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GAZA/043: Waffengang und Widerstand - das erste Opfer ... (EJJP)


Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
European Jews for a Just Peace Germany

European Jews for a Just Peace / Europäische Juden für einen gerechten Frieden (EJJP) appellieren an die EU zu intervenieren, um den Angriff auf Gaza zu beenden


8. Juli 2014

An die Hohe Repräsentantin Ashton, Pierre Vimont, Christian Berger, Ständige Vertreter und Politische Berater.
Kopie an Leonello Gabrici, Helga Schmid

Sehr geehrte Hohe Repräsentantin Ashton et al,

Wir schreiben aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas, die jetzt soweit eskaliert sind, daß die Hamas Langstreckenraketen abfeuert und israelische Luftangriffe auf Gaza geführt werden, die sich gleichermaßen gegen militärische und zivile Ziele richten. Wir sind darüber hinaus äußerst besorgt über die Spirale brutaler Überfälle auf Einzelpersonen, die sich zu umfassender Gewalt zwischen israelischen und palästinensischen Nachbarschaften auswachsen könnten.

Wir begrüßen, daß die Europäische Union und der UNO-Sicherheitsrat den entsetzlichen Fall der Entführung und des Mordes an drei israelischen Jugendlichen sowie den gleichermaßen furchtbaren Rachemord an einem palästinensischen Jungen in gleicher Weise verurteilen. Hierauf folgte jetzt die Tötung von zwei weiteren Palästinensern und die Verletzung eines dritten. Sie wurden von einem Lastwagen erfaßt, anscheinend ein von einem Siedler absichtlich herbeigeführter Unfall mit Fahrerflucht. In Ost-Jerusalem und in Nord-Israel hat es gewaltsame Zusammenstöße gegeben. Wir bitten Sie jedoch, die Reihenfolge der Ereignisse und die Frage der Verantwortlichkeit zu bedenken.

Diese Folge von Überfällen hat nicht mit der Entführung der drei israelischen Jungen begonnen, sondern vielmehr mit den tödlichen Schüssen israelischer Soldaten auf zwei palästinensische Teenager Mitte Mai nach einer Demonstration zum Nakba-Tag vor dem Ofer-Gefängnis in der Westbank. CCTV-Filmaufnahmen belegen schlüssig, daß die Jungen keine Waffen trugen, sich keineswegs in der Nähe der IDF-Linien [IDF - Israelische Verteidigungsarmee, Anm. d. Übers.] vor dem Gefängnis befanden und nicht einmal in Richtung Gefängnis unterwegs waren. Dieser Vorfall war selbstverständlich nur der jüngste einer langen Geschichte tödlicher IDF-Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten, wie Amnesty International in seinem Bericht "Trigger Happy: Israel's use of excessive force in the West Bank" [Schießwütig: Israels exzessive Gewalt in der Westbank, Anm. d. Übers.] belegt. Mord ist niemals zu rechtfertigen, aber man sollte einräumen, daß man nicht erwarten kann, daß sich alle Palästinenser im Angesicht dieser fortgesetzten Provokationen die ganze Zeit wie Gandhi oder Martin Luther King benehmen.

Die IDF-Operation in der Westbank nach den Entführungen war eine zynische Lüge. J.J. Goldberg schrieb am 10. Juli in der Jewish Daily Forward: "Die Regierung wußte fast von Beginn an, daß die Jungen bereits tot waren. Sie erhielt die Legende, sie hoffe, diese lebend zu finden, als Vorwand aufrecht, um die Operationen der Hamas in der Westbank zu beenden." Am 3. Juli berichtete Human Rights Watch: "Israels Militäroperationen ... laufen auf Kollektivbestrafung hinaus. Sie ... umfassen ungesetzlichen Gebrauch von Gewalt, willkürliche Verhaftungen und die illegale Zerstörung von Häusern. ... Israelisches Militär hat ohne Tatvorwurf mindestens fünf Palästinenser getötet und mindestens 150 verhaftet und eingesperrt."

Die Wiederaufnahme des Raketenbeschusses aus Gaza durch die Hamas muß in diesem Kontext verstanden werden. Mit den israelischen Luftangriffen, die ganz offensichtlich dazu dienen, den Raketenbeschuß zu stoppen, soll ebenso offensichtlich die Hamas geschwächt oder vernichtet werden und eine kollektive Bestrafung erfolgen. Es ist klar, daß die israelische Politik für die Kämpfe und die erschreckenden Opferzahlen unter den Palästinensern verantwortlich ist, die sich zur Zeit auf 100+ Getötete und 600+ Verwundete belaufen, wie bei der Operation 'Gegossenes Blei' und der Operation 'Säule der Verteidigung'. Sie sind wesentlicher Bestandteil der gewaltsamen israelischen Unterdrückung des palästinensischen Widerstands gegen die lange illegale Besetzung und Besiedlung palästinensischen Landes.

Wir bitten die EU eindringlich, all ihren Einfluß auszuüben, um die Parteien davon zu überzeugen, die wachsenden Kämpfe zu deeskalieren und sich dann auf einen Waffenstillstand zu einigen und auch die eigenen Extremisten zu kontrollieren, um weitere Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu unterbinden. Auf lange Sicht wird der einzige Weg, zukünftige Ausbrüche von Gewalt zu verhindern, die Beendung der Besatzung sein. Solange ein rechtsgerichtete israelische Regierung an der Macht ist, können das nur die EU, die Mitgliedstaaten und weitere Staaten erreichen, die entschlossen sind, ökonomischen und diplomatischen Druck auf Israel auszuüben, und damit Kosten zu verursachen, wenn die Besatzung aufrechterhalten wird.

Hochachtungsvoll,

Dror Feiler, Vorsitzender der EJJP; Sprecher von Ship to Gaza; Judar for Israelisk-Palestinsk Fred (Stockholm)

Arthur Goodman, Parlamentarischer und Diplomatischer Vertreter, Jews for Justice for Palestinians (London)


Link zum englischen Originaldokument:
htp://www.juedische-stimme.de/?p=1484

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Quelle:
Appell der European Jews for a Just Peace, EJJP, 08.07.2014
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Haus der Demokratie und Menschenrechte
c/o Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Fax: +49 (0)30 396 21 47
E-Mail: mail[at]ische-stimme.de
Internet: http://www.juedische-stimme.de
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen
mit freundlicher Genehmigung des Vorstands der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2014


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