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INTERNATIONAL/053: 781 Millionen Analphabeten weltweit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. April 2015

Bildung: 781 Millionen Analphabeten weltweit - 15 Jahre nach Bildungsgipfel in Dakar besteht vor allem in der Asien-Pazifik-Region Handlungsbedarf

von Kanya D'Almeida



Bild: © Shafiqul Alam Kiron/IPS

Schülerin der staatlichen Hazi-Ibrahim-Grundschule in der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka
Bild: © Shafiqul Alam Kiron/IPS

New York, 13. April (IPS) - Vor 15 Jahren haben sich 164 Staaten auf dem wegweisenden Weltbildungsforum in der senegalesischen Hauptstadt Dakar auf sechs ehrgeizige Bildungsziele verständigt. Trotz aller Fortschritte in dem Bereich ist vor allem der asiatisch-pazifische Raum gefordert, für Fortschritte zu sorgen.

Im Zug von Maßnahmen zur Umsetzung der Initiative 'Bildung für alle' (EFA) konnten weltweit 34 Millionen Mädchen und Jungen zusätzlich eingeschult werden. Das hatte eine Halbierung der Zahl der Kinder, die keine Schule besuchten, zur Folge. Auch was die Förderung der Mädchenbildung angeht, konnten einige bemerkenswerte Erfolge erzielt werden.

Und doch ist die Realität, wenn man sich alle sechs Bildungsziele näher ansieht, keineswegs vielversprechend. "Noch immer gehen weltweit 58 Millionen Kinder nicht zur Schule und um die 100 Millionen brechen die Grundschule ab", geht aus einem am 9. April veröffentlichten EFA-Überprüfungsbericht hervor. "Die Bildungsungleichheit ist gestiegen, wobei die Ärmsten und Benachteiligtesten die Hauptlast zu tragen haben."


Universalziel verfehlt

Die Gefahr, dass die weltärmsten Kinder nicht zur Schule gehen beziehungsweise keinen Grundschulabschluss machen können, ist danach um das Vierfache beziehungsweise Fünffache größer als die der Kinder aus wohlhabenden Familien, heißt es in dem Report. Trotz aller Bemühungen von Staaten, der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft wurde das Ziel der universellen Bildung bis 2015 verfehlt.

Angesichts der riesigen kulturellen, wirtschaftlichen und ideologischen Unterschiede einigten sich die 164 Länder, die im Jahr 2000 in Dakar zusammengekommen waren, auf die dringendsten und größten Bildungsherausforderungen der heutigen Welt. Dazu gehören Ausbau und Verbesserung der frühkindlichen Bildung, Zugang zu einer kostenlosen und guten Grundschulbildung für alle ebenso wie die Vermittlung lebenspraktischer Kenntnisse, Alphabetisierung, Mädchen- und Frauenbildung und die Verbesserung der Bildungsqualität.

Auch wenn die Einschulungsraten in den Vorschulen seit 1999 um zwei Drittel gestiegen sind und bis Ende des Jahres mit einer Netto-Rate bei der Einschulung in die Primarstufe von 93 Prozent gerechnet wird, geht der neue Bericht davon aus, dass bis Ablauf der EFA-Frist Ende 2015 jedes sechste Kind in Ländern niedriger und mittlerer Einkommen nicht die Schule besucht.

Nur 69 Prozent der untersuchten Länder werden die Geschlechtergleichheit in der Grundschule bis Jahresende erreichen, mit Blick auf die Sekundarstufe sind es gerade einmal 48 Prozent. Obwohl die Staaten im Jahr 2000 beschlossen haben, die Analphabetenrate bis 2015 zu halbieren, konnte bislang nur eine vierprozentige Verringerung erreicht werden.

Katie Malouf Bous, eine in Washington ansässige Bildungsstrategin der Hilfsorganisation 'Oxfam International', erklärte gegenüber IPS, dass die Ergebnisse des Überprüfungsberichts gemischt seien und große regionale Unterschiede aufwiesen.

Wie sie betonte, ist die auseinandergehende Schere beim Bildungszugang besonders gravierend. Ihrer Meinung nach besteht die dringende Notwendigkeit, die Investitionen in den öffentlichen Bildungsbereich zu verdoppeln und sicherzustellen, dass sie die richtigen Gemeinschaften und Kinder erreichten.

Wie aus einem Strategiepapier der Weltkulturorganisation UNESCO hervorgeht, müssten die jährlichen Gesamtkosten im Sinne einer universellen Vorschul-, Primär- und Sekundarbildung von 100 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 um jeweils 239 Milliarden Dollar im Zeitraum 2015 bis 2030 erhöht werden.

Weiter heißt es, dass die "gesamte jährliche Finanzierungslücke zwischen den verfügbaren nationalen Ressourcen und dem Betrag, der nötig wäre, um die neuen Bildungsziele zu erreichen, in der Zeitspanne zwischen 2015 bis 2030 bei 22 Milliarden Dollar liegen könnte. Diese Finanzierungslücke zeige, dass die meisten Regierungen nicht in der Lage seien, die erforderlichen 20 Prozent ihrer Budgets oder vier Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Bildung bereitzustellen.


Kritik an Privatisierung

Dazu meinte Bous von Oxfam: "Worüber wir uns wirklich Sorgen machen, ist der Trend, den wir in einigen Staaten beobachten können, die Bildungsverantwortlichkeit an den Privatsektor abzugeben und sich zunehmend auf kostengünstige Privatschulen oder öffentlich-private Partnerschaften zu verlassen. Wir sind der Meinung, dass dadurch die Bildungsungleichheiten insbesondere in Asien dort zunehmen werden, wo viele von Gebern finanzierte Initiativen kostengünstige Privatschulen unterstützen, bei denen es sich um kommerzielle Einrichtungen handelt, die den armen Familien Gebühren abverlangen."

Im asiatisch-pazifischen Raum leben vier Milliarden der bisher sechs Milliarden Erdenbürger. Die Bildungsungleichheit in der Region ist groß und wird sich weiter verstärken, sollten die Regierungen nicht gegensteuern. In Südasien besucht bereits ein Drittel der Schüler eine Privatschule. Wie aus einer Untersuchung des Weltkinderhilfswerks UNICEF hervorgeht, ist Südasien gleichzeitig die Region, in der mehr als 40 Prozent der Heranwachsenden leben, die keine Schule besuchen, die Hälfte davon entfällt allein auf Pakistan.

In einer Regionalstudie von 2014 über die Fortschritte auf dem Weg zum universellen Bildungsziel erinnert die UNESCO daran, dass fünf der neun Länder mit dem weltweit höchsten Bevölkerungswachstum in Asien liegen. Dabei handelt es sich um Bangladesch, China, Indien, Indonesien und Pakistan. Zusammengenommen hatten sie 2009 einen Anteil an der globalen Grundschuleinschulungsrate von 45 Prozent - und einen Anteil an der Gesamteinschulungsrate des asiatisch-pazifischen Raums von 80 Prozent.

Zwar haben diese Staaten enorme Fortschritte gemacht, was die Bemühungen angeht, die Kinder in die Klassenräume zu holen. Gleichzeitig jedoch leben dort Millionen Mädchen und Jungen, die nicht am Unterricht teilnehmen können und von denen die meisten nie eine gute Ausbildung erhalten werden. Dies hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region, die schon jetzt 64 Prozent der weltweiten Analphabeten - 2014 waren es um die 497 Millionen - beheimaten. Vor allem Länder wie Bangladesch, Kambodscha, Laos, Myanmar, Nepal, Pakistan und die Salomonen haben laut UNICEF größte Schwierigkeiten, Schüler im letzten Jahr der Grundschule geschweige denn an den weiterführenden Schulen zu halten.

Während die Vereinten Nationen den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) den letzten Schliff geben, die ab 2016 die Millenniumsentwicklungsziele von 2000 bis 2015 ablösen werden, fordern Bildungsexperten in aller Welt Maßnahmen, die die erforderlichen Gelder, Energien und Aktivitäten in die Klassenräume bringen, in denen sich die Zukunft so vieler Entwicklungsländer entscheiden wird. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/781-million-people-cant-read-this-story/

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IPS-Tagesdienst vom 13. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2015

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