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SYRIEN/033: Dominostein Damaskus - Zerstörungsbilanz ohne Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2014

Syrien: Bürgerkrieg gefährdet Entwicklung in der arabischen Welt

von Thalif Deen


Bild: © UN/Eskinder Debebe

Flüchtlinge aus Syrien in einem Lager nahe der nordirakischen Stadt Erbil im kurdischen Autonomiegebiet
Bild: © UN/Eskinder Debebe

New York, 20. Januar (IPS) - Die weit verbreitete sektiererische Gewalt und anhaltende militärische Konflikte an vielen politischen Brennpunkten wie Syrien, Irak und Libanon haben nicht nur abertausende Menschenleben gefordert und fragile Volkswirtschaften zerstört. Auch die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen zur Beseitigung von Hunger und Armut wurden unterhöhlt.

"Die Krise in Syrien bedeutet eine Krise für die Entwicklung im gesamten arabischen Raum", warnt Sima Bahous, die Vorsitzende der UN-Entwicklungsgruppe (UNDG) in der Region der arabischen Staaten. Nicht nur dass im Lande selbst Bildung, Alphabetisierung, Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung dramatische Rückschritte erlitten hätten. Der Konflikt habe ein wirtschaftliches Chaos in der gesamten arabischen Welt angerichtet.

Wie aus einem neuen Bericht des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) hervorgeht, hat der Krieg die menschliche Entwicklung in Syrien um 35 Jahre zurückgeworfen. Mehr als die Hälfte der etwa 12,6 Millionen Syrer leben inzwischen in Armut. 9,3 Millionen benötigen Entwicklungshilfe, und 6,5 Millionen wurden vertrieben.


Über zwei Millionen Syrer ins Ausland geflohen

Laut dem im September veröffentlichten Report hat die Krise zudem etwa 2,3 Millionen Syrer zur Flucht in die Nachbarländer gezwungen. Ungefähr 80 Prozent von ihnen leben nicht in Flüchtlingslagern, sondern mitten unter der Landesbevölkerung. Damit werden städtische und soziale Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnungsbau auf eine harte Belastungsprobe gestellt.

Wie Yasmine Sherif, Sonderberaterin für Partnerschaften und Ressourcenmobilisierung des UNDP-Programms für die arabischen Staaten (RBAS), erläutert, gelte es Maßnahmen zu fördern, durch die Resilienz der krisenbetroffenen syrischen Gemeinschaften und ihrer Gastgemeinden in den Nachbarstaaten gestärkt werde. Für die Arbeit in der Subregion benötigt das UN-Entwicklungsprogramm 166 Millionen US-Dollar, von denen 138 Millionen Dollar auf den 'Rapid Response Plan' der UN und einen Plan für rasche humanitäre Hilfe in Syrien entfallen.

Beide Pläne wurden für eine UN-Geberkonferenz am 15. Januar in Kuwait vorbereitet, bei der Zusagen für mehr als 2,4 Milliarden Dollar gemacht wurden. Von den Hilfsorganisationen kommen 400 Millionen Dollar.

Mit Blick auf die Verteilung der Gelder werden die UN-Organisationen zunächst gemeinsam mit den Empfängern Prioritäten festlegen, wie Sherif erklärt. An diesen Prioritäten orientierten sich die Geber, die manchmal auch selbst Schwerpunkte vorgäben.

Auch das Welternährungsprogramm (WFP), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR), das Weltkinderhilfswerk UNICEF, der Weltbevölkerungsfonds UNFPA und das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) sind auf der Suche nach Finanzmitteln.

Nach Aussagen des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon, der den Vorsitz bei der Geberkonferenz führte, hat der fast dreijährige Konflikt "Syrien um Jahre oder sogar Jahrzehnte zurückgeworfen." Die negativen Folgewirkungen destabilisierten die gesamte Region und führten zu Rückschritten in der Entwicklung. Die mehr als 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge "verursachen große Notlagen und lassen die Spannungen in der gesamten Region anwachsen", so Ban.

Syrien-Krieg belastet Libanon und Jordanien stark

Indirekt hat der Krieg auch die sektiererische Gewalt in den beiden Nachbarstaaten Irak und Libanon weiter angefacht. Nach einer gemeinsamen Studie der Weltbank und der Vereinten Nationen, aus der Ban zitiert, ging das Wirtschaftswachstum im Libanon seit Ausbruch des Kriegs um fast drei Prozent jährlich zurück. Die gesamten Verluste belaufen sich bereits auf 7,5 Milliarden Dollar. In Jordanien können die Kosten für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge 1,5 Milliarden Dollar übersteigen. Auch die Türkei und der Irak werden durch hohe Kosten belastet.

Aus dem UNDP-Bericht geht weiter hervor, dass die Wirtschaftsleistung auch in Ägypten, Tunesien und im Jemen zurückgegangen ist. Alle drei Länder stecken in komplexen politischen Übergangsprozessen. Die Fortschritte der Region auf dem Weg zu den Millenniumszielen seien durch die Auswirkungen der Syrien-Krise zunichte gemacht worden.

Laut der UN-Untergeneralsekretärin Valerie Amos, die Nothilfeeinsätze leitet, braucht WFP etwa 100 Millionen Dollar, um mehr als vier Millionen Syrer einen Monat lang zu ernähren. Und UNFPA benötigt rund zehn Millionen Dollar, um eine lebensrettende ärztliche Versorgung für 2,8 Millionen Menschen in neun syrischen Provinzen garantieren zu können. Amos sagte den Gebern, dass fast jeder Syrer von dem Konflikt betroffen sei. Das Bruttoinlandsprodukt ist demnach um 45 Prozent gesunken, und die Währung hat 80 Prozent ihres Wertes verloren. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.undp.org/content/rbas/en/home/ourwork/crisispreventionandrecovery/successstories/Responding_to_crisis_Syria/
http://arabstates.undp.org/rbas/en/home.html
http://www.undg.org/
http://www.ipsnews.net/2014/01/syrian-crisis-threatens-development-arab-world/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2014