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MELDUNG/145: didacta 2012 - Interview mit David McAllister (DMAG)


Deutsche Messe AG - Pressemitteilung vom 12. Februar 2012

didacta - die Bildungsmesse (14. bis 18. Februar 2012)

Interview mit David McAllister, niedersäschsischer Ministerpräsident


Hannover. Die größte Bildungsmesse im europäischen Raum findet in diesem Jahr in Hannover statt. Wir haben den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, David McAllister, nach seinen bildungspolitischen Zielsetzungen gefragt.

Herr Ministerpräsident, die niedersächsische Landesregierung hat die frühkindliche Bildung als eines ihrer zentralen Handlungsfelder beschrieben. Momentan weist Niedersachsen allerdings bei der Kita-Versorgung für die unter Dreijährigen mit rund 19 Prozent die im Ländervergleich bundesweit zweitniedrigste Betreuungsquote auf. Wie passt das zusammen?

David McAllister: Das ist, wenn man genauer hinschaut, kein Widerspruch. Die Verbesserung der frühkindlichen Bildung ist eine zentrale Aufgabe der jetzigen Regierungsarbeit. Im Jahr 2007 hatte Niedersachsen noch eine Betreuungsquote von 6,9 Prozent. 2011 waren es bereits 19,1 Prozent. Wir liegen nur 0,9 Prozentpunkte unterhalb des Durchschnitts der westdeutschen Länder. Entscheidend aber ist: Niedersachsen wurde 2010 die beste Ausbaudynamik bescheinigt. Auch im letzten Jahr lag unser Land im vorderen Drittel der Bundesländer. Wir haben also gut aufgeholt. Daran knüpfen wir an.

Einige weitere Zahlen: Seit 2008 hat die Landesregierung mehr als 19.200 neue Betreuungsplätze in einer Krippe oder einer Tagespflegestelle gefördert. Mit einem neuen Landesprogramm sollen in den Jahren 2012 und 2013 nochmals bis zu 10 000 neue Plätze gefördert werden. Das ist eine besondere Kraftanstrengung gerade auch für die Kommunen. Sie müssen vom 1. August 2013 an für Kinder ab dem ersten Lebensjahr die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf eine Tagesbetreuung gewährleisten. Mehr als 500 Millionen Euro insgesamt wird das Land zwischen 2008 und 2013 für Investitionen und Betriebskosten ausgeben. So werden wir die Zusagen aus dem so genannten Krippengipfel einhalten.

Bleiben wir bei den Zahlen. Im "Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2011" der Bertelsmann Stiftung gehört Niedersachsen zu den Bundesländern mit den wenigsten Ganztagsgrundschulen. Setzt man im Land Niedersachsen nicht auf Ganztagsbetreuung?

David McAllister: Vorab bemerkt: Der Länderreport der Bertelsmann Stiftung basiert auf den Daten der KMK bis 2009. Meine Landesregierung fördert den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen. In keinem anderen Bereich hat sie so stark investiert. Zum Schuljahresbeginn 2011/12 bieten mehr als ein Drittel der allgemein bildenden Schulen Ganztagsangebote. Mit jetzt 1 311 Ganztagsschulen hat sich die Zahl mehr als verachtfacht. Auffällig ist der stark zunehmende Anteil von Ganztagsgrundschulen. Im Schuljahr 2010/11 waren von 1 719 reinen Grundschulen 401 Ganztagsschulen. Zum Schuljahresbeginn 2011/12 wurden in Niedersachsen weitere 188 Genehmigungen (ohne Oberschule) ausgesprochen. Davon allein 121 für Grundschulen. Immer mehr Eltern wünschen sich eine verlässliche Betreuung und qualitativ hochwertige Bildungsangebote. Dies hat die Landesregierung im Blick.

2011 hat Niedersachsen einen Gesetzentwurf zur Inklusion vorgelegt. Werden zukünftig alle Schulen in die Lage versetzt, Kinder mit Beeinträchtigungen und Behinderungen aufzunehmen und ihnen gute Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten?

David McAllister: Mit der Schulgesetznovelle zur Einführung der inklusiven Schule wird die gleichberechtigte und barrierefreie Teilhabe von Kindern mit Behinderungen erstmalig in Niedersachsen festgeschrieben. Für jedes Kind soll eine passgerechte Schule gefunden werden. Es ist wichtig, dass Schüler, die einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung haben, künftig in allen allgemeinen Schulen unterrichtet und erzogen werden können - wenn die Erziehungsberechtigten dies wollen. Die Zuständigkeit für alle Schüler liegt bei den Lehrkräften der allgemeinen Schulen. Die Lehrkräfte und die Schulen werden bereits vorab durch Fortbildungen auf die Inklusion vorbereitet. Wichtig ist aber auch: Die Förderschulen werden auch weiterhin in Niedersachsen ihren Platz haben und ihre bewährte Arbeit weiterführen können.

Im letzten Herbst hat die niedersächsische "Koordinierungsstelle für Maßnahmen zur vertieften Berufsorientierung" ihre Arbeit aufgenommen. Welche Unterstützung bekommen Schulen jetzt bei diesem Thema?

David McAllister: Die Koordinierungsstelle Berufsorientierung stellt für die allgemein bildenden Schulen ein Angebot von qualitätsgeprüften Projekten zur vertieften Berufsorientierung bereit. Grundlage sind die Qualitätskriterien der Bundesagentur für Arbeit für Maßnahmen der vertieften Berufsorientierung. Die angebotenen Module ergänzen das Regelangebot von Schule und Berufsberatung. Sie können von den Schulen nach Bedarf abgerufen werden. Die Kooperation mit Kammern und Wirtschaftsverbänden ermöglicht es, auch die Betriebe zu beteiligen.

Eine weitere Änderung betrifft die Lehrerfortbildung. Sie wurde dezentralisiert. Warum?

David McAllister: Die 87 000 Lehrkräfte in unseren Schulen haben eine wichtige Aufgabe. Sie können diese nur ausfüllen, wenn sie ihr Wissen ständig auf dem aktuellen Stand halten. Bisher war die regionale Lehrerfortbildung eine Aufgabe der Landesschulbehörde. Ab 1. Januar 2012 ist die Verantwortung dafür auf die Universitäten übertragen worden. Diese nehmen bereits die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte wahr. Auch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung sind mit einbezogen. Es gibt jetzt insgesamt neun Kompetenzzentren für Lehrerfortbildung in Niedersachsen. Sie stellen sicher, dass neue Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung unmittelbar an Lehrkräfte weitergereicht werden - und zwar in einer praxisrelevanten Umsetzung, die von den Schulen direkt für den Unterricht gebraucht werden kann.

Mit dem niedersächsischen Hochschulgesetz aus dem Jahr 2010 sollte auch die Weiterentwicklung der offenen Hochschule einhergehen. Gibt es bereits eine erste Bilanz?

David McAllister: Die Öffnung der Hochschulen in Niedersachsen war bislang sehr erfolgreich. Sie hat bundesweit Akzente gesetzt. Die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln im Bundeswettbewerb "Aufstieg durch Bildung" und die Etablierung von vier Modellprojekten Offene Hochschule in Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Oldenburg sind hochschulpolitisch wichtige Maßnahmen. An den genannten Standorten werden die berufsbegleitenden Studienprogramme und gezielte Studienvorbereitungskurse für beruflich Qualifizierte bereits heute angeboten. Es wird eine organisatorisch selbstständige Service- und Koordinierungsstelle "Offene Hochschule Niedersachsen" eingerichtet, um die Nachhaltigkeit des Projektes zu sichern. Die Abstimmungsgespräche dazu sind bereits weit vorangeschritten. Die Vertreter der Hochschulen, der Wirtschaftsverbände und der Einrichtungen der Erwachsenenbildung sind sich jedenfalls einig, dass solche Projekte unentbehrlich sind.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Februar 2012
Herausgeber:
Deutsche Messe AG, Hannover
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Tel.: (0511) 89-0 · Fax (0511) 89-366 94
Internet: http://www.messe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2012