiko stets angeprangert worden ist.

In Handelsfragen setzt die Trump-Administration vor allem auf bilaterale Verhandlungen, die sich oft nur auf wenige Produkte beziehen und den Einfluss bestimmter US-Interessengruppen deutlich erkennen lassen. Der Ausstieg der USA aus dem schon weit fortgeschrittenen Trans-Pacific-Partnership-Abkommen (TPP) hat bei dessen lateinamerikanischen Mitgliedern generell eine große Verunsicherung hinsichtlich multilateraler Handelsvereinbarungen mit den USA hinterlassen und vor allem in Mexiko weitreichende Befürchtungen über die möglichen »Kosten« der Modernisierungsverhandlungen des North American Free Trade Agreement (NAFTA) hervorgerufen. Neue bilaterale Handelsabkommen gelten in Washington mit Blick auf das ausufernde eigene Außenhandelsdefizit - trotz des erkennbaren Interesses von Argentinien, Brasilien, Ecuador und Uruguay - zurzeit als nicht aktuell. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben Argentinien und Brasilien die Kritik der Regierung Trump an ihren umfangreichen Handelsbeziehungen mit China und Russland scharf zurückgewiesen.


Geopolitischer Druck auf wichtige Staaten im Karibischen Becken

Die Beziehungsmuster der Trump-Regierung folgen einer bilateralen Logik und konzentrieren sich auf die »Konfliktstaaten« im Karibischen Becken: Mexiko, Kolumbien, Kuba und Venezuela. Ein gleiches Maß an politischer Aufmerksamkeit erreichte in Washington nur Argentinien, da der dortige Wechsel des Entwicklungsmodells und Führungsstils als positiv für die US-Interessen wahrgenommen wurde, während die einzige Großmacht Lateinamerikas, Brasilien, in der Öffentlichkeit bisher wenig Beachtung durch die Regierung Trump gefunden hat.

Mit der offensichtlichen Ausnahme von Kuba und Venezuela haben sich alle Präsidenten der Region rasch um persönliche Kontakte zu Trump bemüht und früh erkannt, dass die Vor- oder Nachteile in den bilateralen Beziehungen so gut wie ausschließlich vom Kontakt zum Weißen Haus abhängen. Ad-hoc-Absprachen sowie die Gewährung oder auch Verweigerung von Handelsvorteilen haben die bilateralen Verhandlungen bisher bestimmt und häufig auch für Verwirrungen und Enttäuschungen in einigen Staaten gesorgt. Die Ausnahmeregelungen für Mexiko und Kanada von den im März 2018 weltweit verhängten zusätzlichen Stahl- und Aluminiumzöllen durch US-Präsident Trump, um deren Gewährung sich auch Argentinien bemüht, belegen diesen Politikstil.

Präsident Trump scheint vor allem daran interessiert zu sein, den US-Unternehmen im internationalen Geschäft einen Marktvorteil zu verschaffen (Binett 2018: 23) und damit einen Beitrag zum Abbau des chronischen Außenhandelsdefizits der USA zu leisten. In allen bisherigen Fällen sind wirkliche »Abwehrmaßnahmen« zur Verringerung der asymmetrischen Effekte auf lateinamerikanischer Seite nicht erkennbar und angesichts der mangelnden regionalen Kohäsion auch nicht recht vorstellbar.


Mexiko - gravierende Nachbarschaftsprobleme

Die »Neugestaltung« der Nachbarschaftspolitik gegenüber Mexiko hat trotz der Radikalität des ursprünglichen Ansatzes von US-Präsident Trump und seiner rassistischen Rhetorik bisher zu keiner dauerhaften Zerrüttung des ohnehin immer schwierigen Verhältnisses geführt - sehr wohl aber zu bisher ungeahnten Diversifizierungsanstrengungen der mexikanischen Regierung um verbesserte Beziehungen zu Südamerika, Asien, insbesondere China und Europa. Trotz der sehr spezifischen und wiederholten Beschimpfungen Mexikos durch Präsident Trump hat es in Lateinamerika nur sehr wenige und eher sparsame Solidaritätserklärungen für Mexiko gegeben - auch ein Ausdruck für die geringe regionale Präsenz und politische Unterstützung in kritischen nationalen Auseinandersetzungen mit den immer noch vielfach als Hegemonialmacht empfundenen USA.

Ob es zu einer generellen Neuausrichtung Mexikos gegenüber dem mächtigen Nachbarn kommen wird, dürfte nicht nur von den Ergebnissen der NAFTA-Verhandlungen, sondern vor allem vom Ausgang der mexikanischen Präsidentschaftswahlen im Juli 2018 abhängen. Aufgrund der vielfältigen wirtschaftlichen Vernetzung auf fast allen Ebenen zwischen beiden Ländern, die sich durch mehr als zwei Jahrzehnte NAFTA-Erfahrungen noch verfestigt haben, sind Mexikos Optionen im Falle einer tatsächlichen Aufhebung des NAFTA-Vertrages, sehr begrenzt. Andererseits würde Mexiko aber auch eine Kündigung von NAFTA wirtschaftlich überleben, trotz der gravierenden Effekte des Rückgangs von Exporten und Auslandsinvestitionen vor allem in den ersten Jahren nach Ende des Freihandelsvertrages (Castañeda 2018).

Die Argumentation der US-Regierung für eine grundsätzliche Veränderung der NAFTA bezieht sich einerseits auf den stattlichen Außenhandelsüberschuss, den Mexiko jährlich als drittgrößter Handelspartner gegenüber den USA erwirtschaftet (der nur noch von China übertroffen wird), und andererseits auf die Attraktivität Mexikos als Investitionsstandort - allerdings nahezu ausschließlich aufgrund seiner NAFTA-Mitgliedschaft. Dies gilt vor allem für jene US-Unternehmen, die sich nicht nur das Einkommensgefälle bei den Industriearbeitern (10:1), sondern auch die steuerlichen Vorteile des Landes zunutze gemacht haben und dadurch vor allem in der Automobilindustrie erfolgreiche und stark vernetzte nordamerikanische Produktionsketten etablieren konnten. Daher kann Mexiko bei wichtigen Teilen der nordamerikanischen Industrie und aufgrund seiner umfangreichen Lebensmittelimporte aus den USA auch beim Agrobusiness mit weitgehender Unterstützung für seine Position in den NAFTA-Verhandlungen rechnen. Hinzu kommt die deutliche politische Unterstützung für das Fortbestehen der NAFTA in einem Schreiben von 36 der 51 republikanischen Senator_innen an Präsident Trump. Die Weichen stehen daher eher in Richtung einer zeitlichen Ausdehnung des NAFTA-Verhandlungsprozesses bis nach den Präsidentschaftswahlen in Mexiko statt eines raschen von Präsident Trump häufig als möglich avisierten Ausstiegs.

Ein weiterer Verhandlungstrumpf für Mexiko ist die enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen den Nachbarstaaten. Sie beschränkt sich keineswegs allein auf die Drogenproblematik und die Kartellbekämpfung, sondern konzentrierte sich in den letzten Jahren auch auf die Kontrolle der Flüchtlingswellen aus Zentralamerika. Die sehr strenge Migrationspolitik Mexikos gegenüber seinen südlichen Nachbarn wird in Washington durchaus positiv gesehen, sodass die Ankündigungen Mexikos, gegebenenfalls seine bilaterale sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu überdenken, einen weiteren zentralen Punkt in seiner Abwehrreaktion auf die kontinuierlichen Angriffe Trumps darstellt. Ohne Zweifel ist das Nachbarschaftsverhältnis sicherlich dauerhaft belastet mit langfristigen und unabsehbaren Folgen in vielen, nicht nur bilateralen Politikbereichen.

Die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Mexiko im Juli 2018 könnte durchaus mit Blick auf die neuen »politischen Wunden« entschieden werden, die US-Präsident Trump dem Land zugefügt hat. Für die USA war es seit der mexikanischen Revolution immer entscheidend, im Nachbarland einen Systemwechsel hin zu einer nationalistischeren und weniger marktfreundlichen Politik zu vermeiden. Der frühere Bürgermeister der Hauptstadt und derzeit in allen Umfragen führende Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador (AMLO), der bereits zum dritten Mal antritt, könnte aufgrund der deutlich erstarkten Anti-US-Stimmung im Land - unabhängig vom Verlauf der NAFTA-Verhandlungen - diesmal die Wahl gewinnen und einen weniger marktfreundlichen Kurs einschlagen. Das gefährliche Problemdreieck von Handel, Migration und möglichem innen- wie wirtschaftspolitischem Wechsel machen Mexiko mit Abstand zum größten Risikofaktor für die Außenpolitik Trumps in Lateinamerika.


Kolumbien - Strategischer Partner trotz Druck aus Washington

Kolumbien wird von den USA traditionell als der treueste Verbündete in Südamerika angesehen. Verschiedene US-Administrationen haben den Plan Colombia zur Stabilisierung des durch den Jahrzehnte dauernden Guerillakonflikt geschwächten Staat als einen der größten Erfolge der US-Außenpolitik in den vergangenen Jahren gefeiert. Die Androhung Präsident Trumps, Kolumbien aufgrund gestiegener Drogenproduktion wieder als unzuverlässig in seinen Verpflichtungen im Kampf gegen Drogenanbau und -handel einzustufen, trifft das Land in der schwierigen Phase der Umsetzung des 2016 geschlossenen Friedensvertrages mit der wichtigsten Guerillaorganisation Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) daher schwer.

Nachdem die Obama-Regierung den Friedensprozess, der in Kolumbien selbst durchaus umstritten ist, aktiv unterstützt hatte, könnte der Druck aus Washington in der Drogenpolitik nun zu neuen Auseinandersetzungen und vermehrter politischer Instabilität führen. Insbesondere das geheime Treffen Trumps im April 2017 mit den beiden früheren Präsidenten Kolumbiens und prominenten Gegnern des Friedensprozesses mit den FARC, Álvaro Uribe Vélez und Andrés Pastrana, hat in Kolumbien die Befürchtung ausgelöst, die neue US-Regierung könnte zugesagte Finanzhilfen für den Friedensprozess kürzen oder mit neuen Auflagen für die Drogenpolitik des Landes verbinden (Hawley 2017: 23).

Der innenpolitische Effekt von Trumps Kritik an der gestiegenen Drogenproduktion des Landes auf den kolumbianischen Wahlkampf 2018, der durch seinen Staatsbesuch in Kolumbien zusätzliche Polarisierung erfahren dürfte, ist auch hier nicht zu unterschätzen, zumal eine Rückkehr zu der »harten« Antidrogenpolitik des Plan Colombia von vielen Parteien abgelehnt wird. Andererseits ist Kolumbien in der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit weiterhin einer der wichtigsten Alliierten in der Region, mit Präsenz in verschiedenen Staaten Zentralamerikas und von strategischer Bedeutung für alle möglichen Szenarien in Venezuela. Insbesondere die rasche Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus dem Nachbarland Venezuela dürfte für das Land während des Wahlkampfes neue innenpolitische Erschütterungen mit sich bringen.


Kuba - wenig Spielraum nach innen und außen

Kuba und Venezuela betrachtet die Trump-Administration vornehmlich in Bezug auf die Wahrung der Menschenrechte und Demokratie - Konzepte die gegenüber den weit verbreiteten Problemen in der Region ansonsten so gut wie unerwähnt bleiben. Beide Länder wurden vom ehemaligen US-Außenminister Rex Tillerson immer wieder als die unerfreulichen Ausnahmen in der demokratischen westlichen Hemisphäre kritisiert. Gleichzeitig wird eine gemeinsame Politik in der Region zu ihrer Demokratisierung eingefordert. Da es im April 2018 zur ersten politischen Transition im System der Kubanischen Revolution nach fast 70 Jahren Herrschaft der Gebrüder Castro kommen soll, ohne dass eine grundsätzliche Änderung des bisherigen Regimes zu erwarten wäre, dürfte der politische und/oder wirtschaftliche Druck vonseiten der Regierung Trump eher noch zunehmen. Dass sich dabei - im Gegensatz zu Venezuela - auch lateinamerikanische Staaten dieser Politik anschließen werden, erscheint aber eher unwahrscheinlich.

Gegenüber beiden Staaten ist die Kontinuität der US-Außenpolitik deutlich erkennbar, obwohl Präsident Trump versucht hat, zumindest einen Teil der von der Obama-Regierung durchgesetzten Erleichterungen für Kuba rückgängig zu machen. Dabei haben nahezu ausschließlich innenpolitische Überlegungen zur Befriedigung der politischen Erwartungen seiner Wähler_innen unter den Exil-Kubaner_innen in Florida eine Rolle gespielt. Die Erwartungen Kubas, mit einer verbesserten bilateralen Beziehung zu den USA auch wirtschaftspolitische Veränderungen erzielen zu können, sind durch die schroffe Politik von Präsident Trump - auch durch die Reisewarnung, die den US-Tourismus deutlich einschränkt - hingegen hinfällig geworden, ebenso wie die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Handelsembargos der USA.

Kubas außenpolitischer Spielraum ist durch die Normalisierung seiner Beziehungen zum »Norden« (USA und EU) sowie den klaren politischen Verschiebungen in der Region eher geringer geworden. Inwieweit China und Russland den Ausfall der bisherigen Unterstützung durch Venezuela auffangen wollen bzw. können, ist kaum absehbar, zumal beide Weltmächte von der Regierung Trump zunehmend als »Störenfriede« in der Region behandelt werden.


Venezuela - ein lange unterschätztes Regionalproblem

Die Angst vor zerfallenden Staaten in der eigenen Nachbarschaft bezog sich in den USA zu Beginn des Jahrhunderts vor allem auf Kolumbien und Haiti. Jetzt ist diese Bedrohungsvorstellung auf Venezuela mit seinen inzwischen fast vier Millionen Flüchtlingen übergegangen, obwohl auch die drei nördlichen Staaten Zentralamerikas und selbst Teile Mexikos in diesem Zusammenhang genannt werden.

Venezuela schien der Trump-Administration zunächst keine größeren politischen Anstrengungen wert zu sein - abgesehen von der wiederholten Bitte an die Lateinamerikaner_innen sowie die EU, sich den nordamerikanischen Sanktionen gegen Politiker_innen und Militärs in Venezuela anzuschließen. Vielmehr war die zunächst eher zynische Politik auf einen Zusammenbruch der Staatsfunktionen in Venezuela ausgerichtet - einem failed state in nahezu allen Dimensionen (Coronel 2017) -, um anschließend einen Neuanfang zu unterstützen. Zwischenzeitlich könnte Venezuela für Trump aber durchaus zu einem Testfall für seine Kooperationsbereitschaft mit Lateinamerika werden, denn obwohl die militärische Lösung vermutlich kaum ernst gemeint war, sondern dem Aufbau von Druckpotenzial dienen sollte, hat gerade diese Ankündigung in der Region zu einem weiteren Vertrauensverlust in die Problemlösungskapazitäten der USA geführt.

Aus diesem Grund hat der ehemalige US-Außenminister Rex Tillerson auf seiner ersten Lateinamerikareise im Februar 2018 (Mexiko, Peru, Argentinien, Kolumbien, Jamaika) das »Regionalproblem« Venezuela in den Mittelpunkt seiner Bemühungen gestellt, um eine hemisphärische Strategie zur Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela einzuleiten. Die USA, Kanada und Mexiko waren sozusagen die Gründungsmitglieder dieser »Allianz der Willigen«; Argentinien ist aufgrund der prononciert kritischen Position von Präsident Mauricio Macri in der Venezuelafrage als Sprecher dieser Gruppe ausersehen.

Unter den vielfachen Herausforderungen für die USA in der Region ist Venezuela sicherlich der schwierigste Fall. Entgegen ersten Einschätzungen in den USA hat sich das Regime von Präsident Nicolás Maduro trotz einer sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Situation und nicht zuletzt auch aufgrund gravierender Fehler der uneinigen venezolanischen Opposition bisher halten können. Daran hat die Unterstützung durch China und Russland sicherlich einen nicht unwesentlichen Anteil, der aber auch nicht überschätzt werden sollte (Alba 2017), da die geopolitische Präsenz beider Großmächte vor allem dem Erdölriesen Venezuela und nicht dem Machterhalt seines Präsidenten gilt.

Die Strategie der Regierung Trump zielt daher nicht nur auf die Notwendigkeit einer raschen Demokratisierung Venezuelas, sondern gleichzeitig auf eine Reduzierung des in den letzten Jahren rasch gewachsenen Einflusses von China und Russland in der Region. Die Kritik an der regionalen Rolle von China und Russland steht dabei im direkten Zusammenhang mit den Veränderungen in der National Defense Strategy von Präsident Trump, die den Wettbewerb mit anderen Weltmächten - und nicht wie bisher den Kampf gegen den Terrorismus - in den Mittelpunkt der nationalen Sicherheitsstrategie stellt.

Die Trump-Regierung hat zwar die personalisierten Sanktionen gegen führende venezolanische Regierungsmitglieder, die bereits von Obama verhängt worden waren, ausgeweitet und verschärft, bisher jedoch davon Abstand genommen, wirkungsvolle Sanktionen wie etwa die Drosselung der Erdöleinahmen anzudrohen. Dies liegt vor allem an den zu erwartenden Rückwirkungen, die ein solcher Einfuhrstopp für die in den Südstaaten der USA liegenden Raffinerien und deren Arbeitskräfte haben würde, aber auch an der scharfen Ablehnung einer solchen Maßnahme durch die Opposition in Venezuela, die durch einen von außen hervorgerufenen totalen Wirtschaftszusammenbruch eher eine Legitimation der antiamerikanischen Strategie von Präsident Maduro befürchtet (Sabatini 2017).

Die von Präsident Trump angesprochene Möglichkeit einer militärischen Lösung hat hingegen selbst unter den besonders US-freundlichen Staaten der Region wie Argentinien, Chile, Kolumbien und Peru eine deutliche Protestwelle ausgelöst und gleichzeitig deren Bemühungen diskreditiert, über die OAS verstärkt Druck hinsichtlich einer internen Lösung in Venezuela aufzubauen. Eine militärische Lösung würde Präsident Trump, dem nachgesagt wird, er würde militärische Machtdemonstrationen mehr schätzen als sein Vorgänger (Yarhi-Milo 2018: 72), zudem nicht nur in der Region, sondern auch im eigenen Land vor unvorhersehbare Probleme stellen. Denn eine Invasion nach einem Zusammenbruch der Maduro-Regierung und die Wiederherstellung innenpolitischer Stabilität würde etwa 200.000 Soldat_innen erfordern, also mehr als die Invasion im Irak (Mora 2017). Ein solcher Aufwand wäre aufgrund der Kriegsmüdigkeit der Wähler_innen in den USA innenpolitisch für Präsident Trump kaum zu verkraften, zumal ihm vonseiten seiner militärischen Berater_innen ohnehin bereits dringend von einer Invasion in Venezuela abgeraten wurde. Sollte Präsident Maduro allerdings seine Drohung wahrmachen, aus innenpolitischen Gründen Teile des von Venezuela beanspruchten Guayana militärisch zu besetzen, wäre ein Interventionsszenario in Venezuela durchaus vorstellbar - gegebenenfalls mit der Unterstützung einer regionalen »Koalition der Willigen«, die sich aufgrund der Souveränitätsverletzung durch Venezuela dazu legitimiert sähe.

Gerade der außerordentlich komplexe Fall des politischen Umgangs mit dem Maduro-Regime hat gezeigt, dass nicht nur der persönliche Politikstil Trumps zu einer vermehrten Unsicherheit in der Region geführt hat, sondern auch die fehlende Verlässlichkeit eines bei politischen Konflikten bisher entscheidenden regionalen Akteurs. Die Unkalkulierbarkeit des derzeitigen US-Präsidenten erscheint in der Region - nicht zuletzt aufgrund eigener historischer Erfahrungen mit autoritären Präsidenten - eher verkraftbar als die bisherige Unfähigkeit der früheren Vormacht, ihre eigenen Interessen klar zu definieren und im Idealfall zusammen mit befreundeten Staaten in der Region durchzusetzen.

Insofern dürfte auch das Desinteresse der Trump-Administration an der Funktionsfähigkeit der OAS als multilateralem Konfliktlösungsmechanismus in Lateinamerika noch langfristige Spätfolgen zeitigen. Die rasche Anerkennung der Ergebnisse der von Unregelmäßigkeiten und Repression geprägten Präsidentschaftswahlen in Honduras durch das U.S. State Department, entgegen der Empfehlung der OAS, die Wahlen wiederholen zu lassen, ist besonders in den an transparenten demokratischen Prozeduren orientierten Staaten der Region mit Bestürzung aufgenommen worden.


Hegemonieverlust der USA und geopolitische Spannungen in Lateinamerika

Aufgrund der seit Amtsantritt von Präsident Trump deutlich erkennbaren fehlenden Kohärenz und reduzierten Berechenbarkeit der US-Außenpolitik (Aguirre 2018) ist das Vertrauen in eine langfristige, ergiebige Zusammenarbeit mit den USA in der Region rapide gesunken, ebenso wie die entsprechenden Umfragen, die nur noch 16 Prozent Zustimmung für die Politik des US-Präsidenten in Lateinamerika erkennen lassen. Die öffentliche Meinung über Trump und die USA generell hat sich in verschiedenen Staaten, insbesondere denjenigen im engeren geografischen Umfeld der USA, dramatisch verschlechtert (Keating 2018). Darin ist auch eine Abkehr von der durch die USA gekennzeichneten politischen Ordnung erkennbar, da das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit dieser Ordnung nicht mehr geben ist (Maull 2017: 6) und die Führungsrolle der USA in Lateinamerika kaum mehr anerkannt wird. Trotz dieser generellen Entwicklung besteht bei vielen Staaten in der Region jedoch weiterhin eine klare Tendenz, bilaterale und darüber hinaus privilegierte Beziehungen zu den USA anzustreben.

Nun ist das Bemühen der Staaten der Region, eine Diversifizierung seiner Außenbeziehungen und insbesondere seiner Außenwirtschaftsbeziehungen zu erreichen, ein Prozess, der aufgrund der Globalisierung und der damit verbundenen Verschiebung von bisher dominanten geopolitischen Achsen mindestens seit einem Jahrzehnt zu beobachten ist; zumal es die mangelnde regionale Einheit und die ideologische Voreingenommenheit Lateinamerikas außerordentlich mühsam gemacht haben, die Rolle eines wichtigen neuen internationalen Akteurs einzunehmen (Detsch 2014: 4). Doch erst seitdem die bisherige, westlich dominierte Weltordnung in den letzten Jahren weitgehend zu Ende gegangen ist (Maull 2017: 5) und die USA unter Präsident Trump jeden Anspruch auf eine Führungsrolle aufgegeben haben (Niblett 2018: 22), ist auch in Lateinamerika das Bemühen um neue »strategische Partner« zu einem zentralen Bestandteil der Außenpolitik fast aller Staaten geworden. Doch wie zuvor sind viele Staaten der Region zur Verbesserung der eigenen Entwicklungschancen auf der Suche nach extraregionalen Alliierten - zumeist wirtschaftlich, aber auch politisch.

Angesichts der Verwerfungen im internationalen System hat die Region als neue Eckpunkte ihres außenpolitischen Bezugsrahmens den Niedergang der USA, den Aufstieg Chinas, den Bedeutungsverlust des normativen Einflusses der EU, das wachsende Selbstbewusstsein der aufstrebenden Mächte sowie die Legitimitätskrise in den internationalen Organisationen bereits verinnerlicht (Sanahuja 2017: 203). Damit steht Lateinamerika vor sehr variablen, häufig kurzfristigen und vornehmlich einzelstaatlich orientierten Veränderungen des außenpolitischen Profils (Frenkel/Comini 2017).


China - der neue Elefant in der Region

Die Position Chinas als zentraler Handels- und Investitionspartner Lateinamerikas ist innerhalb und außerhalb der Region lange unterschätzt worden. In den letzten fünf Jahren hat China jedoch allein mit sieben wichtigen lateinamerikanischen Staaten (Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Mexiko, Peru und Venezuela) umfassende strategische Partnerschaftsabkommen geschlossen (Novak/Namihas 2017: 4). Auch die Wirtschaftszahlen sprechen für sich: Seit 2017 ist China der wichtigste regionale Exportpartner Südamerikas; allein in diesem Jahr sind die lateinamerikanischen Exporte nach China um 23 Prozent und die Importe aus China um 30 Prozent gestiegen - nicht zuletzt aufgrund der weitaus geringeren Zahl an Protektionsmaßnahmen vonseiten Chinas im Vergleich zu den USA. Gleichzeitig sind die chinesischen Auslandsinvestitionen in der Region um 25 Mrd. US-Dollar auf insgesamt 241 Mrd. US-Dollar im letzten Jahrzehnt angestiegen. Nach Ankündigungen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping sollen in den nächsten Jahren weitere 250 Mrd. US-Dollar hinzukommen (Sabatini/Naylor 2017). Damit übertreffen Chinas Zuwachsraten bei Direktinvestitionen in der Region sowohl die der EU als auch die der USA bei Weitem.

Insbesondere seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump hat China wiederholt auf die strategische Bedeutung der Region für die eigene Entwicklung sowie auf die Langfristigkeit seines Engagements hingewiesen. Neben den zahlreichen engen bilateralen Beziehungen ist Chinas starke Kooperation mit der Gesamtregion über das CELAC-China-Forum[1] bemerkenswert. In der Erklärung von Santiago (Declaración de Santiago 2018) ist nicht nur ein detaillierter Aktionsplan für 2019-2021 beschlossen worden, sondern wurde auch die Schaffung einer großen transozeanischen Transportroute mit Anschluss an das chinesische Seidenstraßen-Projekt geplant. Interessant ist darüber hinaus die Betonung der zukünftigen chinesischen Rolle bei der Industrialisierung Lateinamerikas, nachdem bisher fast alle Auslandsinvestitionen Chinas auf Rohstoffabbau und Infrastruktur konzentriert waren. Dabei sind nicht nur die wirtschaftlichen Interessen Chinas zu benennen, sondern vor allem auch das politische Gewicht des Landes im Zusammenhang mit dem globalen Wettbewerb mit den USA und der noch bestehenden Präsenz Taiwans in der Region zu berücksichtigen.

Die erklärte Absicht Chinas, sich als alternative Führungsmacht im internationalen System zu etablieren (Gowan 2017: 375), ist in Lateinamerika ohne kritisches Echo geblieben und hat auch deshalb die geopolitischen Befürchtungen in den USA verstärkt. Dabei ist es für die Region von entscheidender Bedeutung, dass China derzeit keinerlei Interesse zeigt, das »eigene Politik-, Wirtschafts- und Gesellschaftsmodel zu exportieren« (Maull 2017: 124). Darin besteht der zentrale Unterschied zu den Beziehungen, die Lateinamerika bilateral und multilateral mit den USA und der EU unterhält. Die häufig als Beeinträchtigung der eigenen Souveränität empfundene westliche Kritik am nationalen Wirtschafts- und/oder Gesellschaftsmodell ist in unterschiedlicher Weise von vielen Staaten der Region zurückgewiesen worden und hat die jeweiligen bilateralen und biregionalen Beziehungen oft stark belastet. Eine klare politische Priorität sieht China vor allem in dem gemeinsamen Interesse mit Lateinamerika, an der Etablierung einer multipolaren Weltordnung zu arbeiten, die dann auf beiden Seiten mehr Raum zur Durchsetzung nationaler Entwicklungsmodelle zulassen dürfte.

Die viel zitierte Hinwendung Lateinamerikas nach Asien ist keineswegs auf China beschränkt. Ausdruck des wachsenden Gewichts der Süd-Süd-Beziehungen ist auch der ständig wachsende Wirtschaftsaustausch mit Indien, Südkorea und Japan, um nur die drei wichtigsten asian players zu nennen. Mit allen drei Ländern bestehen neben einem steigenden Investitionsvolumen in der Region vor allem auch enge technologische Kooperationen. Das »Jahrhundert Asiens« ist in Lateinamerika bereits viel stärker präsent und spürbar, als dies von seinen traditionellen Partnern USA und EU berücksichtigt wird. Daran dürfte auch die Ausrufung des »Jahres der Amerikas« für 2018 durch den damaligen US-Außenminister Tillerson (Tillerson 2018) wenig ändern.


Russland - ein wiederentdecktes Feindbild

Die neue Rolle Russlands in der Region ist weniger wirtschaftspolitisch als geopolitisch angelegt und mit acht bereits langjährigen Militärabkommen vor allem strategisch geprägt. Die geografische Nähe zu den USA ist aus russischer Sicht der geopolitisch entscheidende Faktor für ein - wenn auch finanziell limitiertes - Engagement in Lateinamerika, unabhängig von innenpolitischen Konjunkturen in einzelnen Staaten der Region. Gerade weil Russland auf die politische und militärische Unterstützung von Staaten in seinem eigenen geografischen Umfeld durch die USA außerordentlich kritisch reagiert, sieht es seine langfristige Präsenz in Lateinamerika als geostrategisch legitim an. In vielerlei Hinsicht kann die russische Präsenz in der Region als aktiver bezeichnet werden als zu Zeiten des Kalten Krieges. Das lässt sich nicht nur an der Häufigkeit der Präsidentendiplomatie ablesen, sondern auch in den multilateralen Aktivitäten - sei es im Rahmen der BRICS[2] oder auch von CELAC.

Im für die USA strategisch so wichtigen Bereich des Karibischen Beckens werden die ideologischen und militärischen Beziehungen zu Kuba, Nicaragua und Venezuela von der Regierung Trump besonders beobachtet bzw. kritisiert, während aus russischer Sicht die strategischen Beziehungen zu Argentinien, Brasilien und Peru als zentrale Pfeiler der Präsenz in der Region betrachtet werden. Inwieweit die Unterstützung von Kuba, Nicaragua und Venezuela jedoch als »Großmachtgebaren« in den globalen Auseinandersetzungen mit den USA anzusehen ist, bleibt in der Region selbst durchaus umstritten, scheint von der Regierung Trump aber als geopolitische Herausforderung in Lateinamerika angenommen worden zu sein.

Mit der gerade verkündeten »Tillerson-Doktrin« - einer Aktualisierung der Monroe-Doktrin in Bezug auf die unwillkommene Präsenz von China und Russland - sollen die Staaten der Region sich unter Führung der USA wieder gegen die Präsenz »imperialer Mächte« wehren - eine Vorstellung, die nicht nur die Multipolarität im internationalen System, sondern sogar die Effekte der Globalisierung zu negieren versucht.


Kann die EU ihre traditionellen Perzeptionen von Lateinamerika aktualisieren?

Das Profil der EU als Zivilmacht der liberalen internationalen Ordnung und traditioneller Partner Lateinamerikas ist regional und bilateral im vergangenen Jahrzehnt erstaunlich zurückgegangen. Obwohl beide Regionen durch ein im internationalen Vergleich außergewöhnliches Netz staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen verbunden sind, ist die politische wie wirtschaftliche Präsenz der EU und seiner Mitgliedsländer in den meisten Staaten der Region immer weniger spürbar (Malamud 2016: 44) - ein Tatbestand der sich auch in der veröffentlichten Meinung widerspiegelt, denn mehr Globalisierung bedeutet für Lateinamerika derzeit vor allem weniger Europa.

Die schleichende Entfremdung zwischen den Mitgliedern der EU und den Staaten der Region hat vermutlich weniger mit den Strukturproblemen der EU und dem Modellverlust der europäischen Integration zu tun als vielmehr mit einer mangelnden Anpassungsfähigkeit auf beiden Seiten des Atlantiks gegenüber den Effekten einer beschleunigten Globalisierung. So besteht im biregionalen Verhältnis - trotz gegenteiliger Bekundungen - schon seit Jahrzehnten keine »gemeinsame Weltsicht« mehr. Und die nicht nur von Spanien und Portugal bevorzugte Einordung Lateinamerikas als »entfernte Verwandte« bzw. den »extremen Westen« spiegelt eine eher überholte Weltanschauung wider, die von Ost-West- sowie Nord-Süd-Gegensätzen geprägt ist und in Lateinamerika, mit Ausnahme von einigen traditionellen Eliten, niemals so akzeptiert war wie in Europa. In einigen Teilen Lateinamerikas ist heute vielmehr eine andere Revision der Monroe-Doktrin in Mode, wobei die USA jetzt auch noch unter den früheren Kolonialmächten eingereiht werden (Malamud/Seabra 2015: 36).

Für die EU war Lateinamerika viele Jahrzehnte eine bevorzugte Projektionsfläche für Integrations- und Regionalisierungskonzepte, die den Entwicklungsmodellen und politischen Kulturen in der Region kaum entsprachen. Die eigenen, ebenso wie die EU-spezifischen Integrationsprobleme haben in der Region inzwischen auch formell zu einer weitgehenden Distanzierung vom europäischen Modell geführt. Dennoch ist die Suche nach eigenständigen Formen regionaler Kooperation keineswegs aufgegeben worden, obwohl eine besondere Wertschätzung regionaler Konsensbildung nicht gerade zu den Konstanten der politischen Kultur in Lateinamerika gehört.

Die traditionelle intra-westliche Rücksichtnahme auf geopolitische US-Interessen ist spätestens seit dem Amtsantritt von Präsident Trump für die EU keine Notwendigkeit mehr und eröffnet neue pragmatische Optionen für eine stärker interessengeleitete EU-Lateinamerika-Beziehung. Dazu könnten variable und pluralistische Kooperationsformen genutzt werden, die das ohnehin sehr asymmetrische und artifizielle Konzept der biregionalen Block-Block-Beziehungen ablösen könnte. Die lateinamerikanischen Staaten haben trotz der eher mühsamen Institutionalisierung von CELAC und UNASUR[3] weiterhin große Schwierigkeiten, (sub-)regionale Interessen zu formulieren oder gar im eigenen Mitgliederkreis durchzusetzen. Eine lockere Struktur der EU-Beziehungen zur Region würde es sicher ermöglichen, rascher bilaterale Abkommen (etwa mit Brasilien und Argentinien) abzuschließen, die keineswegs allumfassend sein müssten, sondern spezielle Interessen auf beiden Seiten berücksichtigen könnten. Die komplette Verregelung der EUBeziehungen in Form von Assoziierungsabkommen hat sich für viele Staaten der Region keineswegs als Königsweg erwiesen; zumal der Aufwand das Ergebnis oft nicht gerechtfertigt zu haben scheint.

Ob sich die derzeitige Hoffnung der EU erfüllen wird, die nach fast 20 Jahren mit vielen Unterbrechungen geführten Verhandlungen mit dem Mercosur aufgrund der Antifreihandelspolitik von US-Präsident Trump zügig zum Abschluss zu bringen, bleibt ungewiss. Denn weiterhin bestehen - wenn auch weniger grundsätzliche - Widersprüche in den politischen Konzepten der Mitgliedsstaaten; ebenso erhalten Frankreich, Irland und Polen ihre Veto-Haltung hinsichtlich einer weitgehenderen Einfuhr von Rindfleisch aus dem Mercosur nach wie vor aufrecht.

Gerade weil die reduzierte interne Funktionsfähigkeit des Mercosur immer wieder zu wirtschaftspolitischen Streitigkeiten, vor allem zwischen Brasilien und Argentinien, geführt hat, erscheint eine Abkehr der EU vom regionalen hin zu einem bilateralen Ansatz im Cono Sur durchaus sinnvoll. Das Beispiel Chile hat über viele Jahre bewiesen, dass dieser bilaterale Ansatz durchaus vorzeigbare Resultate für beide Seiten zeitigt, auch weil er die Übernahme ganzer Regionalismuskonzepte aus Europa ebenso vermeidet wie die kaum kalkulierbaren Rückwirkungen der internen Integrationsprobleme in der Region auf die Beziehungen zur EU.

Darüber hinaus könnte die EU für spezielle Themenstellungen durchaus auch (sub-)regionale Kooperationsmodelle entwickeln, die eher vom Konzept einer »Allianz der Willigen« geprägt sind als von einer Assoziierung sehr unterschiedlich strukturierter und agierender Integrationsmodelle. Freilich sollten gerade derartige regionale Kooperationsmodelle, wie sie sicherlich zu Umweltpolitik, Sozialsystemen und der Anpassung der Arbeitsprozesse an die Globalisierung auf großes Interesse stoßen würden, auch die Notwendigkeiten und Prioritäten der lateinamerikanischen Partnerländer berücksichtigen und nicht vorwiegend auf die Interessen der EU zugeschnitten werden.

Die polarisierende Politik von US-Präsident Trump gegenüber den südlichen Nachbarn hat nicht nur den USA, sondern auch den EU-Beziehungen zu Lateinamerika sehr geschadet sowie die von unterschiedlichen Folgen der Globalisierung ausgelöste Fragmentierung der Region noch weiter verstärkt. Die Bereitschaft zur institutionellen intra- und interregionalen Kooperation ist trotz gegenteiliger offizieller Versicherungen und präsidialer Besuchsdiplomatie sehr reduziert. Zudem verringert die Priorität der Systemstabilisierung nach innen bei vielen Akteuren in Lateinamerika auch die Bereitschaft zur Unterstützung der geschwächten internationalen liberalen Ordnung und fördert - wie auch in anderen Teilen der Welt - die Etablierung autoritärer Strukturen.


Ausblick

Die ausgesprochene Abneigung von US-Präsident Trump gegenüber Lateinamerika verändert nicht nur den (un-)diplomatischen Umgangston zwischen den Politiker_innen der westlichen Hemisphäre, sondern beginnt auch den interamerikanischen Grundkonsens aufzukündigen, der von Trumps Vorgänger Obama erheblich gefördert worden war. Doch die Trump Doctrine gegenüber Lateinamerika besteht offensichtlich gerade darin, seinen Wähler_innen aus rein innenpolitischen Motiven eine nahezu kriegerische, aber vor allem rhetorische Opposition gegen die außenpolitischen Konzepte Obamas vorzuführen, ohne freilich substanzielle Änderungen an den Strategien der Obama-Regierung vorzunehmen oder bestenfalls mit solchen zu drohen (Weeks 2017).

Diese Vorgehensweise lässt sich sowohl in der Kuba- als auch in der Venezuela-Politik der Trump-Administration erkennen und ist selbst in den komplizierten NAFTA-Verhandlungen sichtbar. Inwieweit die Modifizierung der Trump-Doktrin durch die neu verkündete Tillerson-Doktrin mit den Schwerpunkten Wirtschaftswachstum, Sicherheit und Demokratie sowie der Betonung der »gemeinsamen Werte« in den Amerikas (Tillerson 2018) das stark belastete Verhältnis zu Lateinamerika verändern kann, wird sich erst gegen Ende der Amtszeit Trumps erkennen lassen.

Vornehmlich sind es jedoch der politische Stil und das populistische Auftreten von US-Präsident Trump, die in Lateinamerika zu generellen Bedenken über die Zukunft der Demokratie in der Region führen. In den zahlreichen anstehenden Wahlen in diesem Jahr in Lateinamerika ist eine Vorbildfunktion Trumps durchaus vorstellbar und zu befürchten, vor allem mit Blick auf die langen historischen Erfahrungen in der Region mit populistischen Führungspersönlichkeiten. So wäre eine Devise wie »Mexico first« oder »Brazil first«, unabhängig von den ideologischen Konzepten des jeweiligen Kandidaten, aber mit der Aussicht auf einen Wahlerfolg durch einen stark polarisierenden Wahlkampf und einer Perspektive auf ähnliche wirtschaftliche Erfolge, durch eine Strategie und ein Auftreten, wie es US-Präsident Trump vorlebt, durchaus denkbar. Der Modellcharakter der Regierungsführung von Trump, sowohl nach innen als auch nach außen, könnte für die anfälligen Demokratien Lateinamerikas vielleicht gravierender sein als die politischen »Querschläger«, denen sich einige Staaten der Region von seiner Regierung bisher ausgesetzt sahen.


Anmerkungen

[1] CELAC (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños, Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten).

[2] Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

[3] UNASUR (Unión de Naciones Suramericanas; Union Südamerikanischer Nationen).


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Über den Autor

Dr. h. c. Wolf Grabendorff ist Gastprofessor für Internationale Beziehungen an der Universidad Andina Simón Bolívar, sede Ecuador, in Quito und war Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien und Ecuador sowie Programmdirektor in Chile.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2018

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